Differenzen beim Kader: Kracht es beim FC Bayern wie zu Flicks Zeiten?
München - Es wird ein spannender Sommer! Der FC Bayern München konnte die hohen Ansprüche in dieser Saison nicht konstant erfüllen. Unter dem Strich steht "nur" der Gewinn der zehnten Meisterschaft in Folge zu Buche - zu wenig!
Vor allem die bittere 0:5-Blamage gegen Borussia Mönchengladbach in der zweiten Runde des DFB-Pokals und das überraschende Aus im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Villarreal haben Spuren beim Rekordmeister hinterlassen.
Ein Blick auf den möglichen Kader verdeutlicht einen Handlungsbedarf, der nicht von der Hand zu weisen ist. Eine generelle Einigkeit dürfte deshalb hinter den Kulissen zweifelsohne bestehen, bei der entsprechenden Ausrichtung scheint es aber wohl durchaus unterschiedliche Auffassungen zu geben.
Wie die Sport Bild berichtet, sollen zwischen Julian Nagelsmann (34) und Hasan Salihamidzic (45), der als Sportvorstand eine entscheidende Rolle spielt, hinsichtlich der Kadergestaltung ernstzunehmende Differenzen bezüglich der Vorstellungen existieren.
Dem Bericht zufolge soll ein angespanntes Verhältnis die Konsequenz sein, das gar an das zwischen Salihamidzic und Hansi Flick (57) erinnere. Letzterer hatte als Bayern-Übungsleiter seinerzeit die Zusammenstellung des Kaders öffentlich kritisiert.
Der Streit zwischen dem heutigen Bundestrainer und dem Sportvorstand war teils in der Öffentlichkeit ausgetragen worden.
Nagelsmann soll den Verantwortlichen wiederholt Vorschläge zu potenziellen Neuzugängen vorgelegt haben. Unter anderem bei Nico Schlotterbeck (22), den es vom SC Freiburg zu Borussia Dortmund zieht, oder Denis Zakaria (25), der im Winter von Borussia Mönchengladbach zu Juventus Turin gewechselt war, habe das Zögern der Bosse jedoch letztlich zum Nachsehen geführt. Er sei wegen eben jener zurückhaltenden Herangehensweise deshalb zusehends frustriert.
FC Bayern München: Wünsche von Julian Nagelsmann und das Budget des Rekordmeisters
Ein Grund für die eher defensive Transferpolitik der Roten stellt demnach das vorhandene Budget dar.
Im Gegensatz zu anderen Vereinen, deren Besitzer einfach die Geldschatulle öffnen und sich gefühlt nahezu nach Belieben auf dem internationalen Markt bedienen können, muss der Rekordmeister nicht zuletzt aufgrund der Coronavirus-Pandemie jede Investition in Spielermaterial genau prüfen.
Gleich mehrere Baustellen im Kader erschweren die Aufgabe. Ein weiterhin im Raum stehender Abgang von Robert Lewandowski (33) würde diese zudem nochmals erschweren, beziehungsweise aufgrund der Bedeutung des Polen fast unmöglich machen. Beharren die Bosse auf der Erfüllung des Vertrags wäre der international begehrte Stürmer im Jahr 2023 ablösefrei zu haben, der somit auf diese Weise wiederholt entstehende finanzielle Verlust enorm.
Auch bei Serge Gnabry (26) gestalten sich die Gespräche derzeit schwierig, der Vertrag des Flügelspielers läuft ebenfalls nach der kommenden Saison aus. Nahezu alle Trümpfe hat deshalb die Spielerseite in der Hand, es werden entscheidende Wochen.
Corentin Tolisso (27) wird den Verein indes wohl bereits in diesem Sommer aufgrund seines auslaufenden Vertrags ablösefrei verlassen. Es ist aktuell kaum vorstellbar, dass dem Franzosen vom FC Bayern doch ein neues Arbeitspapier vorgelegt wird. Einen Gegenwert wird er folglich für den Klub nicht mehr generieren, nur sein Gehalt kann von der Liste gestrichen werden.
Dass Nagelsmann der ehrliche Blick auf den Kader - vor allem auf die Defensive sowie das zentrale Mittelfeld - akute Sorgen bereitet, ist trotz aller Beschränkungen, welche die Finanzen mit sich bringen mögen, mehr als verständlich.
FC Bayern München muss im Sommer aufrüsten: Konrad Laimer und Borna Sosa auf der Liste?
Immerhin: Mit Ryan Gravenberch (19) von Ajax Amsterdam soll ein Neuzugang bereits feststehen, sein Teamkollege Noussair Mazraoui (24) auch mit dem Rekordmeister weitestgehend einig sein. Mazraoui könnte als gelernter Rechtsverteidiger für Entlastung sorgen und Benjamin Pavard (26) somit erlauben, mehr ins Zentrum der Abwehr zu Rücken.
Während der 24-Jährige ablösefrei kommen würde, soll die Verpflichtung Gravenberchs mit rund 30 Millionen Euro zu Buche schlagen - und das ohne Handgeld für Spieler und Berater. Es müssten wohl weitere Verkäufe her, die Geld in die Kasse spülen würden, um Neuzugänge refinanzieren zu können.
Sollte der ablösefreie Abgang von Niklas Süle (26) zum BVB nicht mit Pavard aufgefangen werden, stünde ein weiterer Innenverteidiger ganz weit oben auf der Liste. Mit Dayot Upamecano (23), Lucas Hernández (26) und Tanguy Nianzou (19) hat Nagelsmann nicht die Qual der Wahl. Salihamidzic und Co. sollen den Spielermarkt bereits sondieren.
Vor der defensiven Kette verfügt der FC Bayern mit Leon Goretzka (27) und Joshua Kimmich (27) zwar über eine bärenstark besetzte Zentrale, als Backups fungieren nach dem aktuellen Stand in der kommenden Saison allerdings Marc Roca (25) und Marcel Sabitzer (28) - und somit zwei Akteure, die bislang nicht überzeugen konnten. Gerade Sabitzer, den sich Nagelsmann gewünscht hatte und der von RB Leipzig geholt worden war, blieb in seiner ersten Spielzeit hinter den Erwartungen zurück.
Roca könnte gar ein Verkaufskandidat sein, der FC Barcelona offenbar Interesse haben. Im Gegenzug soll Nagelsmann sich erneut bei seinem alten Arbeitgeber bedienen und Konrad Laimer (24) an die Säbener Straße lotsen wollen, Salihamidzic von dieser Vorstellung alles andere als begeistert sein. Auch Borna Sosa (24) vom VfB Stuttgart wird im Bericht ins Spiel gebracht.
Sonderlich weit oben auf der Liste der Bosse dürfte der Linksverteidiger, der mit Alphonso Davies (21) konkurrieren würde, erwartungsgemäß nicht stehen. Wenngleich als Ersatz für den 21-Jährigen derzeit nur Omar Richards (24) zur Verfügung steht.
Was die Problematik eindrucksvoll verdeutlicht: Der erste Anzug sitzt, für nationale und internationale Gala-Auftritte scheint der FC Bayern gut gerüstet. Was beim Blick darunter zum Vorschein kommt, muss jedoch dringend geflickt werden, wenn man angesichts der enormen Mehrfachbelastung durch alle Wettbewerbe weiter Titel sammeln will.
Titelfoto: Sven Hoppe/dpa