Union-Berlin-Blog: Niederlage in Wolfsburg - offensiv zu wenig

Berlin - Eisern: In einer Personal-Union aus drei waschechten Berliner Fußball-Fan-Originalen gibt es bei TAG24 den Union-Berlin-Blog.

Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.
Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.  © Archiv

Die Autoren:

Icke (Jürgen Heinemann) ist seit Mitte der Siebzigerjahre Unioner und als Betriebswirt seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig. Er ist verheiratet und hat ein erwachsenes Kind. Icke lebt heute in Grünheide und schreibt hier als Gründer des Blogs.

Unionfux (Tobias Saalfeld) ist seit über 40 Jahren Unioner, er arbeitet als Freischaffender für Bühne, Funk und Fernsehen, auch dort schreibt er.

Union-Pleite in Wolfsburg von Fan-Schlägerei mit Polizei überschattet
1. FC Union Berlin Union-Pleite in Wolfsburg von Fan-Schlägerei mit Polizei überschattet

Beecke (Christian Beeck), Ex-Bundesliga-Spieler (Hansa, Cottbus), Ex-Union-Manager, 21 Länderspiele für DDR-Junioren, stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union. Beecke hat 2 Kinder. In unserem Union-Blog fungiert Beecke als Berater.

23. November: Niederlage in Wolfsburg - offensiv zu wenig

Die Spieler bedanken sich trotz der sportlichen Enttäuschung bei der mitgereisten Fans.
Die Spieler bedanken sich trotz der sportlichen Enttäuschung bei der mitgereisten Fans.  © Swen Pförtner/dpa

Unionfux: Schon die Aufstellung deutet es bereits an (und es war zu befürchten), es geht heute mehr ums Verteidigen als ums Angreifen: Haberer und Jordan beginnen für Jeong und Hollerbach. Und so finden wir eine Stunde auch offensiv kaum statt, halten jedoch das 0:0, lassen insgesamt sehr wenig zu. Einmal aber doch: Nach siebzig Minuten ist die Mitte etwas zu offen und Baku hat nicht allzu viel Mühe, das Tor aus zehn Metern zu machen, nachdem wir vorher nicht richtig klären können, Rönnow ist ohne Abwehrmöglichkeit. Direkt danach hat Jordan, nach zwei Schüssen von Kemlein rund um die 60. Minute, die beste Chance für uns, aber der Wolfsburger Keeper kratzt den Ball aus dem Dreiangel.

Trotzdem lässt sich Svensson noch weitere gut zehn Minuten Zeit (ich weiß nicht so recht, worauf er da eigentlich wartet), bevor er Benes endlich bringt (ich will nun wirklich nicht immer auf Benes rumreiten, aber wer hat sonst noch eine offensive Idee und auch die Mittel, sie umzusetzen?) - und wir haben tatsächlich so etwas wie eine Schlussoffensive, endlich entsteht so etwas wie Druck auf den Gegner, leider ohne Ertrag. Trimmel bringt zwar Flanke um Flanke, findet aber keinen Mitspieler, wie auch die Standardsituationen allesamt von Wolfsburg geklärt werden können. Direkt vor dem Abpfiff muss Grabara noch einmal alles aufbieten, um Benes' Schuss von der Strafraumgrenze zu entschärfen. So bleibt es also bei der knappen Niederlage, schlussendlich reicht Wolfsburg tatsächlich eine wirklich gute Chance, um das Spiel für sich zu entscheiden, von einem guten Freistoß von Arnold in der Nachspielzeit mal abgesehen, den Rönnow aber parieren kann.

Unübersehbar, unser Angriffsproblem bleibt bestehen, in den letzten vier Pflichtspielen sind wir ohne Torerfolg und auch sonst offensiv weitgehend harmlos. Bei einem Auswärtsspiel bei den Bayern kann man das ja noch akzeptieren, aber wenn man offensiv so zaghaft bei einer Mannschaft antritt, die in der Liga bis jetzt ohne Heimerfolg war, dann ist das für mich schwer zu verstehen. Wir machen wieder mal nicht den Eindruck, ein Spiel gewinnen zu wollen, sondern hoffen auf unsere weitgehend tadellose Abwehr, nur - ein Gegentor kann trotzdem immer passieren und dann ist der Plan, einen Punkt durch ein torloses Unentschieden mitnehmen zu wollen, nun mal dahin. Ja, wir verteidigen gut, sind aber auch ziemlich leicht zu verteidigen, wirklich gefährlich werden wir kaum: Hinten sind wir Bundesligaspitze, vorne hingegen das ganze Gegenteil.

Schnappt sich Union dieses Zweitliga-Juwel?
1. FC Union Berlin Schnappt sich Union dieses Zweitliga-Juwel?

Dabei kann man kaum alles an den Stürmern festmachen, es ist ja nicht so, dass wir ständig Hundertprozentige versemmeln, es kommen einfach zu wenig verwertbare Bälle. Jordan beispielsweise hat heute gut geackert (auch, wenn er Baku vor dem Gegentreffer einfach ziehen lässt), doch er, Vertessen und Hollerbach müssen sich fast jede Gelegenheit selbst erarbeiten, in Abschlusspositionen kommen alle drei doch sehr selten, weil auch der spielerische Gedanke oft zu kurz kommt. Wolfsburg hat diesmal mitnichten den Papst in der Tasche, es genügt eine durchschnittliche Leistung, die drei Punkte einzufahren - und einen Grabara, der zweimal gut eingreift und es bleibt dabei: Die Autostadt ist bis dato kein gutes Pflaster für uns. Wir hätten schon etwas Glück haben müssen, um dort wenigstens einen Punkt mitzunehmen. Von einem Sieg sind wir jedenfalls ziemlich weit entfernt und eine Stunde lang fällt es schwer, unserem Spiel zuzusehen, weil es nämlich kaum stattfindet. Und gut zehn Minuten Schlussoffensive sind dann am Ende doch zu wenig.

Unsere berühmte Stabilität in der Verteidigung hat Svensson gottlob wieder zurückgebracht (in diesem Zusammenhang: Daumen drücken, dass sich Leite, der schon nach wenigen Minuten ausgewechselt werden musste, nicht allzu sehr verletzt hat), unser Angriff ist hingegen in einigen Spielen nicht so wirklich bundesligatauglich, weil er offenbar nur auf dem Prinzip Hoffnung beruht. Da muss der Trainer sich was einfallen lassen, so wie Horst Heldt in der Winterpause, denn das kann so auf Dauer nicht funktionieren - auch, wenn wir im Moment noch ganz gut dastehen, zumindest in der Tabelle. Aber so wenig Treffer nach elf Spieltagen - das hatten wir zuletzt in der Saison 1988/89 und das ist nun wirklich lange her …

22. November: Wolfsburg, Graz und der Bundestag

Kadertechnisch ist beim Spiel in Wolfsburg fast alle Möglichkeiten gegeben.
Kadertechnisch ist beim Spiel in Wolfsburg fast alle Möglichkeiten gegeben.  © Tom Weller/dpa

Unionfux: Länderspielpause vorbei - Jahresendspurt eingeleitet. Und gleich wartet auf uns eine Wundertüte: wir müssen zum VfL Wolfsburg. Die wirklich starken Wolfsburger gibt’s eigentlich schon seit ein paar Jahren nicht mehr, so ein wenig zehren sie von alten Zeiten, zudem sind sie in dieser Spielzeit noch ohne Heimsieg, andererseits haben wir dort noch nie gewonnen, ein magerer Punkt aus fünf Begegnungen ist nicht gerade furchteinflößend und wir sind ja nicht gerade die Auswärtsmonster.

Doch sollten wir als Tabellensechster zum Zwölften denn voller Angst fahren? Der bisherige Saisonverlauf sollte uns schon Selbstbewusstsein verschaffen und, natürlich, es wird auch dort auf unsere offensiven Möglichkeiten hinauslaufen, wir sollten nicht unbedingt auf ein torloses Unentschieden hoffen, sowas geht selten gut.

Kadertechnisch sind fast alle Möglichkeiten dazu gegeben, lediglich Tom Rothe ist nach seiner Verletzung noch nicht bei hundert Prozent und Ilic ist angeschlagen, aber das dürfte eher nicht ins Gewicht fallen. Auch Prtajin wird wohl kaum im Aufgebot stehen, an ihm sollen mittlerweile mehrere Zweitligisten und sogar St. Pauli interessiert sein, er dürfte uns also im Winter verlassen, wahrscheinlich leihweise.

Das Spiel in Wolfsburg werden wir voraussichtlich eher dem Gastgeber überlassen und dann auf die Umschaltmomente warten, aber ganz so passiv wie z. B. in Gladbach sollten wir dann doch nicht auftreten, drei Pflichtspiele ohne eigenes Tor sollten nun wirklich reichen. Mehr Kreativität könnte eine Lösung sein, hoffentlich ist da Trainer Bo Svensson nicht zu zaghaft und setzt auf ein überwiegend defensives Mittelfeld. Auf jeden Fall schwer, was zu prognostizieren, es ist, wie gesagt, eine ziemliche Wundertüte, aber ich tippe mal ganz unbescheiden auf drei Auswärtspunkte. Auf geht’s!!

Und sonst so? Oliver Ruhnert hat sich gerade auf einen neuen beruflichen Weg begeben: er wird der Berliner Spitzenkandidat des BSW und aller Wahrscheinlichkeit nach zukünftiges Mitglied des Bundestages und lässt deswegen ab Januar seinen Vertrag mit uns ruhen. Ich denke nicht, dass er, eine erfolgreiche Wahl vorausgesetzt, nochmal ins Fussballgeschäft einsteigt.

Damit endet eine Ära für uns, der Name Ruhnert war doch engstens mit den Erfolgen der letzten Jahre verknüpft, auch wenn man konstatieren muss, dass dem Macher in letzter Zeit ein wenig das goldene Händchen abhandengekommen ist, vielleicht auch verständlich und normal - niemand kann immer richtig liegen und unbestritten gab es unterm Strich doch wesentlich mehr Licht als Schatten. An anderer Stelle werden wir nochmal genauer auf die Zeit Ruhnerts in unserem Verein eingehen, bis dahin: ein großes eisernes Dankeschön für deine Arbeit, Oliver, und alles Gute! Sein, zumindest ursprünglich, designierter Nachfolger, Michael Parensen, ist seit gestern am vorläufigen Ziel der Wünsche, er ist Sportdirektor.

Zwar nicht beim 1. FC Union, sondern bei Sturm Graz, aber immerhin - die Österreicher spielen Champions League und sind auf dem besten Wege, die Meisterschaft des Vorjahres zu wiederholen. Nicht die schlechteste Adresse für einen Fast-Neuling also. Das geht sich aus, Micha, viel Glück in der Steiermark!

21. November: Mittelstürmer-Winter-Neuzugänge bei Union?

Ist Ragnar Ache (26) vom 1. FC Kaiserslautern ein möglicher Kandidat für Unions Sturm?
Ist Ragnar Ache (26) vom 1. FC Kaiserslautern ein möglicher Kandidat für Unions Sturm?  © Thomas Frey/dpa

Icke: Lancieren wir unsere eigenen Fake-News? Oder wer kommt auf diese genialen Ideen, wer uns zur Winterpause alles neu 'beglücken' soll? Eigentlich wissen alle fußballgebildeten Menschen Bescheid, wir benötigen einen treffsicheren Mittelstürmer.

Und wer wird uns (Stand heute) alles angedichtet? Jens Castrop (zentraler Mittelfeldspieler), Taha Altikardes (Innenverteidiger), Daniel Elfadli (defensiver Mittelfeldspieler), Leon Goretzka (zentraler Mittelfeldspieler), Reiss Nelson (Rechtsaußen), Terry Yegbe (Innenverteidiger).

In der Schule hieße es damit – Thema verfehlt. Nicht wenige meinen, Heldt habe etwas 'Vernünftiges' vorbereitet. Keine kleine oder mittelmäßige Lösung. Das war auch Thema beim Beecke/Kruse-Podcast beim RBB. Hoffen wir, dass sie recht behalten. Den siebenundzwanzigsten Mittelmaßmittelstürmer für ein bis zwei Millionen, der nicht mal auf der Ersatzbank sitzen darf, den brauchen wir nicht wirklich.

Nun, an Tel aus München glaubt in Wirklichkeit keiner. Auch wenn immer mal wieder einer darüber berichtet. Und realistisch betrachtet, wenn Kane einmal ausfällt, so brauchen die Bayern ihn selbst. Und das auf drei verschiedenen Hochzeiten. Eine Ausnahme muss man allerdings einräumen. Seit einigen Tagen wird getuschelt, dass der Leipziger Sesko in das Blickfeld der Bayern geriet. Das würde die Situation für Tel ändern. Auch der 70-Millionen-Mittelstürmer Gyökeres ist bei den Bayern im Gespräch.

Ein wenig Sorge bereitet mir das offizielle Gerücht um Lukeba (auch Leipzig). Der wird augenscheinlich von Real Madrid beäugt. Hoffentlich erinnern die sich nicht an uns und Leite.

Aber wieder zurück zu den Mittelstürmern. Ex-Super-Talent Pepi soll vom BVB umworben werden. Und Mikael Uhre ist bei Bochum und Bremen im Gespräch. Der 18-jährige griechische Mittelstürmer Tzimas aus Saloniki (aktuell an den 1.FC Nürnberg ausgeliehen) wäre einer für uns. Da aber sein Vertrag bis 2028 läuft, wäre er kein Schnäppchen mehr. Darmstadt holte vor der Saison den Schweden Lidberg für eine Million zu sich. Ein Volltreffer! Er soll das Interesse von Hoffenheim geweckt haben. Aber sicher nicht nur von ihnen! Viel mehr wirkliche Gerüchte um die Bundesliga und um Mittelstürmer-Zugänge gibt es aktuell nicht.

Oder haben sich Kaiserslautern und Union hinter den Kulissen längst bei Ache geeinigt? Mit Prtajin und/oder Ilic hätten wir den Betzenbergern auch gleich Lösungsmöglichkeiten für ihre 'Lücke' anzubieten. Ich halte das für absolut denkbar. Und Ache macht – trotz seiner Sommer-Verletzung – dort weiter, wo er letzte Saison aufhörte. Er schießt weiter Tore. Aktuell hat er in 10 Spielen schon wieder sieben Mal getroffen. Und dass trotz zweier Kurzeit-Einsätze, wo er eigentlich noch in der Aufbauphase war. Ich halte Ache für die wahrscheinlichste Lösung. Eisern!

20. November: Deutsche B-Elf mit 1:1 gegen Ungarn

Gegen Ungarn kam die deutsche Mannschaft über ein Unentschieden nicht hinaus.
Gegen Ungarn kam die deutsche Mannschaft über ein Unentschieden nicht hinaus.  © Christian Charisius/dpa

Icke: Mit einem nicht ganz neuen und wieder umstrittenen Elfmeter in Minute 97 (!) holte Ungarn noch einen Punkt gegen die deutsche B-Elf. Nagelsmann ließ nur Kimmich und Andrich auf dem Feld. Alle anderen Spieler waren neu. Das zeigt auch, wie wichtig Ex-Unioner Andrich für die defensive Stabilität der deutschen Mannschaft geworden ist.

Apropos Ex-Unioner … Gosens wurde eingewechselt. Nico Schlotterbeck stand in der Anfangsformation. Auf Seite der Ungarn spielte natürlich Schäfer von Beginn an und machte ein gutes Spiel. Langsam aber sicher kommen auch Hardliner bei Union nicht mehr drumherum – deutsche Spiele anzuschauen. Vier Spieler auf dem Feld mit direkten oder ehemaligen Union-Bezug ist schon eine Hausnummer.

Die Umstellungen sah man allerdings. Deutschland hatte zwar 71 Prozent Ballbesitz, aber ihren Strafraum schlossen die Ungarn für die Deutschen. Wir kamen sehr selten durch. Ungarn spielte fleißig und versuchte immer wieder den eigenen Angriff anzukurbeln. So hatte Schäfer in der ersten Halbzeit auch die große Chance den Deutschen ein Tor einzuschenken. Das war knapp. Die Quote der gewonnen Zweikämpfe lag bei 59 Prozent. Das zeigt aber auch, dass die fehlenden 41 Prozent die Ungarn gewannen.

Nach einer Stunde wollte Nagelsmann das Spiel dann doch gewinnen. Er brachte unser Zauber-Duo Musiala und Wirtz. Und prompt gelang uns das 1:0 durch Startelf-Debütant Felix Nmecha. Der übrigens – neben Andrich – ein gutes Spiel machte. Um es kurz zu sagen, das deutsche Angriffsspiel wurde präziser, das 2:0 gelang aber nicht mehr. Dafür bekamen die Ungarn – wie schon gesagt – in der 97. Minute einen ähnlichen Elfmeter, wie wir ihn gegen Spanien bei der EM – nicht erhielten. Es würde dem Fußball sehr gut zu Gesicht stehen, gäbe es bei diesem Thema einmal klare und vor allem einheitliche Regeln.

Auf der linken Außenbahn spielte diesmal Henrichs. Das ist die eher defensive deutsche Variante. Raum war verletzt und so wurde Gosens eingewechselt. Mittelstädt hatte gegen Bosnien gespielt. Schaue ich mir diese Situation an, so rückt eine Berufung von unserem Tom Rothe näher. Mit Gosens scheint er sich schon jetzt auf einer Qualitätsstufe zu befinden. Und ist dabei wesentlich jünger. Eine Nominierung von Rothe für die deutsche A-Nationalmannschaft im kommenden Frühjahr würde wohl keinen mehr überraschen. Das wäre dann der nächste Spieler mit direktem Union-Bezug in der Nationalmannschaft. Der letzte aktive Union-Spieler mit einem Einsatz war übrigens Kevin Behrens vor rund einem Jahr - im Oktober 2023 gegen Mexiko. Eisern!

17. November: Overath und Netzer sind wieder da – Gala-Fußball von Deutschland

Jamal Musiala (21) jubelt über seinen Treffer zum 1:0.
Jamal Musiala (21) jubelt über seinen Treffer zum 1:0.  © Tom Weller/dpa

Icke: Jahrzehnte galten gerade Overath und Netzer als Garanten für kreativen und schönen Fußball der Deutschen. Unser 3:1-Sieg 1972 in England (gegen England) ist nach Sport-Bild das größte (beste) deutsche Länderspiel aller Zeiten. Sicherlich auch der Bedeutung geschuldet. Und gerade bei diesem Spiel fehlte Overath verletzt. Kein Problem, Netzer dirigierte allein. Und Deutschland zeigte Zauber-Fußball.

Genau das zeigte sich am Samstagabend in Freiburg, dem Mekka der hohen deutschen Siege in ähnlicher Form. Man darf spätestens nach diesem Spiel Wirtz und Musiala als Nachfolger der beiden großen deutschen Spielmacher aus den Siebzigern ansehen. Was gerade diese beiden Kreativen zelebrierten, ließ einem mit der Zunge schnalzen. Das 7:0 gegen Bosnien-Herzegowina sprang dabei heraus. Und das Ergebnis hätte leicht auch zweistellig werden können.

Kommentator und selbst Welt-Fußballer Lothar Matthäus adelte die Qualifikation der Deutschen als Fußball-Gala. Gefragt nach dem Schlüssel zum Spiel, antwortete der Bundestrainer, für ihn sei das ziemlich perfekte Gegen-Pressing der deutschen Mannschaft entscheidend gewesen. Ich möchte das gern noch ergänzen und liege damit mit Matthäus auf einer Linie, auch das schnelle Umschalten auf Angriff, die schnellen Direkt-Kombinationen der Deutschen, als auch die absolut stabile Abwehrarbeit … waren Pfeiler des Spiels. Die Bosnier konnten einem teilweise leidtun, sie spielten gar nicht so schlecht, konnten aber gegen das perfekte deutsche Spiel nichts machen.

Musiala eröffnete die Gala in der 2. Minute mit einem höchst anspruchsvollen Kopfball. Den so wohl nur noch Karl-Heinz Riedle gemacht (gekonnt) hätte. Kleindienst und Havertz legten jeweils nach. So stand es schon zur Halbzeit 3:0. Wirtz erhöhte gleich nach dem Halbzeit-Start auf 4:0. Dann wechselte Nagelsmann gleich 4-mal wild durch. Auch Wirtz und Musiala gönnte er eine Pause. Und gab es einen Bruch im deutschen Spiel? Nein! Die eingewechselten Gnabry und Sane fügten sich glänzend ein. Henrichs, Sane und Kleindienst sorgten dann für klare Verhältnisse – auch im Ergebnis.

Wir haben uns damit (als Tabellenführer) für das Viertelfinale der Nations League qualifiziert. Auch in den kommenden Spielen müssen wir in dieser Form keinen Gegner fürchten. Eher schon umgekehrt. Alte deutsche Tugenden, wie eine stabile Abwehrarbeit und Fleiß auf dem Platz – sind zurückgekehrt. Dazugekommen ist ein schnelles Angriffsspiel, dass durch Einfälle und Kreativität glänzt. Und noch einen Gewinner gab es gestern Abend. Ex-Unioner Robert Andrich … er füllte seine "neue" Rolle gestern perfekt aus. Sind wir im aufbauenden Ballbesitz, so lässt er sich zurückfallen und dirigiert unser Spiel von hinten heraus. In der defensiven Grundhaltung agierte Groß als alleinige Sechs und Andrich schließt die Lücken zwischen Tah und Rüdiger, wenn sie an den Seiten aushelfen mussten. Ziemlich klug organisiert von Nagelsmann. So hat er bei "Bedarf" doch seine 3-er-Kette hinten. Fußball-Deutschland macht wieder Spaß. Bitte mehr davon! Eisern.

14. November: Was macht eigentlich Urs Fischer?

Urs Fischer (58) stand bei Union Berlin über fünf Jahre an der Seitenlinie.
Urs Fischer (58) stand bei Union Berlin über fünf Jahre an der Seitenlinie.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Heute vor einem Jahr passiert das eigentlich Undenkbare: Urs Fischer einigt sich mit Dirk Zingler darauf, nach fast fünfeinhalb Jahren seinen Posten zu Verfügung zu stellen - der erfolgreichste Trainer, den wir je hatten, ist Geschichte. Umso erstaunlicher, da er als amtierender „Trainer des Jahres“ demissioniert, der nur wenige Monate vorher die Champions League klargemacht hat, nach einem sensationellen vierten Platz, in einer Saison, in der wir immerhin siebenmal Tabellenführer der Bundesliga sind und, als einzige Mannschaft der großen fünf Ligen, zu Hause ungeschlagen bleiben - wir sind scheinbar angekommen an der Spitze, nachdem es schon in den Jahren zuvor kontinuierlich nach oben geht. Zusätzlich wird in der Sommerpause groß eingekauft und wir verlieren zudem keinen Stammspieler, in der laufenden Saison sind wir nach zwei Spieltagen an der Spitze der Tabelle, alles läuft scheinbar wie geschmiert, nur der Himmel scheint das Limit.

Doch dann beginnen unglaubliche drei Monate des Grauens, folgt Niederlage auf Niederlage, bis schließlich der Schweizer, ausgelaugt und ratlos, nach dem elften Spieltag und als nunmehr Schlusslicht des Tableaus, aufgibt. Auch in der Rückschau ist das alles nicht so recht zu begreifen, sicher findet man Gründe, aber das alles ist doch keine Antwort darauf, wie man dermaßen den Faden verlieren kann und ihn kaum noch wiederfindet. Doch das wirkliche Warum wird wohl nie erschöpfend herausgefunden werden. Immerhin: der Abstieg wird, wenn auch denkbar knapp, vermieden. Aber erst unter dem dritten Trainer nach Fischer, Bo Svensson, haben wir uns wieder gefangen, sind zu Hause ungeschlagen und müssten, mit etwas Glück, sogar drei bis fünf Punkte mehr haben. Gleichwohl bleibt Urs Fischer eine Ikone bei unserem Verein, sowohl der Trainer als auch der Mensch.

Allerdings ist er zwölf Monate nach seinem mehr als unglücklichen Abschied immer noch ohne neuen Vertrag. Dabei wird und soll es Angebote gegeben haben. Viele sahen ihn bereits als Nati-Trainer, aber der amtierende Trainer Murat Yakin flog dann doch nicht raus und steht gegenwärtig nicht wirklich zur Diskussion. Den ganz großen Vereinen wird seine defensive Herangehensweise schwer mit den großen Zielen vereinbar sein, der VfL Bochum oder Schalke 04 sind wiederum dem Zürcher nicht attraktiv genug.

Beides kann man nachvollziehen. Der so schlecht in die diesjährige Spielzeit gestartete Schweizer Serienmeister der letzten Jahre Young Boys Bern hatte Fischer auf dem Zettel und angefragt, in vielerlei Hinsicht eine gute Idee, aber Urs Fischer will unbedingt zurück in die Bundesliga und sagt deswegen ab. Wäre Gerardo Seoane, pikanterweise ein Schweizer, bei Borussia Mönchengladbach rausgeflogen, dann könnte Fischer schon längst wieder zurück sein, aber ausgerechnet wir machen einen Strich durch diese Rechnung und gestatten der Borussia in letzter Minute das Siegtor gegen uns und retten so Seoanes Job - mittlerweile hat sich Gladbach auch wieder stabilisiert.

Hoffenheim ist aktuell ohne Trainer und durchaus eine interessante Option, nicht zuletzt, weil der Heimweg doch wesentlich kürzer als aus Berlin ist, aber da macht sich der neue Sportdirektor Schicker stark für den momentan sehr erfolgreichen Trainer seines Ex-Vereins Sturm Graz, Christian Ilzer. Kurzer Einschub zum Thema "Neuer Sportdirektor": zwei Ex-Unioner sind gerade dazu berufen worden, Stephan Fürstner bei Greuther Fürth und Christian Gentner beim VfB Stuttgart.

Es heißt also weiter warten für Urs Fischer, auf die wenigen Gelegenheiten, die sich in der Bundesliga ergeben. Ein neues Engagement in der Liga wäre für uns ein zweischneidiges Schwert: obwohl ihm wohl alle Erfolg wünschen, würde man ihn doch eher ungern auf der Bank des Gegners sitzen sehen, andererseits würde er unser Budget entlasten, denn noch steht er bei uns auf der Payroll.

Gleichwohl bleibt Urs Fischer eine Ikone unseres Vereins, unbestritten und vollkommen zu Recht, sowohl der Trainer als auch der Mensch und er steht für die erfolgreichste Zeit, zumindest bis hierher, des 1. FC Union Berlin. Und sicher ist dieses Jubiläum eigentlich keins, dass es zu feiern gilt, ganz und gar nicht, trotzdem gehen von hier jetzt herzliche Grüße und die besten Wünsche nach Zürich, denn schlussendlich: we miss you, Urs.

11. November: Dickes Programm bis Weihnachten

Die Kicker von Union-Berlin haben sich mit einem torlosen Unentschieden von ihren Fans in die Länderspielpause verabschiedet.
Die Kicker von Union-Berlin haben sich mit einem torlosen Unentschieden von ihren Fans in die Länderspielpause verabschiedet.  © Andreas Gora/dpa

Icke: Aktuell haben wir wieder eine Nationalmannschaftspause. Aber dann geht's bis Weihnachten noch einmal in die "Vollen". Am 23. November treten wir in Wolfsburg an. Danach haben wir am 30. November ein Heimspiel gegen Leverkusen. Um dann am 6. Dezember in Stuttgart vorstellig zu werden. Am 14. Dezember empfangen wir Bochum und das letzte Pflichtspiel ist am 21. Dezember in Bremen. Mit Bochum und Leverkusen haben wir also noch zwei Heimspiele, dafür aber mit Wolfsburg, Stuttgart und Bremen drei Auswärtsspiele. Wenn es gut läuft rechne ich mit zwei bis drei Auswärtspunkten und drei Heimpunkten. Wir hätten dann zu Weihnachten 21 bis 22 Punkte. Und das wäre auch völlig akzeptabel für einen neuen Trainer und ein neues (Defensiv-) System.

Die Frage ist aber wohl, spielen wir in der 2. Halbserie das gleiche System? Also mit drei Innenverteidigern plus zwei echten defensiven Mittelfeldspielern. Am letzten Freitagabend neutralisierten sich Union und Freiburg gegenseitig. Eben weil beide Mannschaften starke Abwehrverbunde haben. Und trotzdem gab es einen Unterschied. Freiburg setzte (mit Osterhage und Eggestein) im Zentrum seines Mittelfeldes zwei Spieler ein, die eher im zentralen Mittelfeld, als im defensiven Mittelfeld zu Hause sind. Also vom Papier her mehr für den Spielaufbau leisten können. Dazu setzte Freiburg nur zwei Innenverteidiger ein und komplettierte die Viererkette mit zwei Außenverteidigern. Die hatten wir mit Trimmel und Skov noch zusätzlich zu den drei Manndeckern. Alle sieben defensiven Spieler bei Union erfüllten nach hinten auch ihre Aufgaben. Sogar sehr gut.

Allerdings geht das auf Kosten unserer Offensive. Da kam sehr wenig. Überraschendes … sogar sehr wenig. Hollerbach, und das sahen wir sehr häufig, dribbelt sich immer wieder fest. Auch weil auf ihm eine große Verantwortung für die Abteilung Attacke liegt. Und "Kopf oben" ist auch nicht seine große Stärke. Aber er versucht es wenigstens immer wieder. Gegen Freiburg sahen wir dann auch deutlich, dass man Vertessen - und noch augenscheinlicher Jeong - sehr leicht aus dem Spiel nehmen kann. Jeong spielte ziemlich viele ungefährliche Alibi- und Quer-Pässe. Und Vertessen fehlen einfach die Anspiel-Stationen. Wir kamen ja kaum einmal in den Freiburger Strafraum. Ein Benes auf der "8" neben Khedira oder Kemlein als alleinige "6" könnte unserem Spiel deutlich guttun. Von seinen 231 Pflichtspielen im Männerbereich lief Benes 113 Mal als "8er" auf. Dabei gelangen ihm 25 Tore und 32 Tor-Vorbereitungen. Ein sehr starker Wert (für diese Position)! Wir müssen uns wohl an diese "Waffe" erinnern, die wir sogar im Kader haben. Und dass der Einsatz eines zentralen Mittelfeldspielers nicht zu Lasten der defensiven Qualität geht (bzw. gehen muss), zeigte uns Freiburg eindrucksvoll.

Auch an diesem Freitagabend standen unsere neuen Stürmer Prtajin und Ilic wieder nicht einmal im Kader. Hier muss im Winter eine Lösung her. Genauso wie für den Chancenlosen Preu. Die nächste Frage ist, bekommt Roussillon noch einmal eine Chance? Oder haben Rothe und Skov da jetzt langfristig die Nase vorn? Ähnliches gilt für unser zentrales Mittelfeld. Ein bis zwei Spieler sind da immer noch zu viel im großen Kader. Ich denke, Bo hat das längst erkannt. Möchte aber bis Weihnachten aus Stabilitätsgründen so wie bisher weitermachen. Dann kann er die zweite Stufe zünden, eine echte "8" für die zweite "6" einbauen. Horst Heldt könnte ihn mit einem wirklich guten Stürmer im Winter zusätzlich helfen. Nun aber gönnen wir uns die Länderspielpause. Eisern.

9. November: Mäßige Offensive plus Rönnow = 0:0 gegen Freiburg

Unions Keeper Frederik Rönnow (32) pariert den Strafstoß von Freiburgs Vincenzo Grifo (31).
Unions Keeper Frederik Rönnow (32) pariert den Strafstoß von Freiburgs Vincenzo Grifo (31).  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Machen wir uns nichts vor: So ein 0:0 macht selten Spaß, zumal zu Hause, vielleicht gegen einen übermächtigen Gegner, aber nicht gegen Teams auf Augenhöhe und das ist der SC Freiburg schon.

Doch schon in Hälfte eins gibt es nicht viel auf unserer offensiven Habenseite: ein Schuss von Jeong kurz nach Beginn und eine Chance durch Leite nach Ecke von Skov kurz vor der Pause. Der Rest kommt wegen Ungenauigkeiten und falschen Entscheidungen über Ansätze nicht hinaus.

Das sieht bei Freiburg schon anders aus, denn nach einem Trikotzupfer von Khedira an Dinkci gibt es Elfmeter, den der Freiburger zwar ein wenig schindet, aber gleichwohl kann man den geben.

Glücklicherweise packt Grifo die Arroganz, mit einem Schritt Anlauf will er Rönnow foppen, aber der ist blitzschnell links unten und pariert seinen zweiten Elfmeter in der noch jungen Spielzeit und auch der gar nicht so schlechte Nachschuss von Günter geht gottlob am Tor vorbei. Und eine Viertelstunde später setzt Adamu einen Pass von rechts nur haarscharf neben den Kasten - so gesehen sind wir mit dem torlosen Unentschieden zur Pause ganz zufrieden.

Die zweite Hälfte läuft besser, wir sind aktiver und Freiburg taucht seltener vor unserem Tor auf, nichtsdestotrotz bleiben die wirklich guten Gelegenheiten aus, nur einmal muss Atubolu alles zeigen: bei einem schönen Gewaltschuss aus zwanzig Metern von Trimmel aufs lange Eck. Es ist das alte Lied: offensiv kommt einfach zu wenig von uns, insofern habe ich kaum verstanden, dass Svensson eher spät und dann defensiv wechselt und dass natürlich Jordan eine weitere Chance erhält (und sie nicht nutzen kann), während ein ausgewiesen guter und kreativer Fussballer wie Laszlo Benes hingegen auf der Bank bleibt, obwohl ein Ideengeber und weiterer Standardschütze eigentlich vonnöten gewesen wäre (und es ist natürlich auch ein dementsprechendes Signal an die Mannschaft).

Sicher, Benes konnte in Bielefeld seine Startelfchance nicht nutzen, aber das konnte dort eigentlich gar keiner, deswegen ist das kein Argument. Vielmehr erhärtet sich der Verdacht, dass der Trainer mit diesem Spielertypen nichts anfangen kann bzw. will. Die Ausrede "passt nicht ins System" ist mir allerdings zu billig. Gut, Benes kann nicht die einzige Antwort sein, aber all zu viele Alternativen zu ihm haben wir nun mal nicht, das ist auch gegen die Breisgauer unübersehbar. Unterm Strich bleibt unser Spiel an diesem Abend zu zaghaft und zu unpräzise, da hätte schon das offensive Glück und/oder der Zufall weiterhelfen müssen, denn von uns aus wird es eigentlich zu selten zwingend. Auch die langen Bälle nach vorn sind kein Mittel, wenn sie so gut wie nie ankommen.

Eine wirkliche Idee sehe ich bis hierher bei der Behebung des zweitschlechtesten Angriffs der Bundesliga nicht, außer: weiter wie gehabt, wird schon irgendwie. Sicher, wir stehen noch gut da, kein Grund zur Panik - nur wenn man in den letzten vier Spielen lediglich einmal trifft, dann ist das keine gute Tendenz. Aber vielleicht wollte der Trainer ja wenigstens das Unentschieden retten? Nun, das gelingt.

Es gibt zwar noch einige Schüsse unsererseits aufs Freiburger Tor, die auch ganz gut aussehen (Vertessen, Kemlein, Haberer), die ein ordentlicher Bundesligakeeper aber durchaus parieren kann. Die weitaus dickere Möglichkeit ergibt sich hingegen noch für die Gäste, knapp zehn Minuten vor Schluss kommt der eingewechselte Höler aus wenigen Metern zentral vorm Tor an den Ball, aber auch er findet in Rönnow seinen Meister - das muss eigentlich ein sicheres Tor sein. Kurze Zeit später unterläuft unserem Dänen sein einziger Fehler, er verschätzt sich (kommt eigentlich so gut wie nie vor!) und Lienhart könnte ins leer Tor köpfen, setzt die Kugel aber drüber. Fast hätte sich also bewahrheitet: wenn du nicht gewinnen willst, verlierst du am Ende.

Möglicherweise hilft die (ungeliebte) abermalige Länderspielpause, um dem offensiven Problem auf die Spur zu kommen. Ein weitgehend defensiv denkendes Mittelfeld ist jedenfalls nicht die Lösung, es sei denn, du musst Beton anrühren. Doch um Spiele zu gewinnen, muss offensiv einfach mehr passieren, sonst ist viel mehr als ein Unentschieden selten drin, ein 0:0, wie eben gestern gegen den SC Freiburg.

6. November: Frederik Rönnow hört auf - zum Glück nur bei der Nationalelf…

Frederik Rönnow (32) hat seine Nationalmannschaftskarriere beendet.
Frederik Rönnow (32) hat seine Nationalmannschaftskarriere beendet.  © Hendrik Schmidt/dpa

Unionfux: Ein Nationalspieler weniger: Frederik Rönnow hat seine Nationalmannschaftskarriere beendet, nach über achteinhalb Jahren, in denen er zehnmal im Tor der Dänen stand, aber immerhin satte siebenundsiebzig Mal auf der Ersatzbank Platz nehmen musste, an Kasper Schmeichel, dem Sohn des ebenfalls berühmten Peter Schmeichel, war und ist einfach kein Vorbeikommen, obwohl Schmeichel mittlerweile auch schon achtunddreißig ist.

Verständlich, dass man da müde werden kann, bei aller Liebe für die Nationalelf. Bernd Leno hat ja letztens auch keine Lust gehabt, ein weiteres Mal als dritter Keeper bei der deutschen Nationalmannschaft dabei zu sein, irgendwann ist logischerweise gut und gerade mit fortgeschrittenem Alter denkt man daran, sich die Kräfte gewinnbringender einzuteilen - und dazu hat sich also unser Däne jetzt, wenn auch etwas überraschend, entschieden.

Freddy ereilt somit das Schicksal so vieler guter Torhüter, die hinter einer dauerhaft gesetzten Nummer eins versauern, obwohl sie bestimmt gleichstark sind, die Liste ist lang. Oder sie kriegen nicht einmal eine echte Chance: ein Wolfgang Matthies beispielsweise ist selbst in seinen besten Zeiten nie auch nur in die Nähe der Nationalelf gekommen (abgesehen von vier Einsätzen in der relativ bedeutungslosen B-Nationalmannschaft), obwohl er es verdient gehabt hätte - wie zur gleichen Zeit so einige andere auch.

Es ist aber auch äußerst unüblich, auf der Position des Keepers viel zu wechseln, egal ob Nationalelf oder Verein, in den meisten Fällen gibt es eine klare Hierarchie und wo nicht, ist das noch selten gut ausgegangen - auch bei uns gab ja es diese Zeiten, wo munter gewechselt wurde: ob zwischen Beuckert und Wulnikowski oder auch zwischen Glinker und Höttecke oder auch Mesenhöler und Haas, wo mal der eine, mal der andere spielte - wirklich funktioniert hat das eigentlich nie. Gerecht ist das nicht immer, aber jeder, der zwischen den Pfosten steht, weiß ja, worauf er sich da einlässt, Enttäuschungen inklusive.

Natürlich ist Rönnows Nationalelfdemission letztlich gut für uns, denn so kann sich unsere unumstrittene Nummer eins ganz auf den Verein konzentrieren. Denn auch in Sachen Verein hat es ja insgesamt lange genug gedauert, bis er nach seinem Wechsel in die Bundesliga 2018 Stammtorhüter wurde, schon in Frankfurt kehrte kurz nach seiner Verpflichtung Legende Kevin Trapp etwas überraschend von Paris St. Germain zurück und war dann natürlich wieder gesetzt und auf Schalke war es auch alles andere als einfach und endete obendrein mit dem Abstieg.

Ja, und selbst bei uns musste er fast eine ganze Spielzeit hinter Andreas Luthe zurückstehen - eigentlich ein Skandal, denn Rönnow ist in beinahe jeder Hinsicht der viel bessere Keeper (sorry, Andy), das muss ihn schon ganz schön gewurmt haben, aber Freddy ist alles andere als ein Stinkstiefel und ein Profi par excellence dazu.

Aber das zeigt: Geduld hat er nun wirklich lange genug bewiesen und beweisen müssen. Und bei uns ist er nun endlich am Ziel, hat zwar etwas gedauert, aber manches Glück kommt besser spät als nie. Wenn’s nach mir geht, so macht Rönnow eben bei uns den Schmeichel und ist in sechs Jahren noch unsere Nummer eins - auch wenn’s einem ein bisschen leid tut für Alex Schwolow…

5. November: Gewinnen wir ohne Sturm gegen Freiburg?

Union-Stürmer Jordan Siebatcheu (28) - hier im Duell mit dem Mainzer Torhüter Robin Zentner (30) - gelang in der laufenden Saison noch kein Treffer.
Union-Stürmer Jordan Siebatcheu (28) - hier im Duell mit dem Mainzer Torhüter Robin Zentner (30) - gelang in der laufenden Saison noch kein Treffer.  © Torsten Silz/dpa

Icke: Freitagabend (8.November) - 20.30 Uhr – Flutlichtspiel in Berlin-Köpenick. Natürlich ausverkauft und genau die Atmosphäre, die der 1.FC Union braucht, um ein gutes Spiel zu machen und Punkte zu holen.

Der Gegner ist der SC Freiburg. Ein Platz in der Tabelle (6.) vor uns und ein Punkt mehr auf dem Konto. Verlieren wir, so reißen wir ein Loch und sind erst mal vier Punkte zurück, gewinnen wir aber, so schieben wir uns mindestens auf Platz 6 vor. Und haben ein Zwei-Punkte-Polster.

Freiburg, Leverkusen und Dortmund sind übrigens vor uns alle mit gleicher Punktzahl platziert. Und Sie müssen ihre Spiele auch erst einmal gewinnen. Leverkusen tritt in Bochum an. Das hört sich einfach an.

Aber Vorsicht – zum einen haben die Pillendreher aktuell keine überragende Form, zum anderen hat Bochum mit Hecking gerade einen alten Fuchs als Trainer verpflichtet. Bochum ist daher taktisch und emotional eine Wundertüte. Und der BVB muss auch Auswärts in Mainz antreten. Da kann viel passieren. Und selbst der Tabellendritte Frankfurt fährt mit seinen 17 Punkten nach Stuttgart. Da kann man leicht verlieren.

Was will ich damit sagen? Gewinnen Dortmund und Leverkusen (Remis reicht uns) nicht und verliert die Eintracht in Stuttgart – so sind wir automatisch Tabellendritter und wissen gar nicht warum. Vorausgesetzt natürlich, wir gewinnen unser Heimspiel gegen die Breisgauer.

Da waren jetzt viele "Wenns" im Text. Und genau das ist aktuell das Schöne. Selbst wenn wir nicht gewinnen, passiert … gar nichts. Wir würden in der Tabellenmitte bleiben. Der Anreiz aber auf drei Punkte ist enorm und verführerisch. Bisher haben wir mit Svensson noch kein Spiel zu Hause verloren. Vieles spricht auch dafür, dass das so bleibt. Unsere Defensive steht in dieser Saison. Die Einstellung sollte am Freitagabend auch wieder stimmig sein. Kein Regen, Plus-Grade und Flutlicht runden die äußeren guten Bedingungen ab.

Wenn da nur nicht unser harmloser Sturm wäre. Neun Tore in neun Spielen sind einfach zu wenig. Die besten Schützen sind Hollerbach und Verteidiger Rothe mit je zwei Toren. Bei den Assists ist es noch verrückter. Sieben Spieler haben sich je eine Torvorbereitung gutzuschreiben. Das zeigt noch einmal das Problem deutlich. Wir haben weder einen zielsicheren Stürmer, noch einen verlässlichen Vorbereiter.

Was Svensson an Jordan findet, der in dieser Saison in der Bundesliga noch kein Tor schaffte und von dem man (fast) nie einen Sprint oder einen gefährlichen Kopfball sieht, bleibt sein Geheimnis. Daten wie gewonnene Zweikämpfe (44 Prozent), gewonnene Kopfbälle (46 Prozent), erfolgreiche Dribblings (43 Prozent) oder die Top-Geschwindigkeit (30,6 Kilometer pro Stunde) sind eher in der zweiten Hälfte aller Bundesligaspieler zu finden.

Und warum wir im Sommer/Spätsommer gleich zwei neue Mittelstürmer verpflichten, die dann beide konstant nicht einmal zum Gesamt-Kader gehören, das darf man schon einmal hinterfragen. Bei der Art nordkoreanischer Kommunikationspolitik bei Union, bekommt man aber auch auf diese Frage keine ausreichende (glaubhafte) Antwort. Da darf man nur hoffen, dass Neu-Manager Horst Heldt seine zweite gute Tat (nach der Doekhi-Verlängerung) bei Union schafft und wir im Winter nach langer langer Zeit einen Mittelstürmer präsentieren, der auch das Tor trifft.

Da könnte es sich gut treffen, dass Becker in Spanien seinen Stammplatz verloren hat und wohl unzufrieden ist. Zumal das kleine Real aus Sociedad gerade darüber nachdenkt, in der Winterpause einen neuen Stürmer zu verpflichten. Becker verdient in Spanien auch "nur" 1,25 Millionen im Jahr. Eine Größenordnung, die wir auch können. Becker ist kein Mittelstürmer, war aber bei uns der wichtigste Spieler in der Offensive. Ihn konntest Du schicken und er hat selbst die ungenauen Bälle gesichert.

Das fehlt uns sehr. Genauso wie ein treffsicherer und kopfballstarker Mittelstürmer. Gern erwähne ich noch einmal, dass Tobias Lauritsen in Holland nur noch eine Vertragslänge von sieben Monaten hat. Er ist kein Wunderstürmer, aber einer der über Jahre regelmäßig trifft. Becker und Lauritsen könnten sich (auf dem Platz) dann auf holländisch verständigen. Wir hatten definitiv schon schlechtere Ideen!

So … nun aber geht's gegen Freiburg. Ein - wie immer - unangenehmer Gegner, der aber (im Gegensatz zu den Bayern) zu schlagen ist. So ein bisschen hat das Team auch wieder etwas gut zu machen. Damit ist eher weniger die (eingeplante) Niederlage in München gemeint, sondern das Pflichtspiel zuvor. In Bielefeld aus dem Pokal rausfliegen – kann passieren. Aber bitte nicht so. Eisern gegen Freiburg!

Titelfoto: Swen Pförtner/dpa

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