Union-Berlin-Blog: Deutschland verdient im Final Four!

Berlin - Eisern: In einer Personal-Union aus drei waschechten Berliner Fußball-Fan-Originalen gibt es bei TAG24 den Union-Berlin-Blog.

Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.
Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.  © Archiv

Die Autoren:

Icke (Jürgen Heinemann) ist seit Mitte der Siebzigerjahre Unioner und als Betriebswirt seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig. Er ist verheiratet und hat ein erwachsenes Kind. Icke lebt heute in Grünheide und schreibt hier als Gründer des Blogs.

Unionfux (Tobias Saalfeld) ist seit über 40 Jahren Unioner, er arbeitet als Freischaffender für Bühne, Funk und Fernsehen, auch dort schreibt er.

Eiserner Umbruch: Diese Union-Stars haben keine Zukunft
1. FC Union Berlin Eiserner Umbruch: Diese Union-Stars haben keine Zukunft

Beecke (Christian Beeck), Ex-Bundesliga-Spieler (Hansa, Cottbus), Ex-Union-Manager, 21 Länderspiele für DDR-Junioren, stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union. Beecke hat 2 Kinder. In unserem Union-Blog fungiert Beecke als Berater.

24. März: Deutschland verdient im Final Four!

Tim Kleindienst (29, l.) und Joshua Kimmich (30) haben am Sonntagabend erneut eine sehr gute Leistung gegen Italien gebracht.
Tim Kleindienst (29, l.) und Joshua Kimmich (30) haben am Sonntagabend erneut eine sehr gute Leistung gegen Italien gebracht.  © Bernd Thissen/dpa

Icke: Was die Deutschen in der 1. Halbzeit für ein Feuerwerk abbrannten, war unglaublich und überforderte die Italiener sichtlich. Wir spielten schnell, genau und kreativ. Hinten sicher und nach vorn ging die Post ab. Das hatte man in dieser Form lange nicht von der deutschen Mannschaft gesehen. Herausragend das Tor Nr. 2 … die Italiener sind mit ihrer Lieblingsbeschäftigung auf dem Platz beschäftigt … diskutieren. Deutschland hat eine Ecke, der Balljunge reagiert blitzschnell, Kimmich sieht Musiala frei vor dem Tor und es klingelt wieder. Auf diesem Top-Niveau ist das eine unglaubliche Blamage. 3:0 mit Zauber-Fußball zur Halbzeit gegen Italien. Da kann doch nichts mehr schiefgehen …

Doch kann es. Plötzlich zeigten die Italiener Charakter. Kamen zurück und kämpften. Sie wollten sich nicht abschlachten lassen - was viele durchaus erwarteten. Es kam anders. Die Deutschen griffen nicht mehr so konsequent an. Ungenauigkeiten machten sich breit. Sie schafften sogar das Unentschieden zum 3:3. Kean mit seinem Doppelpack hatte dabei einen Löwenanteil. Auch wenn die deutsche Abwehr ihm dabei sehr behilflich war. Nach dem deutschen Hinspielsieg in Italien bedeutet das aber das sichere Weiterkommen in das Final Four.

So ein bisschen vercoachte sich dann Nagelsmann aber auch. Der große Knick im Mannschaftsgefüge kam, als er Goretzka, Rüdiger und Musiala vom Platz nahm. Andrich statt Groß als "6" gleich zu bringen, wäre klar die bessere Wahl gewesen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein zentrales Mittelfeld mit Andrich, Musiala und Goretzka deutlich stabiler gewesen wäre. Man muss auch nicht in jedem Spiel fünf Spieler wechseln. Manchmal bringt man damit auch das Mannschaftsgefüge durcheinander. Egal, die Deutschen haben eine der besten Halbzeiten der letzten Jahre zelebriert. Kimmich war an allen drei deutschen Toren (wieder!) beteiligt. Schon an den zwei Toren in Italien war er direkt beteiligt. Wahnsinn!

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Nagelsmann stellte diesmal auf Dreierkette um und es funktionierte. Tah, Rüdiger und Schlotterbeck harmonierten miteinander. Im Mittelfeld spielte in der ersten Halbzeit eine Viererkette mit Kimmich, Stiller, Goretzka und Mittelstädt. Vorn griffen Sané, Kleindienst und Musiala an. Kleindienst schoss wieder ein Tor und spielte sehr auffällig. Wenn Füllkrug wieder kommt, wird er es schwer haben, an ihm vorbeizukommen. Und es wäre schön, wenn Nagelsmann auch wieder auf die Qualitäten von Andrich als Führungsspieler setzt. Die Mannschaft braucht seine Giftigkeit und Übersicht. Da reicht ein Stiller oder auch ein Groß nicht heran.

Die Schlüssel in diesem Spiel hießen Kimmich, Goretzka, Musiala und Kleindienst. Und auch wieder Tah und Rüdiger als "Bank" in der Abwehr. Auffällig war auch Adeyemi nach seiner Einwechslung. Er hatte zwar keine großen Szenen vor dem Tor, sein Einsatz und seine Sprints - das immerwährende zerren und beißen um den Ball - waren beispielhaft. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn die Deutschen auch in der zweiten Halbzeit ihr überragendes Spiel hätten fortsetzen können. Wir wissen aber jetzt, was möglich ist. Schön zu sehen, dass mit Schlotterbeck und Andrich wieder zwei ehemalige Unioner spielten. Mit Rüdiger ein weiterer Berliner und mit Kleindienst ein Brandenburger auf dem Platz standen. Mit dem Brandenburger Beier gäbe es sogar noch eine fünfte Variante. Das war nicht immer so in der Nationalmannschaft. Noch ein Wort zum Dortmunder Publikum: Das war ebenfalls eine klasse Leistung. Die Unterstützung der Deutschen für die Nationalmannschaft ist wieder da. Eisern!

21. März: Deutschland schlägt Italien auswärts und verdient!

Tim Kleindienst brachte die Wende.
Tim Kleindienst brachte die Wende.  © Federico Gambarini/dpa

Icke: Holla die Waldfee, wie cool war das denn? Nach einer ersten verteilten Halbzeit stellten wir in der Pause um, brachten den Brandenburger Kleindienst und mit ihm kam die Wende im Spiel. Bis dato führten die Italiener durch ihren Traumangriff in Minute 9 mit 1:0. Mit Kleindienst war Deutschland dann tonangebend. Wir hatten eigentlich mit Kleindienst von Beginn gerechnet, aber Nagelsmann wollte Burkhardt sehen. Ein Lapsus, den er aber noch rechtzeitig korrigierte. Und schon nach 2 Minuten traf der Brandenburger zum 1:1. In der 76.Minute erzielte Goretzka dann den Siegtreffer.

Die Deutschen kontrollierten in der zweiten Halbzeit das Spiel. Gefährlich waren die Italiener trotzdem. Mehrmals musste Baumann sein ganzes Können zeigen, um das Ergebnis so gestalten zu können. Auf deutscher Seite ragten eben Baumann und Goretzka heraus. Letzterer gab sein Comeback im Nationalteam und avancierte sofort zum Leader. Zwei weitere Torchancen hatte er auch noch.

Nagelsmann korrigierte aber auch noch unsere linke Abwehrseite zur Halbzeit. Brachte Ex-Unioner Nico Schlotterbeck. Auch das zeigte Wirkung. Die deutsche Seite war für die Italiener dann wieder verschlossen. Neben den herausragenden Baumann und Goretzka und eben auch Kleindienst, machten auch Kimmich, Tah und Rüdiger ein sehr gutes Spiel. Tah und Rüdiger fanden sich wieder als gutes Stopper-Duo und Kimmich steuerte beide Tor-Vorbereitungen bei.

Und selbst die Einwechslung eines weiteren ehemaligen Unioners … Robert Andrich zeigte noch Wirkung. Er war drin und gewann sofort entscheidende Zweikämpfe, die den Italienern bei ihrer Schluss-Offensive den Zahn zogen. Musiala war gut, aber nicht überragend. Musste er auch nicht und gut zu wissen, dass auch andere Spieler unser Spiel prägen können. Mit Amiri haben die Deutschen auch wieder eine weitere offensive Waffe, er machte insgesamt ein gutes Debüt.Wirtz, Füllkrug, Havertz und Ter Stegen fehlten und keiner bemerkte das.

Das weckt unsere Vorfreude auf das Rückspiel am Sonntag. Wer zweifelt jetzt noch wirklich am Weiterkommen der deutschen Mannschaft? Diese emotionsgeladenen Spiele gegen Italien sind immer wieder ein Leckerbissen für Fußball-Fans. Eisern.

20. März: Drei Punkte in Italien gewünscht

Julian Nagelsmann (37) will im Viertelfinalspiel der Nations League zwischen Italien und Deutschland Punkte holen.
Julian Nagelsmann (37) will im Viertelfinalspiel der Nations League zwischen Italien und Deutschland Punkte holen.  © Luca Bruno/AP/dpa

Icke: Vor gar nicht allzu langer Zeit hatten wir auch noch Spieler, die zum Teil Länderspiele machten oder wenigstens zum Dunstkreis des erweiterten Kaders gehörten. Das scheint erst einmal vorbei zu sein. Die Bundesliga stoppt wieder, weil wir uns mit Italien messen. In zwei Spielen wird ein Weiterkommen ermittelt. Und es geht mitnichten um die goldene Ananas, sondern wir wollen die Nations-League gewinnen.

Einige Ausfälle haben wir zu verkraften. Nach dem Rücktritt von Neuer und der Verletzung von Ter Stegen – soll nun Baumann im Tor stehen. Meine Meinung: Ortega ist sicherlich nicht schlechter als Baumann und auch Nübel spielt aktuell eine gute Saison. Das ist jetzt für Nagelsmann so ein wenig wie Lotto spielen. Am schwersten wird Wirtz zu ersetzen sein. So hängen die außergewöhnlichen Dribblings und Pässe diesmal allein auf den Schultern von Musiala. In der Innenverteidigung scheinen Tah und Rüdiger wieder gesetzt zu sein. Rechts in der Abwehr gilt das Gleiche wohl für Kimmich. Auf links darf man Raum erwarten, eben weil wir das erste Spiel in Italien bestreiten und Raum defensiv wohl einen Tick stärker scheint, als Mittelstädt.

Im zentralen/defensiven Mittelfeld erwarte ich Andrich und Goretzka. Letzterer hat in den vergangenen Wochen leistungsmäßig ordentlich zugelegt. Aber auch Groß kommt hier in Frage. Wahrscheinlich entscheidet das letztendlich die spezifische Taktik von Nagelsmann. Nuancen werden hier maßgebend sein. Die Abteilung Attacke bildet sich bei Deutschland - seit Nagelsmann - aus drei offensiven Mittelfeldspielern und einem Center als echte 9. Kleindienst wird wohl hier die Nase knapp vor Burkhard und Undav haben. Undav wurde in der Nationalelf auch gerne als hängende Spitze aufgestellt. Glaube ich in einem Auswärtsspiel aber weniger.

Für das offensive Mittelfeld sind aktuell Adeyemi, Amiri und Musiala alle drei in bestechender Form. Einige Experten sehen dagegen Sane in der Startformation, ich eher nicht. Seine Leistungen waren nicht so grandios, dass er sich aufdrängt. Das war auch im Bayern-Kader schon so. Ob der Bundestrainer aber das Risiko, Amiri sofort zu bringen, eingeht, darf auch diskutiert werden. Eine Überraschung wäre es, wenn Leweling in der Startformation spielen würden. Eigentlich prädestiniert für überfallartige Konter, wäre es aber ein weiteres Risiko, welches Nagelsmann eingehen müsste.

Wir sehen, trotz etlicher Ausfälle haben wir einen auch in der Breite starken Kader und es darf auf Punkte gehofft werden. Auch in Italien. Spiele gegen Italien sind immer Klassiker. Zuletzt sah Deutschland gegen sie ganz gut aus. Wir erinnern uns aber auch noch an Balotelli, der uns schmerzlich einen einschenkte und für uns dann alle Messen gesungen waren. Ich möchte einen spielerisch überzeugenden Punktgewinn der Deutschen sehen. Ein überragender Musiala und eine aufmerksame Abwehr um Baumann, Tah, Rüdiger und Andrich könnten dabei sehr hilfreich sein. Ich vermute folgende Start-Aufstellung: Baumann - Kimmich, Tah, Rüdiger, Raum - Andrich, Goretzka - Adeyemi, Amiri, Musiala - Kleindienst. Eisern.

19. März: Ein Dutzend für den Käpt’n - Warum Christopher Trimmel bleiben muss

In der Saison 2014/15 wechselte Christopher Trimmel (38) zum 1. FC Union Berlin.
In der Saison 2014/15 wechselte Christopher Trimmel (38) zum 1. FC Union Berlin.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Das kam mehr als überraschend: nach der Heimniederlage gegen Kiel war beim besten Willen nicht mit so einer, obendrein gelungenen, Reaktion zu rechnen, vier Punkte gegen heimstarke (wie sie wenige Tage später eindrucksvoll gegen Ajax Amsterdam beweisen) Frankfurter und dann noch gegen die Bayern, die uns eigentlich so gar nicht auf die leichte Schulter genommen und uns über siebenundneunzig Minuten durchgehend beackert haben.

Woran das liegt? Es gibt mit Sicherheit viele Gründe, aber einer davon ist zweifellos Christopher Trimmel. Bei den frustrierenden Auftritten in Dortmund und gegen Kiel bleibt er auf der Bank, gegen Frankfurt und München steht er hingegen in der Startformation. Und trotz (oder wegen?) seines biblischen Alters von 38 Jahren und der möglicherweise (wieder mal) letzten Saison in unseren Farben kann der (fussballerisch gesehen) alte Mann uns immer noch besser machen, wenn man allein an die Monstergrätsche gegen Ekitike denkt, der die erneute Eintracht-Führung verhindert oder daran, dass die Bayern erst in Führung gehen können, nachdem der Käpt’n vom Feld ist, denn so ein wenig leidet danach die Ordnung - kein Zufall.

Es mag bessere Fussballer in unserem Aufgebot geben als Christopher Trimmel. Aber der geht stets voran, spielt mit vollem Einsatz, immer unter Strom, lauwarm oder halbherzig ist das nie, von etwaiger Lustlosigkeit ganz zu schweigen - so jemanden kannst du immer gebrauchen, weil er weiß, wie man eine Mannschaft führt, auf und neben dem Platz. Der quatscht in den Interviews nach dem Spiel keinen Blödsinn, sondern Klartext, keine Floskeln und auch im Erfolg kann er einen oder auch mehrere Finger in die Wunde legen - ein Vorzeigeprofi, seit vielen Jahren eine Konstante und sowas wie das Gesicht der Mannschaft und auch des Vereins, nicht umsonst Liebling der Fans, bei keinem schallt das obligatorische „Fussballgott“ lauter von den Rängen.

Gut, einen Kritikpunkt gibt es vielleicht: seine Standards sollten, wie früher, wieder eine Waffe sein, aber das trau ich ihm zu, dass er dahingehend noch mal zulegt. In Frankfurt jedenfalls hat er es gezeigt: die Ecke auf seinen Landsmann Leo Querfeld führt zum so wichtigen Ausgleich. Warum also sollte er nicht noch ein Jahr dranhängen, schon allein, weil in dieser Truppe keiner besser weiß als er, was Union heißt und irgendjemand muss es ja den Neuzugängen auch nahebringen, oder?

Dass es nicht immer durchgängig für neunzig Minuten reichen wird - okay. Doch so jemanden im Kader zu wissen, ist, in verschiedener Hinsicht, unmöglich ein Fehler und vielleicht kann er ja die Zeit schon nutzen, um den einen oder anderen Trainerlehrgang zu machen, denn das kann man sich nur allzugut vorstellen, dass dieser Fussballgott mal bei uns an der Seitenlinie stehen könnte, ich bin mit Sicherheit nicht der Einzige, dem diese Vorstellung gefällt. Und die Entscheidung zur Vertragsverlängerung ist ja eigentlich ziemlich leicht: man muss ihn einfach nur fragen, ob er sich’s noch zutraut, denn so reflektiert ist unser österreichisches Wunder unbedingt, um weder sich noch dem Verein in die Tasche zu schwindeln.

Ja, elf Jahre sind schon ein Brett, aber ein Dutzend wäre doch allemal drin, seit letzten Samstag bin ich mir da wieder ganz sicher. Und aus fussballromantischer Sicht sowieso. Na dann!

16. März: Ein geiler Punkt - Union widersteht bärenstarken Bayern

Dayot Upamecano (26) von Bayern München kämpft gegen Berlins Andrej Ilic (24, r.) um den Ball.
Dayot Upamecano (26) von Bayern München kämpft gegen Berlins Andrej Ilic (24, r.) um den Ball.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Holy Moly, was für ein Spiel: wir holen einen Punkt gegen bärenstarke Bayern, die im Grunde kaum einen Fehler machen, unfassbare achtzig Prozent Ballbesitz haben und eine Passquote von neunzig Prozent (wir bei gruseligen 57 Prozent, das dürfte tatsächlich einen Tiefstwert darstellen), obendrauf kommen noch vierzehn Ecken, doch wir verteidigen auch dermaßen leidenschaftlich und diszipliniert, dass wir dem Dauerdruck des zukünftigen Meisters, der, im Gegensatz zu seiner Heimniederlage gegen Bochum, diesmal in Bestbesetzung antritt, mit Ausnahme des weiterhin verletzten Neuer, bis zur 75. Minute standhalten - dann aber passt Olise perfekt getimt auf Stanisic, der läuft Rothe davon und passt in den Rückraum, wo Jeong leider komplett schläft und Sane deswegen problemlos einnetzen kann, die ersten beiden echten Fehler in unserer Abwehr führen prompt zum Gegentor und schon ist der Traum vom torlosen Unentschieden dahin.

Das Positive an diesem Rückstand ist jedoch, dass wir nun unbedingt an diesem Spiel teilnehmen müssen, wollen wir nicht leer ausgehen. Sicher, man muss sich fragen, warum jetzt gerade das stattfinden soll, was das ganze Spiel über kaum stattgefunden hat, außer einem satten Schuss nach Alleingang von Juranovic nach einer knappen Stunde gibt es nämlich kaum erfolgreiche Offensivbemühungen zu verzeichnen, meist kommen wir kaum über die Mittellinie, sind weitgehend mühelos zu verteidigen, zwischenzeitlich ist das schon ein Klassenunterschied.

Aber jetzt kommt da tatsächlich mehr, mit dem Mut der Verzweiflung entfalten wir sogar etwas wie Druck und unser bester Spielzug, taktisch wie technisch, bringt nach vierundachtzig Minuten den Ausgleich: Diogo Leite spielt von der linken Seite einen hohen Ball zu Juranovic auf rechts, dessen Flanke wird leicht abgefälscht und Neuers Ersatz Urbig kann die Kugel nur etwas unglücklich mit der flachen Hand in die Mitte patschen und da reagiert der eingewechselte Hollerbach am schnellsten und schiebt entschlossen zum Ausgleich ein. Fraglos ein Schock für die so selbstbewussten Bayern, die mit ziemlicher Sicherheit nach dem Führungstor davon ausgegangen waren, dass sie uns endlich geknackt haben und das Spiel eigentlich nur noch nach Hause schaukeln müssen. Und wir halten in der verbleibenden Zeit den Punkt mit Zähnen und Klauen fest, trotz fünf Minuten Nachspielzeit, aus denen Schiedsrichter Exner unverständlicherweise gut sechs macht, ja, am Schluss haben wir sogar noch zwei ordentliche Möglichkeiten, aber da fehlt uns das letzte Quäntchen Präzision, Kaltschnäuzigkeit und Glück.

Nichtsdestotrotz ist dieser Punkt ebenso erstaunlich wie erkämpft, verdient und grandios, gegen eine Truppe, die uns, in fast allem (wir haben den besseren Keeper!), turmhoch überlegen ist und diese Partie vom ersten Moment an mit großem Ernst und alles andere als lax angeht, umso höher ist einzuschätzen, dass ein Musiala und ein Kane zu eigentlich kaum einer Chance kommen, ja mit zunehmender Spielzeit immer mehr verzweifeln - und dass wir es schaffen, nach dem relativ späten Rückstand nicht frustriert auseinanderzufallen, uns nicht einfach ergeben, sondern vielmehr zurückkommen und die einzige echte Möglichkeit des Spiels erzwingen und nutzen und das Ergebnis dann auch nicht mehr aus der Hand geben, egal, wie wütend der Gegner auch angreift.

Denn eins ist ja auch klar: versuchen wir gegen diese konzentrierten, extrem ballsicheren und schnellen Bayern irgendwie mitzuspielen, dann kriegen sie den Raum, den sie wollen und wir vier oder fünf Stück, insofern haben wir fast alles richtig gemacht. Ähnlich wie in Frankfurt schafft eine funktionierende Mannschaft einen weiteren unerwarteten Punktgewinn (wobei die Bayern nochmal ein ganz anderes Kaliber sind als die Eintracht), kann sich abermals belohnen, statt null Punkten aus zwei Spielen holen wir vier - wer hätte das gedacht? Wenn die Mannschaft die letzten acht Spiele so kompakt und stark auftritt, genauso effektiv, nervenstark und intensiv, dann wird alles gut. Danke für dieses Spiel, dieses Unentschieden gegen einen übermächtigen Kontrahenten, das war unionlike in jeder Hinsicht!!

12. März: Jetzt sind die Bayern dran!

Union kann wieder siegen.
Union kann wieder siegen.  © Arne Dedert/dpa

Icke: Nu kicke da. Union geht’s wieder besser. Nachdem zwischenzeitlich viele sich schon mit komischen Gedanken anfreundeten. Der Sieg in Frankfurt kam gerade zur rechten Zeit. Eben um zu zeigen, Union lebt noch. Zu Hause spielen wir noch gegen Bayern, Wolfsburg, Stuttgart, Bremen und Heidenheim. Auswärts in Freiburg, Leverkusen, Bochum und Augsburg. Einmal mehr zu Hause ist schon einmal gar nicht so schlecht.

Aber in dieser Saison sind wir ja sowieso eine Wundertüte. Kein Mensch hätte ernsthaft viel Geld auf uns in Hoffenheim oder Frankfurt gesetzt. Die Chemie scheint jedenfalls intern zu stimmen, sonst wären Überraschungen solcher Art nicht möglich.

Was bei Steffen Baumgart auffällt, der ändert oft zur Halbzeit oder wie in Frankfurt kurz nach der Halbzeit – Taktiken und/oder Spielsysteme. Und ab und an bringt das dann auch wirklich etwas. Soll heißen: Er erkennt, woran es hakt, und ändert es.

Was unverständlich ist, nächstes Mal spielen dann wieder ganz andere Spieler. In Frankfurt fehlten zum Beispiel Hollerbach und Benes in der Start-Formation. Benes kam gar nicht mehr rein und Hollerbach zeigte bei seiner Einwechslung, warum wir auf den torgefährlichsten unserer Stürmer (6 Tore, 3 Vorlagen) gar nicht verzichten können. Welche "goldene Löffel" Benes geklaut hat … wir werden es wohl nicht erfahren.

Überraschen konnte uns Jeong. Nicht nur sein Tor beinhaltete technische Fertigkeiten, die er in der Vergangenheit nur andeutete. Jetzt führten diese endlich einmal zum Zählbaren. Bei unseren Mittelstürmern bleibt alles beim Alten. Egal wer spielt, so richtig doll gefährlich wird es dann doch nicht. Der Sieg in Frankfurt war eine Leistung des Willens der ganzen Mannschaft und einzelner individueller Glanzlichter, wie eben auch Rönnows Eiseskälte, weit nach der normalen Spielzeit seinen dritten von vier (bisherigen) Elfern zu halten.

Am Samstagnachmittag haben wir dann (gegen die Bayern) ein sehr einfaches Spiel. Keiner erwartet etwas von uns. So wir uns nicht abschlachten lassen, können wir nur gewinnen und überraschen. Nach dem Sieg in Leverkusen werden die Münchner überall gelobt. Deutschlands stärkstes Team kommt zu uns. Lasst es uns angehen. Zwei Überraschungen hintereinander – soll es geben, so sagt man. Die Symbiose aus Konzentration, Engagement, dem Publikum und einer Prise Spielglück … könnte es richten. Eisern.

10. März: Drei Hände für ein Hallelujah! Union siegt verdient in Frankfurt

Frederik Rönnow hat Union Berlin den Sieg in der Nachspielzeit mit einem gehaltenen Strafstoß gerettet.
Frederik Rönnow hat Union Berlin den Sieg in der Nachspielzeit mit einem gehaltenen Strafstoß gerettet.  © Arne Dedert/dpa

Unionfux: Ich glaube wieder an den Fußballgott! Und - was noch wichtiger ist: an diese Mannschaft, die mit Leidenschaft und Können endlich wieder gezeigt hat, dass sie doch bundesligatauglich ist, wenn sie ihre Stärken auf den Platz bringt!

Dabei lässt sich das Spiel in Frankfurt so an wie befürchtet: Schon nach zwölf Minuten grätscht Leo Querfeld einen relativ harmlosen Schuss von Kristensen zu Batshuayi, der völlig frei und mühelos die erste Chance der Partie versenkt. In der Folge ist Frankfurt leicht überlegen und mit viel Ballbesitz, aber die großen Möglichkeiten bleiben aus, leider jedoch auch bei uns. Lediglich Ilic hat nach neunzehn Minuten eine vielversprechende Aktion, die aber leider knapp am Tor vorbei geht und da ist vielleicht noch Skarkes Schuss zwei Minuten später, den Trapp aber locker hält.

Zur Pause bleibt es also bei der knappen Eintrachtführung und wir sind nicht unbedingt schlecht, aber so reicht das auf keinen Fall, wir sind bemüht, engagiert und vorhanden, aber oft auch zu zaghaft und zu ungenau.

Umso überraschender ist unser Wandel in der zweiten Hälfte, plötzlich sind wir offensiv präsent und arbeiten uns auch mehrere gute Gelegenheiten heraus: Schon in der fünfzigsten Minute wird Khedira vom starken Trimmel freigespielt und übersieht leider den frei stehenden Skarke - da wäre allemal mehr drin gewesen. Doch es geht weiter: Khedira haut den Ball nochmal per Aufsetzer übers Tor, Haberer auf Ilic, zur Ecke geblockt. Und die schlägt der Käpt'n wunderbar lang auf Querfeld, der in der Luft steht und lehrbuchmässig neben den linken Pfosten köpft - die österreichische Coproduktion bringt den Ausgleich!

Die Frankfurter versuchen sofort zu antworten, Götze chippt auf Larsson und der schießt aus spitzem Winkel gottlob knapp drüber. Dann wird der eingewechselte Ekitike geschickt, zieht in den Strafraum, aber wird in letzter Sekunde durch eine Monstergrätsche von Trimmel gestoppt. Doch die Situation ist noch nicht bereinigt, denn Sekunden später trifft Kristensen aus vierzehn Metern den Außenpfosten. Kurz darauf zielt Juranovic nach feiner Einzelleistung nur leicht übers Tor, Leite fehlt wiederum nicht viel nach einer weiteren Ecke.

Doch dann schlägt Khedira den Ball nach einem Einwurf weit nach vorn, Jeong, gerade sieben Minuten auf dem Platz, spekuliert nach schwacher Abwehr der gegnerischen Innenverteidigung richtig, zieht aufs Tor, kann entweder rechts auf Ilic oder links auf Rothe spielen, aber zirkelt stattdessen den Ball von der Strafraumgrenze, unhaltbar für Trapp, genau neben den linken Pfosten, ein blitzsauberes Tor - und wir haben nach zwei Jahren mal wieder ein Spiel gedreht! Und es kommt scheinbar noch besser: Wir erobern den Ball vorm eigenen Strafraum, Schäfer schickt Hollerbach, der spielt Jeong auf rechts an, sprintet durch und grätscht die präzise Flanke des Koreaners unhaltbar rein, die Eintracht-Spieler können nur zuschauen - verdammt lange her, dass wir so perfekt und unwiderstehlich gekontert haben! Doch kurz darauf die Ernüchterung: Schäfer ist der Ball an die Hand gesprungen - Treffer aberkannt. Kann man nachvollziehen, insbesondere, da unser Ungar die Kugel dadurch auch erst unter Kontrolle bekommen hat. Also doch kein Deckel drauf, Frankfurt drückt weiter und in der Nachspielzeit gibt es doch tatsächlich Strafstoß für die Eintracht und auch der ist leider berechtigt: Doekhi spielt im Luftduell mit Wahi den Ball deutlich mit der Hand.

Ein Albtraum: Vermiest uns die Doppelhand der letzten Minuten die so wichtigen und vor allem verdienten drei Punkte? Doch, wie schon gesagt, es gibt doch einen Fußballgott - und ich weiß auch, wie der heißt: Frederik Rönnow! Ironischerweise seinerzeit aus Frankfurt weggeschickt, hält dieser dänische Teufelskerl gegen Ekitike seinen dritten Elfmeter in dieser Saison, quasi die dritte und letzte Hand dieses Spiels, ein würdiger Schlusspunkt unter einem irren Finale. Er rettet uns zwei extrem wertvolle Punkte und - was beinahe noch wichtiger ist: Er hält die Belohnung für eine erstaunliche Steigerung nach der Pause fest, das ist von möglicherweise elementarer Bedeutung für die Psyche einer Mannschaft, die in dieser Spielzeit seit über vier Monaten nach so etwas wie Stabilität und Konstanz sucht und zuletzt zwei heftige Ohrfeigen verdauen musste. Da kommt ein solches Erfolgserlebnis gerade recht, die Freude der Jungs war auch unübersehbar. Und nicht zuletzt verhindert dieser Sieg ein weiteres Abrutschen in kritische Zonen.

Es kann schon sein, dass die frühe und allzu leichte Führung dem Gegner suggeriert hat, dass das Ganze eine simpel zu lösende Pflichtaufgabe wird und wir diese Arroganz für uns genutzt haben, möglicherweise hat auch das Spiel in Amsterdam die Frankfurter spürbar Kraft gekostet, aber nichtsdestotrotz macht unsere Leistung, die Leidenschaft und auch die Effektivität nach der Pause wieder Mut für den Endspurt dieser Saison.

Erwarten konnte man diesen Erfolg bei der heimstarken Eintracht nicht gerade, erst recht nicht nach den letzten Spielen - umso erleichterter ist das gemeinsame Aufseufzen der Uniongemeinde. Darauf kann man aufbauen, so soll, so muss es weitergehen!! Last but not least: Ein abermals beeindruckender Support, so tief im Westen, kommt alle gut nach Hause!

7. März: Du hast keine Chance - nutze sie! Wir müssen auswärts in Frankfurt ran

Im Hinspiel teilten sich Union und Frankfurt die Punkte, nachdem ein Treffer von Tim Skarke (2.v.l.) nach Ansicht der Videobilder zurückgenommen worden war.
Im Hinspiel teilten sich Union und Frankfurt die Punkte, nachdem ein Treffer von Tim Skarke (2.v.l.) nach Ansicht der Videobilder zurückgenommen worden war.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: So, jetzt sind es nur noch zehn Spiele, die Aufgaben werden nicht leichter und die Durchhalteparolen sind durch die Erfahrungen der letzten anderthalb Jahre längst abgenutzt. Die Hoffnung auf Besserung ist natürlich da, schon allein, weil es schwer ist, noch weniger abzuliefern, nur macht die Summe der Baustellen schon Angst.

Derzeit klappt doch sehr wenig, weder macht der Trainer den Eindruck, einen Plan B in der Tasche zu haben noch macht die Mannschaft den Eindruck, wenigstens zwischenzeitlich wieder zu funktionieren. Nicht nur gegen Kiel konnte man sich des Eindrucks kaum erwehren, die Jungs hätten noch nie zusammengespielt, kaum ein Spieler hat Normalform aufzuweisen, dabei müsste eigentlich so langsam der eine oder andere gar über sich hinauswachsen, wenn wir diese Spielklasse nicht sang- und klanglos verlassen wollen.

Der ganze Verein wirkt irgendwie, als hätte er einen Burn-out. Und ganz ehrlich: So gut wie Horst Heldt hätte Micha Parensen allemal abgeschnitten, auch die Verpflichtung des Sportdirektors war ein Flop. Selbst Dirk Zingler spricht schon von einem möglichen Abstieg und dass wir in den letzten Jahren viel zu gut gewesen wären, uns quasi selbst überholt hätten.

Ja, das ist zweifellos so, jedoch hat wohl niemand ernsthaft geglaubt, dauerhaft international zu spielen. Doch hätte man die Erfolge dieser Jahre und die damit errungenen Mittel einigermaßen klug genutzt, dann wären wir höchstwahrscheinlich derzeit in sicherem Fahrwasser des Tabellenmittelfelds und würden nicht den dritten Trainer seit November 2023 haben, der obendrein der erfolgloseste Übungsleiter des Trios Bjelica/Svensson/Baumgart ist, wenn man mal den Punkteschnitt sieht und die Spielweise leider auch, so ehrlich muss man nun mal sein. Es wäre also eine ziemliche Überraschung, wenn wir bei den heimstarken Frankfurtern was holen würden, andererseits wäre ja mal nach so vielen negativen Überraschungen 'ne positive dran (schon rein statistisch), oder? Zudem musste die Eintracht ja gestern bei Ajax Amsterdam (ach ja, Ajax …) ran und konnte dort einen beachtenswerten knappen 2:1-Sieg festmachen, trotzdem sicher kein Vorteil, wenn man zusätzliche neunzig Minuten in den Beinen hat, aber zu viel sollte man sich davon auch nicht erhoffen.

Also heißt das Motto: Du hast keine Chance - nutze sie! Vielleicht tatsächlich mal mit Kevin Vogt und Laszlo Benes in der Anfangsformation und sogar einem Fußballgott namens Trimmel und einer Taktik, die die Eintracht ins Grübeln und nicht ins Grinsen bringt. Klar ist jedenfalls, dass sich beinahe jeder Spieler unseres Kaders steigern muss, mit Ausnahme von Freddy Rönnow, denn so desolat und unpräzise wie zuletzt ist man im Grunde nur ein besserer Sparringspartner. Ob Steffen Baumgart es schafft, genügend Schalter umzulegen? Wir hoffen es. Noch ist es nicht zu spät, die Luft allerdings wird zügig dünner, auch und unbedingt für den Trainer. Denn er muss endlich mal beweisen, wozu er gut ist. Ansonsten kann man auch mich an die Seitenlinie stellen, ich habe vielleicht nicht mehr Ahnung, bin aber im Notfall unterhaltsamer. Nichtsdestotrotz: erstaunt uns am Main und erspart mir das T-Shirt im kühlen Märzwetter …

3. März: Das war absolut unverständlich und ganz großer Mist

Holstein Kiel schlägt den 1.FC Union Berlin im eigenen Stadion mit 1:0.
Holstein Kiel schlägt den 1.FC Union Berlin im eigenen Stadion mit 1:0.  © Andreas Gora/dpa

Icke: Die ganze Bundesliga spielt für uns. Bochum, Heidenheim und auch St. Pauli verlieren ihre Spiele am Samstag. Wir haben dann am Sonntag die große Chance uns im Spiel gegen den damals (noch) Tabellenletzten mit einem Sieg abzusetzen und was passiert wirklich? Holstein Kiel, die noch nie (!) ein Bundesligaspiel Auswärts gewannen … schlägt uns im eigenen Stadion mit 1:0.

Unverständlich deshalb, weil wohl nicht alle verstanden hatten, wie wichtig das gewesen wäre und großer Mist, weil die Nordlichter auch noch völlig verdient gegen uns gewonnen haben.

Ein paar Dinge machte Baumgart am Anfang richtig. Er kehrte wieder zur stabileren Dreierkette zurück. Die Mannschaft kann es aktuell gar nicht anders. Auch bekam Ljubicic endlich seine Startelf-Chance. Schlecht war, statt Benes spielte mit Tousart wieder einmal ein zweiter Zerstörer im zentralen Mittelfeld. Warum? Das war schon das falsche Zeichen an die Mannschaft!

Und dann legten wir los. Die ersten 10 Minuten waren (wie auch so oft) gar nicht so schlecht. Unsere Angriffsbemühungen waren sichtbar. Zwingende Chancen hatten wir nicht, trotzdem war Tempo erkennbar. Die restlichen 85 Minuten waren dann grausam. Keine Tempo-Angriffe und keine erkennbare Spiel-Idee. Es ist wirklich nicht übertrieben. Kiel hatte einen Plan und zog den erfolgreich durch. Sie verdichteten ihr Zentrum im eigenen Drittel und immer wann möglich schwärmten sie mit 4, 5 Spielern los und setzten eigene Angriffe. In der 43. Minute schließen die Kieler dann ihren besten Angriff ab und gehen in Führung. Absolut verdient. Zumal wir es in einem Heimspiel gegen den Tabellenletzten nicht einmal schafften – mehr Ballbesitz und damit die Spielhoheit zu erreichen. 50:50 verteilte sich dieser über das ganze Spiel.

Bei den gewonnenen Zweikämpfen lagen die Kieler mit 51% sogar vorn. Da nützten uns unsere 11 Eckbälle (Kiel nur 3) gar nichts, weil wir keinen Plan dabeihatten und eben auch keine Spieler, die Ecken verwandeln können. Ein Trauerspiel, was einem den Sonntag so richtig vermieste. Eine Einblende von Dirk Zingler in der 2.Halbzeit sagte alles über das Spiel aus. Er stand auf, sein schon versteinertes Gesicht sagte schon alles aus und dann drehte er sich um, er konnte nicht mehr hinsehen.

Das war auch mein Gemütszustand. Man konnte es einfach nicht begreifen, was da auf dem Platz geschah. Relativ zügig bekam ich vom alten Stadionsprecher Andre Rolle gleich nach dem Spiel ein emotionales Statement. Tiefe Enttäuschung und Unverständnis kam darin zum Ausdruck. Das gute an der Situation, „Rolle“ geht’s gesundheitlich wieder besser. Gott sei Dank! Leider tut die Mannschaft nichts zur Genesung dazu.

Und nun spielen wir kommende Woche in Frankfurt, danach besucht uns Bayern München. Punkten wir da? Eher nicht, schon gar nicht mit dieser Leistung. Dann folgt das Auswärtsspiel in Freiburg. Da ist wohl auch nichts zu holen. Wo wollen wir eigentlich noch punkten? Auf Grund eines noch immer vorhandenen Punktes-Polsters haben wohl noch nicht alle Spieler begriffen, wie sich die aktuelle Lage darstellt. Wir stecken wieder bis über beide Ohren fest im Abstiegskampf.

Und Gnade uns Gott, wenn wir jetzt noch (wie wohl nicht vermeidbar) drei Mal hintereinander verlieren. Dann kannst du die Psyche der Union-Spieler am Boden suchen. Ich erwarte, dass es jetzt im Forsthaus auch mal etwas lauter wird. Eisern.

2. März: Schlimme Bankrotterklärung gegen den Tabellenletzten: Heimniederlage gegen Kiel

Harte Landung: Unions Laszlo Benes rutscht tiefer in den Abstiegskampf.
Harte Landung: Unions Laszlo Benes rutscht tiefer in den Abstiegskampf.  © Andreas Gora/dpa

Wenn man einem Unwissenden nahebringen wollte, was eine Bankrotterklärung ist, so wäre das Heimspiel gegen die auswärts sieglosen Kieler ein überaus passendes Beispiel, doch wem will man zumuten, sich dieses Schulhofgekick noch mal anzusehen? Denn es funktioniert so gut wie nichts an diesem Nachmittag, zu keinem Zeitpunkt existiert so etwas wie Zugriff auf das Spiel, taktisch ist wenig zu erkennen, die Laufwege stimmen nicht, ungenaue Ideenlosigkeit am laufenden Band. Kein Schuss aus der zweiten Reihe, kein Freistoß in gefährlicher Position, kein gewonnener Kopfball im Strafraum, kaum ein anständiger Spielzug.

Dass die Kieler zu allem Überfluss kurz vor der Pause das Siegtor machen, kommt erschwerend obendrauf, denn auch der Umgang mit einem Rückstand überfordert unsere Jungs nach wie vor in erschreckendem Ausmaß: nach der Pause geht es so weiter wie davor, auch die (zu späten) Einwechslungen bringen nichts, die neu hinzugekommenen Spieler passen sich dem unfassbar niedrigen Niveau sofort an. Das einzig Gute: man muss kaum einer vergebenen Chance nachtrauern, denn es gibt sie nicht so recht.

Da nutzen auch erstaunliche 38 Flanken nichts (davon keine taugliche!) oder immerhin elf Ecken. Eine Passquote von 67 Prozent ist trauriger Ausdruck einer desolaten Mannschaftsleistung, kein Häuptling ist in Sicht, nur hilflose Indianer, die in dieser Form gegen keine Mannschaft der Liga eine Chance hat, es sei denn, sie ist noch indisponierter, aber darauf kann man wohl kaum hoffen. Dass Schiedsrichter Reichel nicht seinen besten Tag hat, ist lediglich eine Randnotiz, dass der Gegner am Schluss jede Gelegenheit zum Zeitschinden nutzt, auch.

Nach lediglich sieben Punkten aus neun Spielen, davon etliche gegen Mannschaften aus dem untersten Tabellendrittel (und eigentlich war keiner der Niederlagen unglücklich, sondern verdient), kommt man nicht umhin zu erkennen, dass der Trainerwechsel von Svensson auf Baumgart nicht so wirklich was gebracht hat. Inwiefern er diese Nichtleistung zu verantworten hat - schwer zu sagen, auf jeden Fall nicht allein. Doch er hat niemanden besser machen oder wenigstens an seine Normalform führen können, er gibt der Truppe offensichtlich kaum etwas an die Hand, was einer funktionierenden Taktik gleichkommen würde, geschweige denn irgendeine Stabilität, die Aufstellung beinhaltet beinahe immer Fragezeichen und auch der große Motivator und Anzünder ist er leider nicht, da sind wir wohl einem Mythos aufgesessen.

Was also kann er denn? Ich habe keine Ahnung. Es gab nicht wenige Stimmen, die bei seiner fussballromantischen Verpflichtung genau das prophezeit haben, was wir jetzt sehen. Ist seine einzige Qualifikation denn wirklich, dass er vor über zwanzig Jahren mal zwei Saisons lang ein überaus beliebter und auch ganz guter Spieler war? Ich weiß: heftige Worte. Nur wenn das so weitergeht, wird unsere Bundesligazugehörigkeit unnötig und fahrlässig verspielt. Seit längerer Zeit jagt eine personelle Fehlentscheidung die nächste, fast alle Patronen sind verschossen. Alte Stärken sind verschwunden, nur Schwächen sind hinzugekommen, selbst die Festung Alte Försterei ist längst keine mehr.

Ob ein erneuter Trainerwechsel irgendetwas bringen würde, ja, das ist mehr als fraglich. Doch irgendwas muss passieren, wir sitzen unübersehbar auf dem komplett falschen Dampfer, so rauschen wir mit Schwung in die Zweite Liga und ich muss wohl keinem erzählen, dass das einer veritablen Katastrophe gleichkäme. Die nächsten Gegner sind nämlich noch ein ganz anderes Kaliber als die (zugegebenermaßen) cleveren Kieler. Die höchste Bundesligaklatsche in Dortmund in der letzten Woche hat mich nicht annähernd so schockiert wie das heutige Spiel.

Optimismus tut fraglos not, aber noch viel mehr ein funktionierender Plan, denn ohne Plan (und unter Urs Fischer hatten wir einen, zumindest sehr lange Zeit) können nur Mannschaften überleben, wo die individuelle Klasse überaus hoch ist. Und den kann im Moment niemand ernsthaft erkennen und Folklore bringt, das sollten wir gelernt haben, keine Punkte. Die Hoffnung, dass, aus unerklärlichen Gründen, alles schon irgendwie in Ordnung kommt, die ist heute ein empfindliches Stück kleiner geworden

Titelfoto: Bernd Thissen/dpa

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