Union-Berlin-Blog: Der verrückte Gosens-Deal nach Florenz

Berlin - Eisern: In einer Personal-Union aus drei waschechten Berliner Fußball-Fan-Originalen gibt es bei TAG24 den Union-Berlin-Blog.

Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.
Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.  © Archiv

Die Autoren:

Icke (Jürgen Heinemann) ist seit Mitte der Siebzigerjahre Unioner und als Betriebswirt seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig. Er ist verheiratet und hat ein erwachsenes Kind. Icke lebt heute in Grünheide und schreibt hier als Gründer des Blogs.

Unionfux (Tobias Saalfeld) ist seit über 40 Jahren Unioner, er arbeitet als Freischaffender für Bühne, Funk und Fernsehen, auch dort schreibt er.

Union-Sieg im Schatten von Gosens-Abgang: "Das ist eine Katastrophe!"
1. FC Union Berlin Union-Sieg im Schatten von Gosens-Abgang: "Das ist eine Katastrophe!"

Beecke (Christian Beeck), Ex-Bundesliga-Spieler (Hansa, Cottbus), Ex-Union-Manager, 21 Länderspiele für DDR-Junioren, stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union. Beecke hat 2 Kinder. In unserem Union-Blog fungiert Beecke als Berater.

31. August: Der verrückte Gosens-Deal nach Florenz

Robin Gosens (30) ist am Freitag auf dem letzten Drücker doch noch Italien zurückgekehrt.
Robin Gosens (30) ist am Freitag auf dem letzten Drücker doch noch Italien zurückgekehrt.  © Federico Gambarini/dpa

Icke: Was am Freitag zwischen 16.15 Uhr und 20.30 Uhr bei der Union-Mannschaft und vor allem in den Köpfen der Spieler vorging, kann man nur erahnen. Khedira machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er kritisierte den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wechsels von Gosens sehr deutlich. Das muss man sich einfach mal vorstellen. Da kommt am letzten Tag eine Info, Florenz und Gosens sind sich über einen Wechsel einig. Und Gosens geht zu Heldt und bittet - natürlich aus privaten Gründen - um seine Freigabe. Viereinhalb Stunden vor dem Punktspiel gegen Pauli und vier Stunden vor dem Schließen der Transferliste.

Übrigens hat Gosens noch am Vormittag das Abschlusstraining mit der Mannschaft absolviert. Hier muss man sich ernsthaft fragen, ob bei Gosens noch alles richtig ist. Hätte ihm das nicht ein, zwei oder drei Monate zuvor einfallen können? Aber auch Horst Heldt muss sich fragen lassen, welche Gespräche er denn mit Gosens in den letzten Monaten führte? Da frage ich doch direkt und klar, Robin möchtest Du bei Union bleiben? Und auf eine geschlossene Frage gibt es nur zwei Antwort-Möglichkeiten.

Und dann spielen wir auch noch die Bank für den AC Florenz? Für Pongracic, Kean und Richardson geben die Italiener 37 Millionen aus. Für uns bleibt eine kleine Leihgebühr einer halben Million. Warum Dirk Zingler dann doch zähneknirschend ja sagte, ist mir auch klar. Er rechnet anders. Er nimmt die halbe Million Leihgebühr, zählt schon einmal die 7,5 Mio. aus der Kaufpflicht nächstes Jahr dazu und addiert dann noch die (geschätzten) acht Millionen Gehalt für die kommenden vier Jahre. Macht ein Einspar/Einnahme-Potential von 16 Millionen. Bezahlt haben wir 13 Millionen an Ablöse plus etwa zwei Mio. Gehalt in der vergangenen Saison. Wenn ich mir das jetzt selbst gegenrechne, so gehe ich sogar mit einem Plus von einer Mio. raus. Weil Verträge einzuhalten sind. Ergo die Fehler wurden vorher gemacht. Jetzt aber auch. Gerade im Fall Gosens hätte es einen früheren Transfer-Stopp seitens des Vereins geben müssen. Hat man nicht gemacht, weil man ihn (noch) loswerden wollte.

Union Berlin mit Heimpremiere gegen St. Pauli: Für ihn ist es ein Derby
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Man hat ja auch Rothe geholt, weil man ganz fest mit einem Gosens-Abgang rechnete. Klar hier geht es kumulativ in den zweistelligen Millionenbereich hinein. Übrigens sind wir bei Florenz das kleinste Rad in ihrer Kette. Das Leihmodell ist bei ihnen angesagt, wie kaum bei einem anderen Verein. Man lieh vor Gosens bereits: Gudmundsson für acht (!) Mio., Colpani für vier Mio., Bove für 1,5 Mio. und Adli für 1,5 Millionen. Gosens mit seiner Mini-Leihgebühr von 0,5 Mio. fällt da extrem ab. Na klar, die Italiener wussten ja, dass wir ihn - nach der Rothe-Verpflichtung - noch unbedingt loswerden wollen. Es hätte ja nun mal überhaupt keinen Sinn gemacht, mit drei guten Schienenspielern auf links in die Saison zu gehen. Und wir hatten nur noch vier Stunden. Hoffentlich verrechnen wir uns gerade nicht wieder und begehen damit einen weiteren Fehler. Die Kaufpflicht soll nur greifen, wenn Florenz sich für das internationale Geschäft qualifiziert. Und wenn nicht? Dann kommt Gosens zu uns zurück?

Nächsten Sommer ist Gosens dann 31 Jahre. Wollen wir ihn dann für drei oder 3,5 Mio. abgeben? Was mir bei diesem Deal generell missfällt: Das ganze Risiko liegt bei uns. Die Unannehmlichkeiten des letzten Transfertages liegen bei uns. Die anderen Spieler fragen sich zu Recht, was wir da veranstalten. Um eins noch richtig zum Ausdruck zu bringen, nicht der Gosens-Transfer wird kritisiert, sondern der Zeitpunkt. Als guter und konsequenter Verhandler, muss ich das schon vier Wochen früher festzurren. Oder eben ein Stopp einbauen. Und nicht noch Rothe verpflichten, damit auch alle anderen sehen, wir wollen ihn immer noch loswerden. Das ist ein falsches Signal. Damit konnte uns Florenz erpressen. Erfolgreich. Bisher war ich ein Gosens-Fan, weil mir seine kämpferische Art auf dem Rasen gefiel. Natürlich auch seine Tore. Mit diesem charakterlichen Fauxpas betrachte ich ihn ein klein wenig anders.

Natürlich hat das nicht Heldt allein entschieden. Ich kann auch Zingler und Heldt verstehen, warum sie letztlich im Sinne des Vereins und vor allem unter diesen Voraussetzungen so entschieden haben. Ein bitterer Beigeschmack bleibt trotzdem. Sicherlich hätte man diese Personalie schneller und eleganter lösen können. Wir haben gepokert und verloren. Nicht das ganze Spiel, aber eine Runde. Übrigens die Gosens-Vertretung Rothe machte insgesamt ein gutes Spiel. Er war engagiert, immer unterwegs und zweikampfstark. Vor allem defensiv ist er wohl sogar stärker als Gosens. Natürlich strahlt er (noch) nicht die Torgefahr eines Gosens aus. Und es gelang ihm auch noch nicht alles. Wenn man aber bedenkt, dass er erst 20 Jahre jung ist, dann war das schon sehr ordentlich. Zusammen mit dem routinierten Rosssillon wird er ein gutes Pärchen auf links bilden. Eisern.

31. August: Heimsieg gegen St. Pauli durch Hollerbachs Sonntagsschuss am Freitagabend

Unioner Benedict Hollerbach und Kevin Vogt jubeln nach dem Sieg.
Unioner Benedict Hollerbach und Kevin Vogt jubeln nach dem Sieg.  © Christophe Gateau/dpa

Das Beste und Wichtigste zuerst: Heimsieg - drei Punkte!! Denn der Rest wirft doch eine Menge Fragen auf, angefangen bei der Aufstellung.

Im ersten Heimspiel hätte man eigentlich erwarten können, dass wir mit dem letztens bei seinem Kurzauftritt so überzeugenden Spielmacher Laszlo Benes beginnen, um beim Heimauftakt gegen den Aufsteiger ein spielerisches Übergewicht zu erreichen, doch Bo Svensson nimmt lediglich zwei Änderungen im Vergleich zum Mainzspiel vor.

Vertessen startet für Schäfer und, gewissermaßen gezwungenermaßen, Rothe für Gosens, der überraschend auf den allerletzten Metern doch noch zurück in die Serie A zum AC Florenz gewechselt ist.

Noch am frühen Nachmittag sieht es nach einem Verbleib des Außenbahnspielers aus, dann geht alles sehr schnell und Robin Gosens ist in der Toskana statt in der Wuhlheide.

In der ersten Hälfte strahlen wir zu keiner Zeit Dominanz aus, im Gegenteil, wir überlassen St. Pauli oft das Spiel, die zum Glück damit wenig anfangen können. Torchancen bleiben Mangelware, auf beiden Seiten passiert nichts so wirklich Erwähnenswertes in den Strafräumen und vor dem Kasten. Bis nach einer guten halben Stunde Tousart von der Strafraumgrenze einen harten Schuss abfeuert, den Paulis Keeper Vasilj nur klatschen lassen kann, in der Folge klärt St. Pauli zur Ecke.

Die bringt Vertessen rein, Guilavogui köpft die Kugel raus und Hollerbach nimmt den Ball kurzentschlossen aus achtzehn Meter mit links volley: leicht abgefälscht und unhaltbar schlägt der Schuss zum 1:0 ein. Kurz danach hat Jordan eine weitere Gelegenheit, aber weder die Fortune noch das Können, daraus mehr zu machen und so nehmen wir die knappe Führung in die Pause. Nicht gerade begeisternd bis hierher, aber vielleicht wird’s ja besser nach der Pause? Denkste, Puppe, nischt is.

Denn offensiv geht nach der Pause leider noch viel weniger, kaum eine der Bemühungen bringt echte Gefahr für das Tor der Hamburger und wir lassen weiterhin St. Pauli spielen, ohne die Gelegenheiten und die Räume für Konter zu nutzen. Auch, als Benes und Schäfer für Vertessen und Tousart kommen, wird es kaum besser: Ungenauigkeiten, Stockfehler und fehlende Dynamik machen ein wirkliches Offensivspiel kaum möglich, wir sind weit entfernt von einem weiteren Tor und damit der Entscheidung, ja, mit zunehmender Spielzeit werden wir eher immer zaghafter und versuchen, das Ergebnis irgendwie über die Zeit zu bringen, haben dabei kaum mal längere Ballbesitzphasen, die entlasten könnten.

Zweifellos engagiert in der Abwehr, kommt es wenigstens kaum zu guten Abschlüssen des Gastes, nur zweimal zuckt man richtig zusammen: eine Viertelstunde vor Schluss geht ein Fallrückzieher des eingewechselten Dzwigala denkbar knapp links vorbei und mit der letzten Aktion des Spiels kommt der ebenfalls neu dazugekommene Afolayan nochmal gefährlich zum Schuss, aber der gewohnt aufmerksame Rönnow ist schnell unten und hält souverän. Und so bleibt es, Gottseidank, bei diesem, naja, Arbeitssieg, der eigentlich nur durch eine Einzelleistung Hollerbachs zustande kommt, der sich wenigstens im richtigen Moment einmal traut und aus einer Halbchance ein Tor macht, viel mehr ist im Grunde nicht, doch diesmal reicht das eine Tor eben, na, wenigstens das.

Denn in einem Heimspiel gegen einen, zugegeben tapferen und mutigen, Aufsteiger so wenig anzubieten, das ist schon leicht beängstigend, irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die Mannschaft dort weiter macht, wo sie in der letzten Spielzeit aufgehört hat. Wir werden uns jedenfalls gewaltig steigern müssen, denn oft wird so eine Leistung nicht für drei Punkte reichen. Sicher, der Start in die neue Saison kann mit vier Punkten als gelungen gelten, darüber kann und soll man sich freuen, darum geht es schließlich.

Ob wir uns wirklich entscheidend verstärken konnten, das wird die Zeit zeigen, heute kam, auch in letzter Minute, ein 24jähriger Mittelstürmer hinzu, der Serbe Andrej Ilic, ausgeliehen vom OSC Lille, aber zum Transfersommer werde ich mich in der kommenden Woche nochmal explizit äußern. Dass jedoch noch gewaltig Luft nach oben ist, in fast jeder Hinsicht, und zwar bei Alteingesessenen und Neuankömmlingen (bis auf Fitness und Laufbereitschaft), das konnte heute jeder sehen, trotz des wichtigen Heimerfolgs.

Vielleicht ganz gut, dass nach dem kurzen Auftakt von nur zwei Spielen schon wieder Länderspielpause ist. Hoffentlich werden Bo und die Jungs die Zeit entsprechend nutzen, denn die nächsten Aufgaben haben es in sich, immerhin müssen wir nach Leipzig, dann kommt Hoffenheim in die Alte Försterei, einfach ist anders. Nichtsdestotrotz - Glückwunsch zum Sieg, der natürlich am Ende versöhnt, wenn er auch die Sorgenfalten nicht so recht vertreiben kann.

27. August: Jetzt aber!

Bis zum Deadline Day müssen sich Manager Horst Heldt (54) und Coach Bo Svensson (45) wohl noch auf die eine oder andere Veränderung bei Union Berlin einstellen.
Bis zum Deadline Day müssen sich Manager Horst Heldt (54) und Coach Bo Svensson (45) wohl noch auf die eine oder andere Veränderung bei Union Berlin einstellen.  © Andreas Gora/dpa

Icke: Noch weiter wegschieben geht (jetzt) nicht mehr. Freitag 20 Uhr ist die Deadline. Danach sind die Transferfenster geschlossen. Bis auf wenige Ausnahmen. Und der Blätterwald gibt die Bewegungen schon wieder. Plötzlich kommt die Personalie Ache wieder hervor. Ja dieser kraftvolle und treffsichere Stürmer würde Union gut zu Gesicht stehen. Oder wird es doch Weghorst. Nicht wenige vermuten, dass man längst Kontakt mit ihm hat. Über die Zwei-Meter-Latte aus Holland muss man nichts mehr schreiben, er wäre die Persönlichkeit als Mittelstürmer schlechthin. Wir vermuten mal, einer von den zwei wird es werden.

Und wenn man sich anschaut, wer da bei Real Sociedad alles im Sturm zur Verfügung steht, wäre selbst eine Becker-Rückkehr denkbar. Oyarzabal (45 Mio.), Kubo (50 Mio.) und Barrenetcea (20 Mio.) stehen ganz vorn an. Dahinter noch die jüngeren Gomez (10 Mio.) und Sadiq (10 Mio.). Becker hat es bisher immer geschafft, auf seine Einsatzzeiten zu kommen. Mittelfristig wird das nicht immer gelingen. Zumal er finanziell gar keinen so tollen Vertrag dort besitzt. Man spricht von 1,1 Millionen.

Ache ist wohl die wahrscheinlichste Lösung. Weghorst wäre eine prima Überraschung und Becker ist wohl eher unwahrscheinlich. Übrigens haben wir in der A-Jugend den 18-jährigen U18-Nationalspieler Asanji, der Tore wie am Fließband produziert. Juventus Turin soll ihn seit Monaten beobachten und möchte ihn verpflichten. Es scheint sich bei ihm zu lohnen, ihm Einsatzzeiten bei den Profis zu geben. Dann bleibt er vielleicht sogar.

Und hinten? Da werden die Themen Doekhi und Leite wieder laut. Doekhi soll nun doch ganz woanders hin. Angeblich ist der heißeste Aspirant jetzt Eindhoven. Ja genau dieser PSV, der umgekehrt immer so ein Riesen-Theater macht, so man einen Spieler von ihnen begehrt. Deshalb würde ich mich auf die Holländer nicht verlassen. Das sind ganz unzuverlässige Zeitgenossen. Weitere Vereine, die ihn haben möchten sind Stuttgart, Leverkusen und Nizza. Deutlich seriöser und wahrscheinlich wird es einer der drei letztgenannten Vereine. Schade, wir müssen ihn verkaufen, da er anscheinend keinen neuen Vertrag bei uns unterschreibt. 10 Millionen sollten es dann aber doch sein, die wir für ihn einstreichen dürfen. Immerhin hat er einen Marktwert von 17 Millionen Euro.

Noch verrückter ist das Interesse bei Leite. Der AC Mailand, Real Madrid, Bologna und wieder Leverkusen haben schon Interesse bekundet. Er hat allerdings noch zwei Jahre Vertrag bei uns. Deshalb ist hier unsere Position wesentlich besser, als bei Doekhi. Sein Marktwert liegt bei 15 Millionen. Da wären 13 bis 14 Millionen als Ablöse schon denkbar. Unter 12 würde ich ihn aber nicht ziehen lassen. Glaubt man den Gerüchten, so hat wohl der AC Mailand die Nase vorn.

Und Robin Gosens? Da sah es zuletzt sogar nach einem Verbleib aus. Er hat ja auch noch 4 (!) Jahre Vertrag bei uns. Und trotz des Buhlens von gleich sieben (!) Vereinen (Lazio, Crystal Palace, FC Turin, Eindhoven, Benfica, Bologna, Bergamo) benimmt er sich wie ein Voll-Profi und zeigte auch im ersten Spiel in Mainz eine gute Leistung. Bei ihm kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er wirklich bleibt und die nächsten Jahre eine Säule bei uns wird. Und wenn wirklich einer der sieben – die von uns geforderten 12 bis 13 Millionen bezahlt, na dann ist es halt so. Da wir mit Rothe und Roussillon schon zwei gute linke Außenbahnspieler haben, müssten wir ihn nicht einmal ersetzen.

Leite und/oder Doekhi müssen wir ersetzen. Diese Qualität haben wir nicht mehr im Kader. Bernardo (Bochum) und Wöber (Leeds) wären gute Alternativen. Beide mit einem "linken Fuß" ausgestattet, könnten sie Leite ersetzen. Für Wöber müssten wir wohl (fast) das komplette Geld von Leite voll auf den Tisch legen. Bekämen dafür aber einen bundesligaerprobten österreichischen Nationalspieler im besten Fußballer-Alter (26). Wie wir Doekhi ersetzen wollen … ist mir noch nicht so ganz klar. Da muss eigentlich einer kommen, der den rechten und den zentralen Part in der Dreierkette spielen kann. Das könnte Friedrich aus Gladbach sein. Der wird dort nicht mehr glücklich. Bekommt - trotz guter Leistungen - keine Einsatzzeiten. Viel mehr würde mir für diese Position auch nicht einfallen. Und wir müssen aufpassen. Haben wir doch mit Querfeld und Ogbemudia (A-Jugend) zwei Mega-Innenverteidiger-Talente in der Hinterhand, denen man den Weg in die Mannschaft nicht verschließen darf. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag … vier Tage haben wir noch - für ein wildes Wechselspiel. Ganz sicher, es wird megaspannend. Eisern.

24. August: Zu wenig? Nein, doch nicht: Svensson wechselt den Punkt ein

Union Berlins Laszlo Benes (26, M.) jubelt mit seinen Mitspielern nach seinem Ausgleichstreffer zum 1:1.
Union Berlins Laszlo Benes (26, M.) jubelt mit seinen Mitspielern nach seinem Ausgleichstreffer zum 1:1.  © Torsten Silz/dpa

Unionfux: Ein Novum: zum ersten Mal in der Bundesliga müssen wir zum Auftakt reisen, und es wartet alles andere als eine leichte Aufgabe. Denn zum Ende der vergangenen Saison drehte Mainz noch mächtig auf und war gerade zu Hause sehr stark unter ihrem neuen Trainer Bo Henriksen.

Und auch für unseren Bo, der ja bekannterweise lange Zeit Spieler und Trainer in Mainz war, ist es mit Sicherheit kein Spiel wie jedes andere. Kein echter Neuzugang ist in der Startelf, wenn man mal von Jordan, dem eher unfreiwilligen Rückkehrer aus Gladbach absieht - das zeigt ziemlich deutlich, dass unsere Transferbemühungen bis hierher doch, naja, mittelprächtig sind. Die Aufstellung ist eher defensiv ausgerichtet, deswegen bleibt zum Beispiel Benes auch zunächst auf der Bank.

Die erste Hälfte in der Bullenhitze von Mainz (33 Grad im Schatten!) sieht den Gastgeber mit leichten Vorteilen, die erste große Chance durch den Südkoreaner Lee nach zwanzig Minuten, vollkommen frei kommt er nach Onisiwoflanke zum Kopfball, aber gottlob mit suboptimalem Timing, deswegen keine Gefahr für Rönnow. Wir halten im Großen und Ganzen ganz gut dagegen, kämpferisch und läuferisch stark, kommen immerhin zu sechs Ecken, aber kaum zu echten Gelegenheiten, wenigstens Hollerbachs guter Schuss kurz vor der Pause verlangt Zentner alles ab. Wir nehmen also das 0:0 mit in die Kabine, das ist insgesamt in Ordnung.

Doch in der zweiten Hälfte reißt Mainz das Spiel dann an sich, Onisiwo mit einer guten Gelegenheit, wenige Minuten später verursachen wir etwas nachlässig einen unnötigen Freistoß in bester Position, gut zwanzig Meter zentral vorm Tor. Und den zirkelt Amiri leider unhaltbar in die linke Ecke, schönes Tor, muss man ebenso neidisch wie neidlos anerkennen. Von uns kommt offensiv nichts, das ist einfach zu wenig, wenn man doch noch was mitnehmen will, im Gegenteil, es schleichen sich kleine Unkonzentrierten in der Abwehr ein, die Mainz zum Glück nicht nutzen kann.

Es muss was passieren, Bo Svensson wechselt offensiv ein, nach der zweiten Trinkpause, knapp zwanzig Minuten sind noch zu gehen, plus Nachspielzeit: Benes, Skarke und Haberer kommen für Trimmel, Hollerbach und Schäfer, kurz vorher kommt schon Vertessen für Tousart. Und schon zieht unser Offensivspiel mächtig an, allein durch unsere höhere Zielstrebigkeit plus eine bessere Ballsicherheit - keine zwei Minuten später spielt Gosens links auf Skarke, der hat das Auge für Benes und der foppt seinen Gegenspieler, der fest damit rechnet, dass sich der Slowake den Ball auf seinen starken linken Fuss legen will, aber Benes kann’s auch mit rechts: aus siebzehn Meter schlägt sein harter, präziser Schuss, unhaltbar für Zentner, neben dem rechten Pfosten ein - ein richtig geiler Treffer!

In der Folge ist das Duell wieder vollkommen offen, Jordan hat eine gute Chance, dann Doekhi nach darauffolgender Ecke und kurz darauf wieder Benes sehr schön von halbrechts aus der Ferne, da muss der Mainzer Keeper alles zeigen.

Aber auch die Mainzer kommen nochmal, in der siebenminütigen Nachspielzeit hält Rönnow gegen den Schuss aus spitzem Winkel von Sieb und Burkhardt kann den Abpraller glücklicherweise nicht kontrollieren, sein Nachsetzen geht so übers fast leere Tor. Und zum Schluss wieder Benes, von einer Gosensflanke etwas überrascht kriegt er den Ball, allerdings aus abseitsverdächtiger Position, halb Kopf, halb Schulter, nicht auf den Kasten - so bleibt es am Ende beim verdienten Unentschieden, das wir uns besonders durch unsere endlich ansehnliche Schlussphase und einen beeindruckenden Laszlo Benes, an dem wir noch viel Spaß haben dürften, sichern können.

Ein Wermutstropfen ist jedoch eine schwere Verletzung von Kevin Vogt, in den der Mainzer Stürmer Burkhardt nach einem durchaus gefährlichen Kopfball reinrauscht - wenn er und wir Glück haben, ist es nur eine Knieprellung, aber das sieht gar nicht gut aus, wie er, gestützt durch zwei Jungs aus dem Staff, in die Kabine humpelt. All unsere Daumen sind gedrückt: gute Besserung, Kevin, du wirst gebraucht!

Unterm Strich eine durchaus ordentliche Leistung unserer Jungs, die sich wenigstens noch teilbelohnen können, denn mit Glück ist gar noch ein Sieg drin, mit Pech allerdings können wir auch mit leeren Händen dastehen. Die Einstellung scheint jedenfalls zu stimmen (bei diesen Temperaturen laufen wir u. a. über vier Kilometer mehr als der Gegner) und der notwendige Rest kommt noch dazu. Auf den Auswärtspunkt im ersten Spiel kann man jedenfalls aufbauen, gut gemacht, Jungs - und ein feines goldenes Händchen, Trainer!

23. August: Überraschung

Im DFB-Pokal war Yorbe Vertessen (23) der Matchwinner für Union Berlin. Kann er auch gegen Mainz 05 überzeugen.
Im DFB-Pokal war Yorbe Vertessen (23) der Matchwinner für Union Berlin. Kann er auch gegen Mainz 05 überzeugen.  © Andreas Gora/dpa

Icke: Der erste Spieltag ist schon fast da. Morgen um 15.30 Uhr treten wir in Mainz an. Was für eine Überraschung. Aber haben wir schon alle Hausaufgaben gemacht? Nee, da haben wir geschlampt. Wir haben keinen Trikotsponsor. Unser Kader ist mitnichten fertig. Und so richtig zufrieden sind wir mit der Vorbereitung auch nicht.

Gestern haben wir Bedia nach England abgegeben. Zeitnah rechnen alle mit einer weiteren Leihe von Prtajin nach Braunschweig. Dann würde noch ein Mittelstürmer fehlen. Auch hier ist das Thema Ache - auf den wir ganz wild zu sein scheinen - noch nicht endgültig durch. Ebenso vakant ist unser Tafelsilber. Obwohl es hier eher ruhiger geworden ist. Ob man sich einen Gefallen getan hat, dieses Jahr das Transferfenster bis weit in die Saison hinein offen zu lassen … ich habe da so meine Zweifel. Dieses Gepokere nervt nur noch. Und kaum ein Verein hat Planungssicherheit.

Apropos nerven … Da soll doch ganz ernsthaft ein arabischer Verein 1 Milliarde Euro an Ablöse für Vinicius Junior geboten haben. Dazu noch eine weitere Milliarde Euro an Gehalt und Prämien für 5 Jahre Spielzeit. Sein zukünftiger Verein soll Al-Ahli sein. Dahinter steckt wohl ein saudischer Investment-Fond. Dazu muss man wissen, dass die WM 2034 wohl in Saudi-Arabien stattfindet. Natürlich möchte man sich genau ihn als Werbe-Botschafter aufbauen. Real hat schon nein gesagt. Ich vermute, dass wird nicht das letzte Angebot für ihn sein. Wir erreichen jetzt Dimensionen, die absolut ungesund sind. Das will kein Mensch, jedenfalls keiner der den Fußball wirklich liebt!

Apropos Liebe … Alles Gute Dirk zum 60. Geburtstag! Den hatte ich schon erreicht und kann Dir sagen, das ist der blödeste Geburtstag, den ich kennenlernen durfte. Im Kopf 30 und die Hülle 60, das Missverhältnis ist einfach zu groß. Aber egal, feiere schön, geht heute auch mal einer mehr. Und bleibe uns noch lange erhalten. Genauso wie immer. Das passt am besten.

Apropos Mainz … damit fingen wir ja an. Bo Henriksen stimmte uns schon ein und erwähnte gegen uns ein Offensiv-Feuerwerk abzubrennen. Hoffentlich sind wir mit seinem Landsmann Bo Svensson darauf vorbereitet. Die Abwehr scheint in diesem Jahr nicht unser Problem zu sein. Rönnow im Tor und Schwolow dahinter gehören mit zur Spitze in der Bundesliga. Sowohl als Erst- als auch die Zweitbesetzung. Doekhi-Vogt-Leite bilden die Dreier-Abwehr-Kette. Auch hier - Bombe. Zumal dahinter mit dem Ösi-Jung-Nationalspieler Querfeld in großes Talent steht. Jaeckel und der Junioren-Nationalspieler Ogbemudia (aus der eigenen A-Jugend) ergänzen den Sechserpack an Möglichkeiten. Hier brennt nichts an, so keiner mehr geht. Das Mittelfeld und den Sturm schauen wir uns nächste Woche an. Jetzt erst mal Mainz: Mit Gruda haben sie ihr Top-Talent verloren. Stolze 31,5 Millionen Euro landeten dafür auf ihrem Konto. Mit Sano und Krauß holten Sie zwei gestandene zentrale Mittelfeldspieler. Mit Sieb kam ein Stürmer im Leihgeschäft von Bayern. Dazu einige Ergänzungsspieler, aber keiner mehr, der zwingend in die Start-Aufstellung drängt. So bleiben die Säulen wie im Vorjahr. Hanche-Olsen hält ihren "Laden" hinten dicht. Amiri macht im Mittelfeld "Ballett" und vorn wird Burkhardt immer besser.

Trotzdem müssen wir uns vor Mainz 05 nicht verstecken. Nominell haben wir die besseren Spieler. Ob es uns aber auch gelungen ist, aus einem guten Kader - eine gute Mannschaft zu formen, dass werden wir sehen. Wir tippen für die Start-Aufstellung: Rönnow - Doekhi, Vogt, Leite - Trimmel, Khedira, Schäfer, Gosens - Hollerbach, Jordan, Vertessen. Eisernes Daumendrücken!

22. August: Wohin geht die Reise, Union?

Bekommen die Eisernen einen neuen Mittelstürmer?
Bekommen die Eisernen einen neuen Mittelstürmer?  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: "Wohin soll denn die Reise gehen, wohin, sag wohin, ja wohin?", heißt es in einem alten Kinderlied und diese Frage stellen sich dieser Tage, kurz vor Beginn unserer sechsten Bundesligasaison, viele Unioner. Denn es gibt weiterhin einige, sagen wir mal, Unverständlichkeiten rund um den Verein. Höchstwahrscheinlich werden wir, zumindest für den Rest des Jahres, ohne Brustsponsor auflaufen. Ich kann mich nicht erinnern, wann das mal in der Bundesliga, zumindest der letzten vierzig Jahre, irgendwo der Fall war.

Ist da etwas schiefgelaufen, hat die Marketingabteilung geschlafen, hat es tatsächlich an interessanten Angeboten gemangelt? Oder gibt's den großen geheimen Plan in der Chefetage und das Ganze wird zum genialen Coup, weil im Januar 2025 ein Sponsor ins Boot steigt, der alles mitbringt: ein großartiges Image, einen langjährigen Vertrag und eine erstaunliche Summe und obendrauf ein hübsches Logo? Auf jeden Fall wirkt es seltsam und lässt Spekulationen aller Art zu. Eine klare Aussage der Verantwortlichen könnte das verhindern, aber da warten wir wohl vergeblich.

Und der Kader? Die bisherigen Neuverpflichtungen haben die Mannschaft eher in der Breite verstärkt als in der Spitze, etwas verwunderlich nach der verkorksten letzten Saison, in der klar wurde, dass uns schon der eine oder andere Unterschiedsspieler fehlen könnte. Benes, Querfeld, Rothe und Prtajin müssen erst noch beweisen, ob sie Bundesliga können. Dazu passt das Gerücht, dass Ivan Prtajin schon wieder verliehen werden soll. Könnte allerdings ein Hinweis darauf sein, dass noch ein neuer Mittelstürmer kommt, möglicherweise ja tatsächlich Ragnar Ache aus Kaiserslautern, wobei da auch nicht klar ist, ob der in der letzten Spielzeit so erfolgreiche Stürmer überhaupt Erstliganiveau hat. Aber vielleicht gibt's ja auch da noch eine Überraschung.

In der Abgangsseite hat sich ebenfalls wenig getan, wenigstens soll die Leihe von Chris Bedia, dem großen Rätsel des letzten halben Jahres, zum englischen Zweitligisten Hull so gut wie durch sein. Aber immer ist noch nicht klar, ob Doekhi, Leite und Gosens bleiben oder nicht. Speziell bei Doekhi wäre ein Verbleib ohne Vertragsverlängerung eine kaufmännische Katastrophe, sportlich wäre sein Abgang zweifellos ein herber Verlust und auch nur schwer auszugleichen.

Insgesamt hinterlässt unsere Transferpolitik in diesem Sommer keinen allzu großartigen Eindruck und es ist fraglich, ob die kommenden Tage daran noch etwas grundlegend ändern werden. Nun ist der Unioner von Hause aus gezwungenermaßen ein Optimist, aber so direkt vorm Auswärtsauftakt in Mainz, kann man doch die eine oder andere Sorgenfalte nicht verbergen - weil man eben nicht so recht weiß, wo die Reise nun hingehen soll…

17. August: Glanzloser Arbeitssieg in Greifswald: zweite Runde im Pokal erreicht

Neuzugang Leopold Querfeld (20, M.) kam gleich zu seinem Startelfdebüt.
Neuzugang Leopold Querfeld (20, M.) kam gleich zu seinem Startelfdebüt.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Der mit Spannung erwartete Pflichtspielauftakt in Greifswald: zwei beziehungsweise drei Neuzugänge stehen dann doch in der Startelf: Querfeld, der den angeblich angeschlagenen Leite ersetzt, Benes im Mittelfeld und ganz vorne der unfreiwillige Rückkehrer aus Mönchengladbach, Jordan.

Die erste Hälfte gestaltet sich vor fünftausend Zuschauern inklusive tausendfünfhundert Unionern, trotz überwiegendem Ballbesitz, als eher zäh - kein echter Torschuss unsererseits, sämtliche Bemühungen bleiben erstmal erfolglos. Lediglich ein ordentlicher Versuch von Benes nach einer halben Stunde und eine Chance von Doekhi nach Eckball kurz vor der Pause, ansonsten verteidigt Greifswald alles aufopferungsvoll weg - und hat sogar die besseren Chancen aufzuweisen, denn eigentlich muss der Regionalligist schon nach zwei Minuten führen: nach einem verunglückten Ausflug von Rönnow muss der Greifswalder Manske von der Strafraumgrenze eigentlich nur das leere Tor treffen, aber sein Schuss misslingt derart, dass er weit vor der Linie verhungert und unser Keeper den Ball aufnehmen kann. Und nach fünfundzwanzig Minuten kann Eglseder nach einer Ecke gefährlich aufs Tor köpfen, aber Freddy fischt die Kugel souverän weg, kann sie sogar festhalten.

Auch wenn sich vor der Pause unser Druck erhöht, es fehlt an genauen Flanken und Zuspielen, wobei man sagen muss, dass es oft auch an Platz fehlt, wenig Räume da sind, Greifswald verteidigt unermüdlich die Null und kleinere Fehler des Underdogs werden nicht bestraft. Ein Pokalfight, wie man ihn kennt und wohl auch erwarten musste, zumindest bis hierher. Die zweite Hälfte bringt zunächst nicht viel Neues, Union bemüht sich, hat mittlerweile neun Ecken zu verzeichnen, aber weiterhin keinen Schuss aufs Tor. Nach einer guten Stunde bringt Svensson dann Trimmel für Haberer und Vertessen für Schäfer. Und zwei Minuten später zahlt sich das tatsächlich aus: der Belgier spielt Doppelpass mit Hollerbach und haut dann den Ball unhaltbar für Jakubov hoch neben den linken Pfosten ins Tor - da ist endlich die Führung für den Favoriten, so kann’s gehen!

Unverständlicherweise überlassen wir dann den Greifswaldern etwas das Spiel und nach sechsundsiebzig Minuten kann sich Soufian Benyamina, der Bruder des langjährigen Uniontorjägers Karim Benyamina und auch schon seinerzeit bei uns im Nachwuchs unterwegs, clever gegen Doekhi durchsetzen - nur die Latte hält seinen satten Schuss aus der Drehung auf. Nach zweiundachtzig Minuten haben in einer einzigen Aktion nacheinander Skarke, Hollerbach und schließlich Tousart die Entscheidung auf dem Fuss, aber die Greifswalder hauen sich in jeden Schuss, kurz danach gerät Hollerbachs Schuss nach gutem Tousart-Zuspiel zu zentral. Bis zum Schluss geht es dann zwar hin und her, Vertessen muss einen möglichen schnellen Konter des Gegners auf Kosten einer Verwarnung verhindern, wir können die entstehenden Räume nicht nutzen - schlussendlich aber steht der doch verdiente Arbeitssieg unserer Jungs, wir sind erwartungsgemäß in der zweiten Pokalrunde.

Der Greifswalder FC hat sich teuer verkauft, bis zum Schluss nicht nachgelassen und wir haben zweimal fraglos Glück, dass der Gegner einmal zu unfähig ist und beim zweiten Mal eben die Latte im Wege steht. Von einer gelungenen Generalprobe zu sprechen wäre etwas viel, ein Tor reicht gerade so, bei über dreißig Torschüssen und Torschussversuchen und immerhin vierzehn Ecken keine überragende Ausbeute. Am Ende steht ein ganz schön mühsamer Pokalerfolg, inwieweit der als Beispiel für ein funktionierendes Spielsystem oder der momentanen Leistungsfähigkeit herhalten kann, ist fraglich.

Begeisterungsstürme kann er jedenfalls nicht auslösen und zur Beruhigung trägt er wohl auch nicht so richtig bei. Das Beste ist unterm Strich ein schönes Tor von Vertessen und dass die Einwechslungen von Tousart, Trimmel, Skarke, Kemlein und eben Vertessen schon was gebracht haben. Pflichtaufgabe erfüllt, Glückwunsch zum ersten echten Sieg an Svensson und die Mannschaft, es ist ein kleines Jubiläum: zum zehnten Mal überstehen wir die erste Runde des Pokals. Dass es in vielerlei Hinsicht noch was zu tun gibt, hatten die Verantwortlichen und Fans ja auch schon vorher geahnt…

16. August: Es klemmt an vielen Ecken!

Union-Manager Horst Heldt (54) muss sich noch um einige Kaderbaustellen kümmern.
Union-Manager Horst Heldt (54) muss sich noch um einige Kaderbaustellen kümmern.  © Thilo Schmuelgen/Reuters-Pool/dpa

Icke: Mit reichlich Vorschusslorbeeren ist er bei Union gestartet, Horst Heldt - neuer Manager bei Union. Nach der letztjährigen Katastrophen-Saison startete Heldt mit mehreren Aufgaben:

Die Kaderverkleinerung auf 26 Spieler (inklusive drei Keeper), das verkündete Horst Heldt Anfang Juli so selbst. Aktuell hat Union 29 Spieler im Kader.

Verbesserung der Torgefährlichkeit. Die schwächste Offensive der Bundesliga (nur die Absteiger waren noch schlechter) muss qualitativ verbessert werden. Das geschieht in erster Linie und am besten mit einem treffsicheren Knipser. Der 13-Tore-Stürmer Prtajin wurde von Wehen Wiesbaden für eine Million verpflichtet. Wohlgemerkt 13 Zweitliga-Tore. Dazu kamen die verliehenen Stürmer Skarke und Jordan von ihren Leihen zurück. Im Kader hat man noch Transferflop Bedia (was sich Ruhnert dabei dachte?), den verletzten Volland, sowie die Außenstürmer Hollerbach und Vertessen. Talent Preu ist Stürmer Nummer acht. Eine Menge Quantität. Qualität in Form von Toren ist eher weniger dabei. Mit Burcu wurde noch ein Talent geholt und gleich weiter verliehen. Einzig Kaufmann konnte mit großem Verlust verkauft werden. Die Fans wollten Kleindienst und Tzolis, aber die hat Union nicht bekommen. Drei Minuten vor der Angst versucht man es bei Archer und Ache. Ich vermute, auch das wird nichts werden. Gerade im Sturm haben wir auf der ganzen Linie versagt. Ein Einspielen der Mannschaft ist so nicht möglich. Selbst Leihen oder Verkäufe von z.B. Bedia erscheinen unmöglich.

Klärung des Verbleibs des Tafelsilbers: Gosens, Leite und Doekhi haben angeblich mehr als ein Dutzend Angebote solcher Vereine wie Real Madrid, AC Mailand, FC Turin, PSV Eindhoven, Bayer Leverkusen und vieler anderer Klubs. Außer einer Menge heißer Luft passiert allerdings nichts. Wobei besonders die Personalie Doekhi wichtig ist und eilt. Er hat nur noch ein Jahr Vertrag bei Union. Ihn im nächsten Sommer ablösefrei gehen lassen zu müssen, wäre ein kaufmännischer Offenbarungseid.

Das überbordende zentrale Mittelfeld hat man angepackt. Für Kral, Laidouni und Thorsby konnten Abnehmer gefunden werden. Der neue Trainer spielt aber ein ganz klares System mit einer "6" und einer "8". Und da haben wir mit drei defensiven Mittelfeldspielern (Khedira, Tousart, Kemlein) und drei Offensiven (Benes, Schäfer, Haberer) immer noch mindestens einen Spieler zu viel. Warum wir gerade hinter Noah Sadiki her sind wie der Teufel, ist daher schwer zu verstehen. Er ist in erster Linie ein zentraler Mittelfeldspieler. Sollte er als Alternative für den verletzten Juranovic gedacht sein, so sei angemerkt, dass Haberer dort schon sehr ordentlich performte.

Auch positiv anzumerken ist, dass wir uns mit Rothe und Querfeld zwei talentierte Qualitätsspieler an Land ziehen konnten. Und beide auch noch für vernünftige Ablösen. Spieler wie Stöger, Kevin Schlotterbeck, Tzolis, Kleindienst, Grüll und jetzt wohl auch noch Bernardo haben wir aus den unterschiedlichsten Gründen nicht bekommen. Da müssen wir uns nach den Gründen fragen.

Eine weitere Aufgabe - einen eingespielten Kader zum Punktspielauftakt beisammen zu haben - haben wir auch verpasst. Das war eigentlich die Hauptlehre aus der vorigen Saison. Da geschah Vieles kurz vor knapp. Und so geschieht es wahrscheinlich wieder. Ja natürlich, wir hatten die Europameisterschaft und die Olympischen Spiele, die alles zusätzlich erschwerten. Allerdings haben uns andere Vereine gezeigt, wie es trotzdem besser geht. Daran müssen wir uns orientieren und nicht Gründe aufzählen, warum etwas nicht funktionieren konnte. P.S.: Was macht eigentlich ein neuer Hauptsponsor?

15. August: Greifswald, Greifswald, wir fahren nach Greifswald!

Der alte und neue Union-Kapitän Christopher Trimmel (37) gibt die Richtung vor: Gegen den Regionalligisten Greifswalder FC darf es keine Blamage im DFB-Pokal geben.
Der alte und neue Union-Kapitän Christopher Trimmel (37) gibt die Richtung vor: Gegen den Regionalligisten Greifswalder FC darf es keine Blamage im DFB-Pokal geben.  © Jan-Philipp Strobel/dpa

Unionfux: So, jetzt wird’s einigermaßen ernst, das erste Pflichtspiel steht an, am Samstag sind wir beim Greifswalder FC in der ersten Runde des DFB-Pokals. Der Regionalligist ist eine eher lösbare Aufgabe, die Zeiten, in der wir in der ersten Runde rausgeflogen sind, bei Rot-Weiss Essen, in Halle, bei Viktoria Köln, sind schon eine ganze Weile her, die letzten neun Erstrundenbegegnungen konnten wir allesamt für uns entscheiden. Ich sehe die Bedeutung vielmehr in der Generalprobe, eine Woche darauf sind wir ja zum Bundesligaauftakt in Mainz. Man darf also gespannt sein, wie unsere Startelf aussieht, ob es überhaupt ein Neuzugang unter die ersten elf Spieler geschafft hat und ob die potentiellen Verkaufskandidaten im Kader stehen oder gar spielen …

Verschiedene Gerüchte um mögliche Neuzugänge stehen im Raum, so sollen wir für Stürmer Ragnar Ache vom Zweitligisten Kaiserslautern ein Angebot abgegeben haben (wurde aber angeblich sofort abgelehnt, obwohl marktgerecht bei dreienhalb Millionen), genauso wie für den defensiven Mittelfeldspieler Noah Sadiki von Union St. Gilloise, der als großes Talent in Belgien gilt. Außerdem sollen wir uns für den Mittelstürmer Cameron Archer von Aston Villa interessieren, zumindest per Leihe. Die Personalie Bernardo vom VfL Bochum dürfte sich nach einer größeren Verletzung des brasilianischen Verteidigers im Grunde erledigt haben. In den scheinbar unendlichen Gosens-Poker soll jetzt auch der Premier League-Verein Crystal Palace eingestiegen sein, wo Oliver Glasner Trainer ist - aber wenn Frau Gosens sich schon im großen Berlin nicht so recht wohlfühlt, wie soll es dann erst im noch größeren London werden?

Noch gibt es diesbezüglich zwei Wochen Spannung, inzwischen wird natürlich ein Verbleib von Gosens, Leite und Doekhi auch immer wahrscheinlicher. Was die Frage des neuen Trikotsponsors angeht, so sollen wir ein Angebot des bekannten Online-Portals "Kleinanzeigen" über immerhin fünf Millionen Euro abgelehnt haben, möglicherweise wegen der geringen Laufzeit von nur einem Jahr plus Option für ein weiteres. Also gehen wir auf jeden Fall in das erste Pflichtspiel der neuen Saison tatsächlich ohne Brustsponsor, sondern mit dem bekannten Berlinmotiv, auch ein Novum - wenn man mal von der ISP-Posse absieht, durch die wir in der Saison 2009/10, gerade aufgestiegen in die Zweite Liga, kurze Zeit ebenfalls eine freie Brust aufwiesen, bis "kfzteile24" einsprang, allerdings zu wesentlich ungünstigeren Konditionen. Der bis dato fehlende Sponsor sollte uns aber nicht daran hindern, die Angelegenheit in Greifswald, hoffentlich einigermaßen souverän, zu bewältigen.

11. August: Immer noch mehr Fragen als Antworten

Unions neuer Cheftrainer Bo Svensson (45, r.) gibt beim Trainingsauftakt der Saison 2024/2025 Anweisungen.
Unions neuer Cheftrainer Bo Svensson (45, r.) gibt beim Trainingsauftakt der Saison 2024/2025 Anweisungen.  © Soeren Stache/dpa

Unionfux: Irgendwie müssen wir ja froh sein, dass wir nächste Woche erst das Pokalspiel haben und es dann in zwei Wochen in Mainz richtig losgeht. Ohne den Greifswalder FC zu unterschätzen, der gerade zu Hause gegen Jena verloren hat: Das ist immer noch ein Regionalligist und damit eine überschaubare Aufgabe und kein wirklich ernsthafter Stresstest, jaja, ich weiß, der Pokal hat seine eigenen Gesetze, aber die Favoritenrolle müsste trotzdem klar sein.

Denn wir scheinen die zwei Wochen bis zum Start der Bundesliga auch dringend zu benötigen, da sind einfach zu viele offene Fragen: gehen Gosens, Doekhi und Leite noch, die mittlerweile seit Monaten als potenzielle Abgänge gelten und wo angeblich die Interessenten Schlange standen? Kommt eventuell Skarke dazu, der ja gegen San Sebastian der einzige Feldspieler war, der auf der Bank blieb, obwohl sich alle so begeistert über den Rückkehrer geäußert haben? Angeblich wollen wir zwei bis zweieinhalb Millionen für ihn haben, gar nicht mal so viel für jemanden im besten Fussballalter, der letzte Saison immerhin acht Tore für einen Absteiger machen konnte?

Zur Erinnerung: unser bester Schütze Gosens kam auf sechs. Und wer kommt noch? Der fromme Wunsch von Horst Heldt, nicht bis zum letzten Moment auf dem Transfermarkt zu agieren, wird wohl Wunsch bleiben müssen. Bis jetzt wurde auch noch kein einziger Neuzugang geliehen, Zufall oder klare Absicht? Kann die Mannschaft schon Svenssons System spielen oder ist sie dazu überhaupt in der Lage, d. h. haben wir die richtigen Spieler dafür? Die Testspiele sahen jetzt nicht so wahnsinnig gut aus, auch das Spiel gegen San Sebastian war bestenfalls als ordentlich einzustufen, wenngleich es natürlich viel besser als das Lyon-Desaster war, aber das ist ja auch keine Kunst.

Reicht die Qualität auf der Neun oder brauchen wir doch noch einen echten Goalgetter - oder vertrauen wir darauf, dass Jordan und Prtajin das schon irgendwie hinkriegen? Allzu viel haben wir von beiden noch nicht gesehen, was entscheidend die Nerven beruhigen könnte: Jordan ist zwar nicht mehr ganz so lethargisch, aber eben auch weit entfernt von explosiv und Prtajin muss erstmal zeigen, ob er erste Liga kann. Und Hoffnungsträger Benes, der so wichtige Spielmacher? Ist er im Moment ein echter Startelf-Kandidat?

Gegen die Spanier wurde er erst nach einer guten Stunde eingewechselt, hat das was zu sagen oder ist die Startelf gegen San Sebastian gar kein echter Fingerzeig? Dazu kommt noch ein ganz ansehnliches momentanes Lazarett - kurz gesagt: man weiß nicht so recht, woran man ist, traut sich noch nicht mal, Prognosen abzugeben. Es gibt jetzt keinen Grund zu übertriebenem Pessimismus, auch wenn uns allen die vergangene Saison mit all ihrem Grauen noch in den Knochen steckt. Doch die ganz große Aufbruchsstimmung ist auch schon verflogen, Wunderdinge sind bis jetzt ausgeblieben, was Kader und Spielweise angeht und ein bisschen Wunder wäre schon ganz gut, muss ja nicht gleich so viel wie letzten Sommer sein …

Dazu kommt obendrauf der weiterhin fehlende Hauptsponsor, aber angeblich gibt es ja auch da jede Menge Kandidaten, etwa wie bei Gosens, Leite und Doekhi? Beim 1. FC Union gibt es immer noch wesentlich mehr offene Fragen als wirkliche Antworten. Es bleibt und wird also spannend - hoffentlich auf die gute Art und Weise.

Titelfoto: Federico Gambarini/dpa

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