Union-Berlin-Blog: Bei Leweling lagen wir wohl schief

Berlin - Eisern: In einer Personal-Union aus drei waschechten Berliner Fußball-Fan-Originalen gibt es bei TAG24 den Union-Berlin-Blog.

Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.  © Archiv

Die Autoren:

Icke (Jürgen Heinemann) ist seit Mitte der Siebzigerjahre Unioner und als Betriebswirt seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig. Er ist verheiratet und hat ein erwachsenes Kind. Icke lebt heute in Grünheide und schreibt hier als Gründer des Blogs.

Unionfux (Tobias Saalfeld) ist seit über 40 Jahren Unioner, er arbeitet als Freischaffender für Bühne, Funk und Fernsehen, auch dort schreibt er.

1. FC Union Berlin Warum schon wieder geträumt werden darf: Union auf Kurs Champions League

Beecke (Christian Beeck), Ex-Bundesliga-Spieler (Hansa, Cottbus), Ex-Union-Manager, 21 Länderspiele für DDR-Junioren, stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union. Beecke hat 2 Kinder. In unserem Union-Blog fungiert Beecke als Berater.

Anzeige

15. Oktober: Bei Leweling lagen wir wohl schief

Jamie Leweling feierte einen Traumeinstand.  © Sven Hoppe/dpa

Icke: 1:0 ist ein knappes Ergebnis. So schlugen wir gestern Holland. Allerdings rieben sich viele Experten die Augen. Wir hatten Ausfälle ohne Ende zu beklagen, zum Schluss keinen einzigen EM-Offensivspieler mehr auf dem Platz und trotzdem gewannen wir verdient. Und Siege gegen unseren westlichen Nachbar sind seit Rudi Völler immer besonders süß.

Das Tor für Deutschland schoss ausgerechnet Ex-Unioner Leweling. Als wollte er uns zeigen, schaut mal her, mich ziehen zu lassen war ein Fehler. War es! Denn neben Wirtz (der angeschlagen in der Halbzeit-Pause blieb) war Leweling der Aktivposten bei uns. Gleich in der 2.Minute machte er sein erstes Tor. Es zählte aber nicht, Gnabry soll dabei im Abseits gewesen sein. Naja. Einen weiteren Hochkaräter hatte Leweling auch noch anzubieten.

Sein erstes Länderspiel war einfach cool. Kein bisschen nervös, immer agil und gefährlich.Da sahen die Holländer in der ersten Halbzeit blass aus. Rüdiger wie immer hinten stark. Es war schon erstaunlich, wie sich im defensiven Mittelfeld Pavlovic und Stiller fanden. Beide noch sehr jung und sie spielten erstmals so von Beginn an zusammen. Kimmich und Mittelstädt waren auf den Außen ebenfalls Garanten für eine gute Leistung. Und da sich da auch Schlotterbeck gut einfügte und Baumann ein starkes Debüt im Tor absolvierte, war das hinten schon einmal eine runde Sache. Kurz vor Schluss rettete Baumann mit einer Monster-Parade den Sieg. Er parierte den satten Malen-Schuss aus 19 Meter. Und vorn war natürlich Wirtz wieder der Chef für die Abteilung Attacke.

1. FC Union Berlin Union-Star Vertessen stichelt gegen Bjelica und macht Kampfansage

Gnabry hatte auch noch gute Einschuss-Chancen und Kleindienst fiel nur auf, wenn man genauer hinsah. Er war ungeheuer fleißig auf dem Platz. Einen „Riesen“ hatte er auch auf dem Fuß.In der 2.Halbzeit waren die Holländer dann aktiver. Es muss wohl ein Donnerwetter in der Kabine passiert sein. Jetzt hatten sie mehr Ballbesitz und erspielten sich auch Chancen. Ohne allerdings die Deutschen wirklich vor ernsthafte Probleme zu stellen.

Andrich (auch ein Ex-Unioner) ersetzte Wirtz und wurde sofort zum Leader. Er brachte Ruhe in unsere Aktionen und fegte mehrmals zwischen die Holländer. Eine feine Gesamt-Leistung der deutschen Mannschaft, die so keiner erwarten konnte.

Lasst uns gemeinsam eine Lehre für Union ziehen. Jamie Leweling bekam in Stuttgart die Einsatz-Zeiten, die er bei uns nicht bekam. Und jetzt ist er Stammspieler dort und machte ein überragendes Länderspiel. Aljoscha Kemlein ist bereits seit 8 Jahren bei uns. Inzwischen hat er seine Feuertaufe gegen Dortmund absolviert. Bei der U20-Nationalmannschaft ist er inzwischen Kapitän und Führungspersönlichkeit. Im U20-Länderspiel gegen Ghana war er an drei Toren beteiligt und setzte auch noch selbst einen Ball an den Querbalken.

Übrigens standen in diesem Spiel mit Ullrich, Eitschberger, Klemens und A.Kade (sein Bruder spielte mal bei uns) weitere Berliner auf dem Platz. Mit Kemlein – fünf Berliner im Team, das ist schon erstaunlich. Da sollten wir genauer hinschauen und vor allem auf Kemlein setzen. Apropos Berliner, die Brandenburger standen den Berlinern in nichts nach. Mit Andrich, Kleindienst und Schade standen drei Brandenburger auf dem Platz. Ein vierter Brandenburger - Beier - gehört ebenfalls zum Kader und der Berliner Rüdiger sowieso. Eine interessante Häufung regionaler Spieler in den Nationalmannschaften. Eisern.

12. Oktober: Das macht Appetit auf Holland

Beim Deutschlandspiel waren Andrich und Kroos im Mittelfeld.  © Christian Charisius/dpa

Icke: 2:1 gewinnen wir auswärts gegen Bosnien-Herzegowina. Das hört sich knapp an, war es aber nicht. Nach ein paar Minuten hatten die Deutschen das Spiel im Griff. Erstaunlicherweise muss man sagen, schaut man sich die lange Liste der Ausfälle an. Mit Nübel und Kleindienst debütierten zwei Spieler mit Beginn und machten ihre Sache ordentlich.

Held des Abends war Undav. Er schoss beide Tore und gönnte sich noch ein Abseitstor dazu. Apropos Abseitstor, drei weitere Male klingelte es im Kasten vom St-Pauli-Keeper Vasilj. Aber jedes Mal waren es Zentimeter, die zur Anerkennung fehlten. Rechnet man jetzt noch den nicht gegebene Elfmeter dazu, hätte das Spiel auch 6:1 ausgehen können. Das zeigt aber auch, Deutschland hatte alles im Griff.

Der Noch-Unioner Gosens wurde eingewechselt und wurde 10 Minuten vor Schluss klar erkennbar im Strafraum gefoult. Der Schiri verlegte das mit gelb geahndete Foul außerhalb des Strafraums. Egal, auch wenn Bosnien-Herzegowina einige wenige Chancen besaß, man hatte nie den Eindruck, es könnte etwas schief gehen.

Nach dem Doppel-Torschützen Undav überragten bei uns noch zwei Spieler. Rüdiger organisierte unsere Abwehr ziemlich perfekt und klärte mehrere Male spektakulär. Und Wirtz legte zu seinen zuletzt guten Auftritten in der Nationalmannschaft noch eine Schippe drauf und war der Dreh- und Angelpunkt unseres Angriffs. Der vierte Mann, der als Stabilisator bei den Deutschen agierte war der zweite Mann auf dem Platz mit Union-Vergangenheit – Robert Andrich. Oft ließ er sich zwischen Rüdiger und Tah als dritter Innenverteidiger fallen und baute unser Spiel von hinten auf. Kimmich auf rechts spielte unauffälliger als sonst. Das war sicherlich eine Nagelsmann-Order an ihn gewesen.

Mittelstädt auf links spielte da spektakulärer. Sowohl in der Offensive, als auch hinten. Er ließ Nagelsmann hinsichtlich seiner Position (für die Zukunft) ratlos zurück. Raum und Mittelstädt sind beide wohl auf gleichem Niveau. Im Mittelfeld spielten wir – neben Andrich – mit Groß. Auch er zeigte eine solide Leistung, passte ein paar Mal im Stile eines Kroos über 20, 30 Meter auf unsere Spitzen und hatte ansonsten wohl auch Order, defensiv stabil zu spielen. Kleindienst ackerte, spielte aber unauffällig. Er war einer der Abseitstorschützen. Schade, das hätte ihn sicherlich beflügelt.

Im offensiven Mittelfeld zeigte Gnabry nach über einem Jahr Pause, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Er zeigte ein sehr gutes Spiel, er war der dritte Spieler mit einem Abseitstor bei uns. Als dritter Debütant kam dann noch Burkhardt ins Spiel.Schon am kommenden Montag spielen wir zu Hause gegen Holland. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Pavlovic diesmal für Groß aufläuft. Das Spiel gegen die Holländer wird eine ganz andere Nummer werden. Die haben nicht nur wesentlich mehr Qualität, sondern sind auch unter Zugzwang. Sie schafften in Budapest nur ein Remis und das auch nur mit Ach und Krach, sprich kurz vor Schluss. Wir können aber sicher sein, dass die Holländer gegen uns wieder extra motiviert sind und ein bärenstarkes Spiel zeigen.

Andererseits spielt Deutschland sehr stabil unter Nagelsmann. Wie es auch Bo mit Union schaffte, hat auch Nagelsmann mit der Stabilisation der Abwehr begonnen. Beiden gelang das. Jetzt kommt Phase zwei. Auch bei beiden. Die Abteilung Attacke auf Konstanz zu bringen. Da hat es wohl der Nationaltrainer einfacher. Er kann auf Ausnahmespieler wie Wirtz und Musiala (fehlt aktuell verletzt) zurückgreifen. Bo testete im Freundschaftsspiel gegen Stettin - Volland und Skov. Ob sie oder einer der beiden in Kiel schon auflaufen werden … ist eher zweifelhaft.

Sie gehören aber ganz sicher zu unseren Hoffnungen … unseren Angriff gefährlicher zu gestalten. Nach dem Saison-Beginn, der für uns sehr ordentlich aussah, gilt es – neben Hollerbach und Vertessen (die wohl zur Zeit beide die Nase vorn haben) den dritten Mann für unseren Sturm zu finden. Zukunftsträchtig könnte man sich Volland als hängende Spitze zwischen Hollerbach und Vertessen vorstellen. Auch weil Bo beim Test Skov auf die linke Außenbahn schickte. Eisern.

Anzeige

10. Oktober: Oh, Jürgen, Jürgen, what have ye done?

Jürgen Klopp (57) hat ab Januar einen neuen Job.  © Christoph Reichwein/dpa

Unionfux: Diejenigen, die regelmäßig oder doch zumindest von Zeit zu Zeit hier reinlesen, werden bemerkt haben, dass ich mich in diesem Rahmen nur ganz selten zu Dingen äußere, die wenig bis nichts mit dem 1. FC Union zu tun haben, hier möchte ich jedoch eine Ausnahme machen, denn gestern wurde der Fussball auf einen Schlag nochmal so böse entromantisiert wie ganz selten - vielleicht nicht für alle, aber doch für viele. Was ist passiert?

Unglaubliches: der große Jürgen Klopp heuert nämlich bei Red Bull an, wird "Global Head of Soccer“ und dabei sollte doch schon die Bezeichnung für diesen Posten alles sagen. Ja, da kann man schon mal heftig staunen, denn vor wenigen Monaten kündigte er noch tränenreich seinen Vertrag als Trainer des FC Liverpool, ausgebrannt und des Jobs überdrüssig, wollte er sich nur um sich selbst kümmern, die große Bühne schien passé, möglicherweise für immer oder doch zumindest für sehr lange. Dabei hätte er beinahe jeden Job in der Fussballwelt kriegen können, allein als deutschen Nationaltrainer hätten sich ihn so viele gewünscht, Spieler, Fans, Funktionäre - denn selten gab es einen Trainer, der dermaßen gut in der Außendarstellung war: so authentisch und schlagfertig, so nahbar und normal, so emotional und so intelligent.

Und ja, ein guter Trainer ist er fraglos auch noch. Es gibt eigentlich kaum einen zweiten, der so brillant rüberkommt, so einen breiten Konsens erreicht, bei dem dermaßen viel zu stimmen scheint und dem der Erfolg so dauerhaft treu bleibt, weit über zwanzig Jahre immer unter Vertrag, nie entlassen, alle großen Vereinstitel gewonnen, in jedem Verein eine Legende - ein Tausendsassa und dabei so unheimlich sympathisch und das über alle Vereinsgrenzen hinweg, so einen müsste man erfinden, wenn es ihn denn nicht schon gäbe - ein Vorbild, das aber offenbar nicht so leicht zu kopieren ist, eine Lichtgestalt gar, zumindest mittlerweile. Und dieser Jürgen Klopp lässt sich ausgerechnet bei einem Konzern anheuern, der eigentlich für alles steht, was man am und im modernen Fussball so verabscheuen kann: Kommerzialisierung bis zum Get No, Retorte, der Sport als, in erster Linie, Vermarktungsinstrument. Und dass, nachdem er doch solche Vereine wie Mainz, Dortmund und Liverpool trainiert hat, die zwar auch am Tropf des Kapitalismus hängen, aber doch nicht ganz so unverhohlen und ausschließlich wie die Kinder des Konzerns mit der so miesen Brause.

Was die Red Bull GmbH davon hat, ist schon klar: mit ganz wenigen Leuten aus der Branche könnte man mit einem Schlag sein Image dermaßen aufpolieren, kaum einen Spieler könnte man verpflichten, der so viel Aufsehen erregen, so als Aushängeschild fungieren könnte, das know how von JK wird da ja fast zur Nebensache - die Fachwelt ist sich einig, das ist ein Coup sondergleichen, ein großer Move, besser geht’s gar nicht, voll auf die Zwölf. Doch warum macht Jürgen Klopp das? Okay, er wird seine Bedingungen durch die Bank weg formuliert und durchgesetzt haben, ich gebe zu, das hat schon was - wer würde das nicht gern? Und an den Hebeln der Macht bei gleich fünf Vereinen (Tendenz steigend), das ist sicherlich ebenso attraktiv. Dazu viele Möglichkeiten, wenige Grenzen - keine Frage, auch das hat schon was. Nichtsdestotrotz ist das eigentlich schwer zu verstehen. Wie kann man sich seine Biographie so gründlich auf den vorletzten Metern des Arbeitslebens versauen, wenn man so gut dasteht, die ganz große Auswahl hat? Denn auch für den Nichtromantiker (und er gab und gibt sich als Fussballromantiker schlechthin) muss doch klar sein: die Unternehmung Red Bull Soccer ist keine wie alle anderen, das ist, neben Scheichfussball, großen Investoren und der FIFA, mit die traurigste und schäbigste Fratze im Profisport.

Gut, es mag vielleicht Leute geben, die können sich die Chance RB, als Spieler, Trainer oder Funktionär, nicht so einfach entgehen lassen, aus karrieretechnischen oder finanziellen Erwägungen - aber da gehört Jürgen Klopp nun wirklich nicht dazu, in keinster Weise. Also warum? Ich denke, zugegeben küchenpsychologisch und auf der Suche nach Erklärungen (seine Videobotschaft kann mich nicht recht überzeugen), an zwei Dinge. Da sind erstens: seine unübersehbaren Zähne. Welcher Mensch, außer Stefan Raab, lässt sich so sichtbar falsche und nur vermeintlich perfekte Zähne machen? Viel zu groß, viel zu weiß, viel zu einheitlich. Das kann man, zumal mit finanziellen Möglichkeiten, sehr viel besser und unauffälliger hinkriegen (Bastian Schweinsteiger z. B. hat das irgendwann auch begriffen) - Faustregel: selbst der Fachmann muss rätseln, ob das Gebiss gemacht ist oder nicht, dann ist es erst wirklich gut. Dazu kommen seine transplantierten Haare und die weggelassene Brille - klar, kann man alles machen, die Möglichkeiten gibt es mittlerweile, warum auch nicht - aber es weist in Summe doch auf einen ziemlich eitlen Menschen hin (auch und gerade, weil er nicht so tut!!), der dazu nicht so reflektiert ist, wie er sich gibt (und offenbar auch nicht so gut beraten wird).

Und die Macher von RB werden ihm im Vorfeld schon ordentlich geschmeichelt und hoppe hoppe Reiter mit seinem Ego gemacht haben und das scheinbar überaus geschickt, denn ansonsten hätte er seine Auszeit, sehr groß angekündigt und lauthals auf länger angelegt, nie und nimmer so schnell sausen lassen (gut, er muss nicht mehr täglich auf dem Trainingsplatz stehen, aber das hätte er als Nationaltrainer ja auch nicht). Und zweitens: er wird sich überaus fürstlich für den Job bezahlen lassen und dass Geld dem bodenständigen Schwaben sehr wichtig ist, beweist allein schon die seit vielen Jahren andauernde Omnipräsenz des Jürgen K. in der Werbung, man kann ihm eigentlich kaum entrinnen, er hält sein Gesicht beinahe wahllos und hintereinanderweg für buchstäblich alles in die Kamera, ob für Bier, Autos (im Laufe der Zeit gleich für drei Marken: Mitsubishi, Seat und Opel), Bank, Versicherungen, Sportklamotten oder Rasierklingen (die Liste ist tatsächlich noch um einiges länger) - wenn man in den verschiedenen Medien ein wenig unterwegs ist, sieht man ihn am Tag unweigerlich mehrere (und längst zu viele) Male, dabei dürfte er schon lange kein wirkliches Existenzproblem mehr verspüren.

Mondänität (im besten Sinne), Haltung und Maß sind ihm da offenbar schnurz, Hauptsache, es kommt nochmal Summe X aufs bereits gefüllte Konto dazu und das für minimalen Aufwand. Und so bleiben, aus meiner Sicht, logischerweise wohl nur Eitelkeit und Gier die treibende Kraft bei diesem schnellen neuen Job, darum lässt man sich auf so etwas ein, alle anderen Motivationen sind letztlich lediglich Beiwerk. Es ist im Grunde nur ein weiterer Werbeauftrag, vielleicht mit gewissen Vorzügen.

Eins ist klar - natürlich kann der ehemalige Trainer (würde mich allerdings nicht wundern, wenn er irgendwann bei einem Verein des Konzerns nochmal einsteigt) Jürgen Klopp arbeiten, für wen er will, ist er niemandem Rechenschaft schuldig. Aber er muss auch damit leben, dass man ihn jetzt, zumindest in weiten Kreisen, für immer in einem anderen Licht sehen wird: der so unfassbar sympathische Gewinner Jürgen K. wird irgendwie zum weniger sympathischen Verlierer, dem der Fussball erst in dritter oder vierter Instanz wichtig ist. Ach, Jürgen, musste das denn wirklich sein?

9. Oktober: Union-Impressionen in der Länderspielpause

Union-Coach Bo Svensson (45, M.) kann die Länderspielpause nutzen, um seine Handschrift weiter auf die Mannschaft zu übertragen.  © Soeren Stache/dpa

Icke: Dortmund ist geschlagen. Wir thronen komfortabel auf Platz 6, punktgleich mit dem 5. der Tabelle. Auch das nächste Spiel in Kiel ist nicht wirklich angsteinflößend. Ob wir dort nun gewinnen ist noch offen, machbar ist es aber durchaus. Die 100 Tage Schonfrist, die jeder Trainer hat, sind auch vorbei. Und mit fröhlichen Gesichtern sehen wir eine neue Handschrift vom neuen Trainer. Bo Sverisson hat unsere Abwehr wieder dicht gemacht. Die Abwehr mit Doekhi, Vogt und Leite, dazu Khedira als 6er davor und Rönnow im Tor dahinter - dieses 5er Bollwerk sucht seinesgleichen. Aber auch vorn hat Bo aktuell gezeigt, dass er Dinge richtig einzuschätzen vermag. Eine wahnsinnige Geduld hatte er mit der Mittelstürmer-Besetzung. Erfolglos. Nun hat er wohl gegen Dortmund das einzig Richtige gemacht: Er verzichtete auf einen echten Mittelstürmer und brachte drei bewegliche Stürmer. Mit Erfolg. Hollerbach überragte dabei. Vertessen zeigte wieder seine Torgefährlichkeit und Jeong spielte mehr den Vorbereiter und Koordinator. Wenn dann noch die Außen funktionieren, wie in diesem Fall Rothe und Trimmel, dann können wir es uns auch erlauben, auf der Doppel-Sechs neben Khedira den 20-jährigen Kemlein zu bringen. Und wie das Eigengewächs einschlug. In der 25.Minute schaltete er am schnellsten, sein Pass auf links zu Hollerbach, war entscheidend für unser 1:0. Das ist unsere Basis auch für die kommenden Spiele. Wenn jetzt auch noch Skov und Volland dazukommen, könnte es noch spannender werden.

Ob wir nun im Winter bezüglich eines Mittelstürmers noch einmal nachlegen, wird davon abhängen, ob wir den einen oder anderen Knipser aus unserem großen Portfolie abgeben können. Bedia konnten wir schon verleihen. Der spielt bei Hull City im Stamm, schießt Tore und könnte durchaus dableiben wollen. Aber es tummeln sich noch Jordan, Prtajin und Ilic. Dazu kommt Volland aus seiner Verletzung zurück. Ilic und Prtajin haben noch gar keine Chance bekommen. Wäre prima, wenn wir sie auch einmal spielen sehen. Ich möchte mal vermuten, wenn wir mindestens zwei, im Idealfall drei unserer Center abgeben (oder verleihen) können, wird ein neuer Mittelstürmer kommen. Und ich lehne mich einmal weit aus dem Fenster … im Winter hat Sparta Rotterdem die letzte Chance, eine Ablöse für den Norweger Tobias Lauritsen zu bekommen. Danach ist er ab dem nächsten Sommer ablösefrei. Aktuell liegt er bei 2 Treffer und 1 Assist in 8 Spielen. Letzte Saison waren es 13 Tore und 9 Assists. Vor zwei Jahren 15 + 5. Er schießt nicht die gegnerischen Netze kaputt, trifft aber regelmäßig. Schon immer. So eine Latte (1,96 Meter) würde uns sehr gut tun! Und Lauritsen steht auch nicht so extrem im Fokus wie andere Stürmer. In der Nationalmannschaft ist an Haaland natürlich kein vorbeikommen. Dahinter tummeln sich aktuell Sörloth und Strand Larssen. Und noch ein Tipp an die Hertha, ihr sucht doch einen neuen Mittelstürmer, wir haben reichlich davon. Würde das nicht Sinn machen?

Auf der letzten Mitgliederversammlung verkündeten wir - nicht zum ersten Mal - ziemlich gute Zahlen. Wieder konnte ein kleines Plus erwirtschaftet werden. Das ist natürlich auch notwendig, weil wir für unsere vielen zukünftigen Bauvorhaben auch Finanzierungen benötigen. Und diese sind wiederum davon abhängig, ob unser Verein auch Eigenkapital besitzt. Hier scheinen wir auf einem guten Weg. Und wir legen noch einen drauf. In dem wir die Erfolgs-Geschichte Stadion-Aktie wiederholen. Eine Kapitalerhöhung bis zu 60 Millionen Euro wäre so möglich. Ganz ohne Kredite, Verschuldungen oder sonstige Verpflichtungen. Mit einer Kleinigkeit allerdings bin ich nicht einverstanden. Das neue Stadion-Modell à la 2024 wurde vorgestellt. Bei einer Zuschauer-Kapazität von insgesamt 40.000 existieren nur 8.000 Sitzplätze. Das ist doch wieder zu wenig. Dazu muss ich kein Experte sein. Warum machen wir es nicht gleich richtig und bringen 12.000 Sitzplätze (besser noch 14.000) unter. Dann müssen wir die kommenden Jahrzehnte mal nicht (wieder) bauen. Wäre ja auch mal ganz cool. Nicht neu ist - auch Unioner werden älter. Und demografische Prozesse können wir mitnichten umgehen. Dazu kommt die unumstößliche Tatsache, dass wir (wirklich) jedes Jahr einen Zuwachs an Sponsoren zu verzeichnen haben. Und die wollen (meistens) auch sitzen. Und wie schaffen wir es, zukünftig mehr Mitglieder zu den Versammlungen zu locken? Lasst uns im Oktober nicht in der freien Natur der Kälte und Feuchtigkeit trotzen. Ein Verein mit knapp 200 Millionen Umsatz kann sich einmal im Jahr auch eine Halle leisten.

Am Donnerstag um 14 Uhr wird im hauseigenen TV-Sender AFTV ein Live-Stream für das Trainingsspiel gegen Pogon Stettin übertragen. Eine gute Gelegenheit zu schauen, wie sich die zweite Garnitur von Union anstellt. Und wer lieber seichte Unterhaltung mag, Max Kruse lümmelt sich gerade bei Big Brother und beglückt uns jeden Abend. Seine fußballerischen Taten bei uns haben mir allerdings glatt besser gefallen. Eisern.

6. Oktober: Pokussia 2, Borussia 1 - ein großartiger Heimerfolg gegen Dortmund

Union Berlin darf sich über einen verdienten Heimsieg gegen Borussia Dortmund freuen.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Dass man gegen einen Gegner wie Borussia Dortmund, der zwar in der gleichen Spielklasse spielt, aber eben doch in einer ganz anderen Liga, etwas Glück gebrauchen kann, ist ja klar. Also werden das wiedererstarkte Heimspielhemd angezogen (seit letztem Spieltag der vergangenen Saison wieder im Dienst), das richtige Feuerzeug eingesteckt und sonst noch einige kleinere Rituale eingehalten, aber das wichtigste Ritual ist, dass ich mich von der großartigen Katzenqueen herself direkt vorm Losgehen mit einem dicken Pokuss verabschiede, nun ja, es ist eigentlich eher der Oberschenkel, je nachdem, welcher gerade oben liegt.

Und zack, sehen wir eine sehr couragierte und aufmerksame erste Hälfte, in der Union relativ hoch presst und sich munter seine Möglichkeiten herausspielt und dabei kaum Chancen des Gegners zulässt und solchen Ligagrößen wie Guirassy beinahe aus dem Spiel nimmt, wenn man mal von einer Chance nach siebenunddreißig Minuten absieht, als er einen Schuss von Can knapp neben das Tor abfälscht.

Da führen wir schon, denn Startelfdebütant Kemlein erobert vorm eigenen Strafraum blickig den Ball und schickt mit einem perfekten langen Schlag Hollerbach, der tanzt Schlotterbeck aus, der sein Bein ausfährt und den Stürmer klar am rechten Fuss trifft - unstrittiger Strafstoß. Und wer tritt an? Der, auf den ich wohl so ziemlich als letzten Spieler getippt hätte, aber ich weiß natürlich nicht, dass der Junge im Training schon mal fleißig geübt hat: Kevin Vogt haut das Ding kompromisslos hoch rechts rein, Kobel ahnt zwar die Ecke, hat jedoch keine Chance. Das letzte Mal hat der Abwehrboss vor beinahe zehn Jahren getroffen (übrigens gegen Dortmund) - guter Zeitpunkt für sein viertes Tor in immerhin 341 Bundesligaspielen und obendrein ein Rekord, so eine Lücke nach dem letzten Treffer hat in über sechzig Jahren Bundesliga niemand aufzuweisen, nicht mal annähernd.

Und wir machen weiter, so rutscht Khedira kurz danach nur knapp an einer Hollerbach-Flanke vorbei und dann gibt es kurz vor der Pause, nach einer vielversprechenden Gelegenheit für den quirligen Jeong, nochmal Ecke. Die wird zwar zunächst abgewehrt, aber im Getümmel kommt Vertessen an der Strafraumgrenze an den Ball und haut das Ding mit dem rechten Außenrist unten links rein, ja, unser Belgier hat schon eine geile Schusstechnik! Und die Führung nehmen wir in die Pause mit - das ist bis hierher ganz stark gespielt, beinahe optimal.

Die zweite Hälfte sieht logischerweise aufkommende Dortmunder, wir verteidigen gut und leidenschaftlich (unterm Strich sind wir am Schluss fast neun Kilometer mehr gelaufen!!) und kommen durch gute Balleroberungen selbst zu echten Chancen durch Vertessen, Hollerbach und Skarke - ein drittes Tor ist also durchaus drin. Stattdessen sind wir zum zweiten Mal in einer Art Kontersituation etwas unsortiert (das erste Mal kann Rönnow noch ebenso klasse wie cool gegen Beier retten) und der sattsam bekannte Ryerson hat zu viel Platz auf links und schiebt den Ball durch Doekhis Beine gekonnt ins lange Eck - ich weiß schon, warum ich mir das "Fussballgott" für ehemalige Spieler beim Kontrahenten grundsätzlich spare (Bülter hatte ja schon das letzte Heimspiel gegen uns getroffen, übrigens ganz ähnlich)… Das ist ein bisschen unnötig und schade, das geht, für meinen Geschmack, etwas zu leicht, aber gut, kann schon passieren, wenn man relativ hoch presst. Und es ist noch ne gute halbe Stunde Zeit für den Gegner, auszugleichen oder gar das Spiel zu drehen und die Spieler haben sie dazu zweifellos.

Doch so seltsam das klingt, Borussia kommt, mit all den hochgelobten Nationalspielern, bei aller Ballsicherheit und mit massig Ballbesitz zu keinen wirklichen Gelegenheiten mehr, unsere Jungs werden nicht wirklich nervös, der gewohnt sichere Rönnow geht seiner Lieblingsbeschäftigung nach (Flanken pflücken) und wir können einige gute Kontergelegenheiten nicht nutzen, da wäre ein spielerisch starker Spieler wie Benes Gold wert gewesen, aber der bleibt neunzig Minuten auf der Bank, genauso wie Skov (stattdessen bringt er tatsächlich Jordan, der irgendwie in diesem Spiel deplaciert wirkt), kann ich nicht so recht nachvollziehen, auch Vogts Auswechslung ist seltsam (aus Vorsicht wegen der frühen Gelben Karte oder eine leichte Verletzung?), aber der Erfolg gibt dem Trainer natürlich recht. Gleichwohl wird es natürlich für das tobende Stadion ein Zittern bis zum Schluss, denn ein Tor Vorsprung ist nichts, jedenfalls bis zum Abpfiff und wir haben ja gerade vor einer Woche leidvoll erfahren, wie man in letzter Minute noch einen Gegentreffer fängt - diesmal hätte es uns sogar zwei Punkte gekostet, doch alles wird gut, wir sind schlussendlich der verdiente Sieger. Unterm Strich steht eine tolle kämpferische Leistung mit den eben erhofften offensiven Glanzlichtern, so ein bisschen will uns Dortmund schon gern ausmurmeln, den satten Champions-League-Sieg gegen Celtic Glasgow im Hinterkopf, aber wir nehmen ihnen schön den Spielspaß weg, das hat jetzt schon zum vierten Mal geklappt. Klar, wir machen natürlich nach einer Zwei-Tore-Führung nicht auf und ja, der Gegner stolpert auch mit seinen achtzig Millionen Transferausgaben so ein wenig über seine eigene Arroganz, aber wie wach und konsequent unsere Mannschaft die eigentliche Unterlegenheit kompensiert, das ist, bis auf Kleinigkeiten, ohne Fehl und Tadel, eine tolle Leistung, so wird's gemacht, die Alte Försterei wird wieder zur Festung.

Noch ein oder zwei Worte zu Schiedsrichter Tobias Reichel (normalerweise halte ich mich ja da eher zurück): Cans Handspiel nach vierundfünfzig Minuten wäre wenigstens eine Monitorbetrachtung Wert gewesen, den Elfmeter kann man nämlich durchaus geben. Dazu insgesamt sieben gelbe Karten in einem weitgehend fairen Spiel, aber den schon verwarnten Schlotterbeck nach seinem Foul gegen Hollerbach, der zum Elfmeter führt, nicht ganz konsequent und logisch mit der zweiten Gelben vom Platz zu schicken, nun ja. Aber woher die sechs Minuten Nachspielzeit kommen, ohne große Unterbrechungen in der zweiten Hälfte, das weiß, ehrlich gesagt, niemand. Und dann daraus auch fast acht Minuten zu machen - bis zum letzten Freistoß aus aussichtsreicher Position: nein, ein Heimschiedsrichter, vorsichtig gesagt, ist der Sindelfinger nicht gerade, ganz und gar nicht. Wenn das schiefgegangen wäre, dann hätte ich sicherlich Schaum vorm Mund gehabt.

Aber, aber, aber - da ist ja noch das magische Ritual, gegen das ist vorerst kein Kraut gewachsen, und so bleiben die drei Punkte in der Alten Försterei, heißt der verdiente Endstand: Pokussia/Union 2, Borussia/Dortmund 1. Feines Mädchen, oh ja.

4. Oktober: Kreativität und Kopfballtore

Am Samstag ist Borussia Dortmund zu Gast in der Alten Försterei.  © Andreas Engelhardt/dpa-Zentralbild/dpa

Unionfux: Nun kommt am Samstag die andere Borussia in die Alte Försterei und die ist nicht unbedingt unser Lieblingsgegner, doch zumindest die Heimbilanz gegen die Dortmunder Borussia ist positiv: Drei Siege stehen zwei Niederlagen gegenüber. Besonders unser erster Sieg vor gut fünf Jahren dürfte allen noch gut in Erinnerung sein, denn damals schlug der gerade aufgestiegene David Union in einer überkochenden Alten Försterei den scheinbar unbezwingbaren Goliath Dortmund mit 3:1 - es war gleichzeitig unser erster Sieg in der Bundesliga.

Jetzt sind die Vorzeichen mit Sicherheit nicht mehr ganz so dramatisch, aber es gibt fraglos leichtere Gegner als Dortmund, die sich zwar in der Liga bisher nicht ganz so leicht wie erwartet tun, aber unter der Woche in der Champions League gegen Celtic Glasgow mächtig aufdrehten: So ein 7:1 ist schon eine Hausnummer! Besonders Karim Adeyemi konnte sich mit drei Toren hervortun, doch der zog sich zu Beginn der zweiten Hälfte einen Muskelfaserriss zu und wird gegen uns also fehlen, zugegeben nicht unbedingt ein Nachteil. Nichtsdestotrotz sind die Dortmunder schon der Favorit, aber damit können wir leben, denn wir tun uns bekanntermaßen mit dieser Rolle ohnehin schwer.

Auf jeden Fall sollten wir, bei aller gebotenen Vorsicht, nicht ganz so passiv wie zuletzt auftreten, auch wenn natürlich damit zu rechnen ist, dass das Spiel nicht von uns aufgezogen und der Gegner sehnsüchtig auf Räume lauern wird. Doch neunzig Minuten nur hinten drin zu stehen, kann, zumal in der Alten Försterei, nicht die Lösung sein. Ein Benes in der Startelf wäre zwar nicht das Allheilmittel, aber zumindest ein Zeichen an die Mannschaft, etwas offensiver in die Partie zu gehen, zudem kann uns die technische Beschlagenheit des Achters helfen. Dazu vielleicht noch Skov, für den das genauso gilt, da könnte auch mal eine Flanke im Strafraum ankommen. Wir erinnern uns: Das letzte Kopfballtor für uns machte Robin Knoche in Köln und davor - ja, Danilho Doekhi im Februar gegen Wolfsburg und mehr Kopfballtreffer gab es dieses Jahr tatsächlich noch nicht zu verzeichnen. Keine Frage, da gibt's also noch jede Menge Luft nach oben.

Ich weiß ja, dass Bo Svensson nicht so gern herumexperimentiert, aber "never change a winning team" gilt ja seit letzter Woche auch nicht mehr so ganz. Und namentlich - die beiden Spieler sind schon in der Lage, der bisher oft fehlenden Kreativität etwas auf die Sprünge zu helfen - ein Versuch wäre es, aus meiner Sicht, doch wert.

Im Übrigen konnte unser Verein gerade eine Menge Geld sparen, denn der Fischer-Nachfolger und Svensson-Vorgänger Nenad Bjelica steht seit letzter Woche nicht mehr auf unserer Gehaltsliste, er hat nämlich einen langfristigen Vertrag bei Dinamo Zagreb unterschrieben, mit denen er ja auch in der Vergangenheit schon zwei Meistertitel einfahren konnte. Am Mittwoch spielte er mit seiner neuen Mannschaft 2:2 gegen den AS Monaco und sah kurz vor Schluss die Gelb-Rote Karte - im Osten nichts Neues also.

Und Chris Bedia hat für Hull City sein erstes Tor erzielt und konnte so zum Auswärtssieg bei den Queens Park Rangers beitragen. Wunder gibt es immer wieder heute oder morgen können sie geschehen … Nun würde ich einen Heimsieg gegen Dortmund nicht direkt als Wunder bezeichnen oder gar als etwas Neues, aber eine Ansage wäre es doch allemal.

1. Oktober: Bekommt jetzt Benes eine Startelf-Chance?

Union Berlins Laszlo Benes (27, 2. v. l.) lässt sich nach seinem Treffer gegen Mainz von den Teamkollegen umjubeln.  © Torsten Silz/dpa

Icke: Seit dem 5. Februar 2015 ist Benes Profi-Fußballer. Borussia Mönchengladbach erkannte früh sein Talent und verpflichtete ihn zur Saison 2016/17 für stolze fünf Millionen Euro. Auf Leihen nach Kiel und Augsburg folgte ein Verkauf zum HSV für "nur noch" 1,5 Millionen. Dort startete er so richtig durch.

Er war Dreh- und Angelpunkt, schoss Tore, verwandelte Freistöße und war – um es einfach auszudrücken – der beste Spieler beim HSV. Parallel dazu spielt er seit 2017 auch in seiner slowenischen Nationalmannschaft. 26 Länderspiele absolvierte er.

Das fiel auch in Berlin-Köpenick auf und uns war die Verpflichtung drei Millionen Euro wert. Für die heutige (verrückte) Zeit fast ein Schnäppchen. Beim HSV, der ein klassisches 4-3-3 mit zwei Achtern spielte, war Benes einer der zwei zentralen Mittelfeldspieler. Wir spielen mit Doppel-Sechs oder mit einer 8 neben der 6. Je nachdem, ob Svensson mehr defensiv oder mehr offensiv spielen möchte, bringt er Tousart oder Schäfer. Bisher jedenfalls.

Benes war einmal in der Startformation (in Leipzig), spielte aber auf der linken (halb-)offensiven Seite. Er ist zwar ein Linksfuß, man sah aber, dass ist nicht seine Position. Seine stärksten Szenen hatte Benes zentral. Auch wichtige Tore kann er. Das zeigte er gleich im ersten Spiel. Kurz vor Schluss eingewechselt, sicherte er uns in Mainz einen Punkt.

Seit 2015 absolvierte Benes 228 Pflichtspiele. Dabei gelangen ihm 30 Tore selbst und 43 Tore bereitete er vor. Von den 228 Spielen wurde er 113 Mal als zentraler Mittelfeldspieler eingesetzt. Die Mehrzahl aller Tore (25 von 30) gelangen ihm auf dieser Position. Auch 32 von gesamt 43 Tor-Vorbereitungen erzielte er als ZM (zentraler Mittelfeldspieler). Als Linksaußen absolvierte er nur zwei Spiele, eins davon bei uns. Dass Benes wirklich sehr zentrallastig ist, zeigen seine zweitmeisten (und drittmeisten) Einsätze als offensiver Mittelfeldspieler (29) und 14 Spiele als defensiver Mittelfeldspieler. Alle anderen von ihm gespielten Positionen liegen im einstelligen Bereich.

Auffällig dabei ist, in seinen 29 Spielen als offensiver Mittelfeldspieler erzielte er nur ein Tor (bei sieben Assists). Die Zahlen lügen nicht. Am wohlsten fühlt sich Benes auf der "8" – als zentraler Mittelfeldspieler. Neben dem einen Spiel bei Union, in der er in der Startformation stand, wurde er immer – also viermal - kurz eingesetzt. Immer offensiv, gegen St. Pauli übernahm er zum Beispiel den Part von Vertessen, als einer von zwei Doppelzehner hinter dem Mittelstürmer.

Man kann Svensson verstehen, Benes hat theoretisch die technischen Möglichkeiten, als auch die Schusstechnik – auch ganz vorn etwas zu bewegen. So richtig wohl fühlt er sich aber, wenn er auf der "8" spielt. Tore und Vorlagen, als auch die Anzahl der Positionseinsätze belegen das deutlich. Schäfer hat bei Svensson aktuell die Nase vorn, wenn es gilt – etwas offensiver zu agieren. Eventuell würde Union enorm davon profitieren, so Benes mal eine Chance auf "seiner" Position erhält.15 Tore und 12 Tor-Vorbereitungen in der letzten Saison als (Doppel-)Achter sollten uns das „Experiment“ wert sein.

Natürlich spielen wir ein gänzlich anderes System. Trotzdem möchte ich neben Khedira auch einmal Benes spielen sehen. Dass wir unsere spielerische Komponente verbessern müssen, sieht jeder und formuliert auch der Trainer so. Das unser zentrales Mittelfeld quantitativ überbesetzt ist, sieht man. Solange Schäfer und Tousart aber auf dieser Position keine Top-Leistungen bringen, hätte Benes eine Chance verdient.

Warum Svensson Schäfer gegenüber Benes – als offensiver Part – neben der "6" vorzieht, ist mir schon klar. Zu besten Zeiten spielte Schäfer auch in der Balleroberung sehr aggressiv und war oft erfolgreich. Auch ist Schäfer als Kämpfer gegen den Ball bekannt. Nur zeigt er das aktuell nicht. Nach seiner schweren Verletzung hat er seine alte Form noch nicht zurück. Wer sagt uns denn, dass Benes nicht einschlägt wie eine Bombe! Ich würde mich freuen, ihn auf "seiner Position" gegen Dortmund zu sehen. Einigeln gegen den BVB funktioniert sowieso nicht! Eisern.

29. September: Die Mittelstürmer-Problematik in Köpenick

Bo Svensson (45) muss sich ernsthafte Gedanken über die mangelnde Torgefahr seiner Stürmer machen.  © Federico Gambarini/dpa

Icke: Das erste Mal im fünften Spiel hat es uns nun erwischt und wir sind punktlos geblieben. Das ist kein Drama und würde auch keine Fragen aufwerfen, wären da nicht noch andere (kleine) Dinge. Warum ein Schiedsrichter - ohne längere Verzögerungen in der 2. Halbzeit - meint, nun acht Minuten nachspielen zu müssen und damit den Gladbacher Sieg erst möglich macht, das wird für immer sein Geheimnis bleiben und soll auch hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

"Ändere nie eine erfolgreiche Mannschaft", so steht es in der Fußball-Verfassung unter Paragraph 1. Man muss sich jetzt aber nicht zwingend daran halten. So lautet jedenfalls gleich der Paragraph 2. Unser Mittelstürmer Jordan steht immer wieder in der Startformation. Eine Vorlage steht bei null Toren und keinerlei Sprints in die Spitze zu Buche. Gefährliche Kopfbälle? Kann ich mich an einen (oder waren es zwei?) erinnern. Das ist in fünf Spielen zu dünn. In Gladbach war Hollerbach derjenige, den Rothe mit seinen Zuspielen - am/im Fünferraum fand. Gleich zweimal hintereinander. Eigentlich steht da die "9".

Aber das wäre es eigentlich alles nicht wert zu hinterfragen, würden nicht die Neuzugänge Ilic und Prtajin auf der Tribüne sitzen. Warum haben wir die beiden geholt? Jordan trifft nicht und ist kaum torgefährlich und die beiden sitzen nicht einmal auf der Bank? Auch Asanji, Top-Torjäger der Junioren bekommt keine Chance. Nachdem er im letzten Jahr Tore und Vorlagen am Fließband produziert hatte, steht er auch in dieser Saison schon wieder bei acht Toren im 8. Pflichtspiel (Liga und Pokal). Dazu kommen noch drei Torvorlagen. Bedia, den wir im Januar dieses Jahres für immerhin zwei Millionen holten, haben wir inzwischen wieder verliehen. Was läuft bei unseren Mittelstürmern falsch? Für Prtajin haben wir immerhin auch eine Million hingelegt. Ilic ist ausgeliehen worden. Ehrlich gesagt, verstehe ich unsere Personalpolitik an dieser Stelle nicht mehr. Es ist an der Zeit, etwas zu ändern. Keine Ahnung, was Svensson in Jordan sieht, er ist sichtbar ungefährlich. Aber wir brauchen "sichtbar gefährlich".

Wenn er Mut hat, bringt er Asanji. Mindestens aber Ilic oder Prtajin muss er jetzt einmal die Chance geben, sich zu zeigen. Sonst werden die Fragezeichen immer größer und es versteht dann keiner mehr. Ein Einsatz von Asanji hätte noch den Vorteil, dass uns der junge Mann über die Saison hinweg vielleicht erhalten bleibt. Sonst ist er GANZ sicher weg. Aber egal, wer da spielt, wir benötigen die Torgefahr, die sonst von einer "9" ausgeht. Da wir genügend Mittelstürmer haben, müssen wir testen, wer die beste Option für uns ist. Jordan wurde jetzt fünf Mal getestet und für zu leicht befunden. Wir werden es gegen den BVB sehen. Der Vorteil - nicht gewonnen zu haben - liegt darin, dass sich Svensson nicht mehr auf Paragraph 1 berufen kann. Eisern.

28. September: Verdammte Nachspielzeit - vermeidbare Niederlage in Gladbach

Danilho Doekhi (26, l.) und Rani Khedira (30) sind nach der späten Niederlage frustriert.  © Federico Gambarini/dpa

Unionfux: Es ist natürlich zum Kotzen, wenn der Gegner mit der einzigen echten Chance der zweiten Hälfte, dazu auch noch tief in der Nachspielzeit, das entscheidende Tor macht, zumal man da ausnahmsweise etwas unaufmerksam ist: So wird Hack nach einem schnellen Einwurf nicht an der leider guten Flanke gehindert und Cvancara kann seine 1,90 ausnutzen und wuchtig einköpfen. Das ist verdammtes Pech, aber zugegeben nicht nur, diese Erklärung wäre zu einfach.

Denn man muss auch sagen, dass wir über die gesamte Spielzeit (wieder mal) schlicht und einfach zu wenig nach vorn angeboten haben. So ist Vertessens Schuss nach sechsundachtzig Minuten und toller Vorlage von Benes an den linken Außenpfosten auch unsererseits der einzige nennenswerte Abschluss, wenn man mal von wiederum Benes' Schuss direkt vor dem Abpfiff absieht, denn den hat Nicolas sicher.

Manchmal wird man eben für das unzureichende Angriffsspiel bestraft, in einer ohnehin chancenarmen Partie, in der Gladbach in der ersten Hälfte zwar mehr vom Spiel hat und eine ausgezeichnete Möglichkeit durch Stöger nach einer knappen halben Stunde. Aber so wirklich stark ist der Gegner nicht an diesem Nachmittag, auch wenn er unbestritten passsicherer ist und mehr Ballbesitz hat und öfter vielversprechend auf den Außen durchkommt - viel zu tun hat Rönnow nicht.

Doch unserem Mittelfeld fehlt es weiterhin an Kreativität, da hätte Benes ruhig schon früher eingewechselt werden können, um das Nachlassen der Heimmannschaft für sich zu nutzen, denn Khedira und Schäfer sind, bei all ihren wichtigen Qualitäten, nicht erst seit gestern kaum die Spieler, die sich durch überraschende Ideen und Vorbereitungen auszeichnen, geschweige denn mal gefährlich zum Abschluss kommen. Wenn dazu noch keiner der seltenen Standards irgendwelche Gefahr ausstrahlt, dann kann und muss man mit dem Punkt hochzufrieden sein - wenn eben kurz vor Schluss nicht einmal die absolute Ordnung in der Abwehr fehlt, wobei das logischerweise schon mal passieren kann, und das dann auch noch erfolgreich ausgenutzt wird.

Jetzt steht man am Ende dummerweise mit leeren Händen da und kann sich nicht einmal so recht beklagen, auch wenn der so späte Gegentreffer selbstverständlich unglücklich ist - und eben zum Kotzen. Unterm Strich muss man also die erste Niederlage der Saison hinnehmen, gegen einen Kontrahenten, der seit einem halben Jahr zu Hause nicht gewinnen konnte, gegen den wir seit Ewigkeiten nicht verloren haben und unser Trainer gar noch nie. Aber was nutzt das schon?

Uns bleibt für dieses Mal nur die schlechte Laune und die wiederholte Erkenntnis, dass noch eine Menge zu tun ist, damit man, insbesondere auswärts, nicht nur reagiert, sondern eben dem Spiel, wenigstens zwischenzeitlich, auch mal seinen Stempel aufdrückt, zumal bei einem Mitbewerber, der eigentlich zu packen ist. Nur mit reinem Verteidigen ist es nämlich auf die Dauer nicht getan. Der nächste Schritt, auf den wir im Vorfeld nicht ohne Grund gehofft haben, lässt also noch einen Moment auf sich warten. Das Potential ist, wie schon festgestellt, ja durchaus da - nur zeigen muss man es.

26. September: Wie gut ist Union?

Aktuell hat Union Berlin einen guten Lauf.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Keine Frage: die Saison ist sehr gut gestartet, ein Schnitt von zwei Punkten pro Partie übertrifft wohl alle Erwartungen, die man insbesondere nach der schwierigen Transferphase und dem äußerst übersichtlichen Start im Pokal beim Viertligisten Greifswald hatte.

Im Moment steht man besser da als Dortmund oder Stuttgart, ist gleichauf mit dem Brauseverein und ist nur einer von drei bisher ungeschlagenen Vereinen. Da gibt’s nun wirklich nichts zu meckern - aber trotzdem wird gerätselt: Wie gut sind wir eigentlich?

Denn so richtig umgehauen wurde man bisher noch nicht, das Pferd sprang bis jetzt nur so hoch, wie jeweils nötig. Aber das kann ja nur heißen: Da ist noch wesentlich mehr drin. Gerade die letzte Heimbegegnung gegen Hoffenheim konnte in der ersten Hälfte doch ziemlich begeistern, um so mehr war man erstaunt, wie dann in der zweiten Hälfte das Spiel dem Gegner überlassen wurde, wir offensiv kaum noch stattfanden und meistenteils nur noch reagierten statt zu agieren.

Sicher, wir konnten uns auf unsere konsequente und leidenschaftliche Abwehr verlassen, aber speziell nach dem Anschluss wurde es eng, denn wir wissen alle - da muss nur eine perfekte Flanke, ein guter Standard kommen oder ein Spieler kriegt den Ball perfekt auf den Schlappen - und dann haben wir einfach mal unnötigst zwei Punkte weggeschmissen, die wir mühselig mit zwei Auswärtsunentschieden zurückholen müssen.

Da waren sie sehr gut zu sehen, unsere zwei Gesichter, die wir bis jetzt in jedem Punktspiel gezeigt haben. Was beruhigt und erfreut: Einige Merkmale unseres Erfolgs sind zurückgekehrt - die mannschaftliche Geschlossenheit, das fast fehlerlose, leidenschaftliche Abwehrspiel, eine ziemlich hohe Effektivität und Intensität. Doch auch unsere Schwierigkeiten sind noch da: Wir tun uns weiterhin eher schwer, das Spiel zu machen und die fehlende Präzision im Angriffsspiel verhindert mehr Tore, Standards und Flanken kommen zu oft nicht an, zusätzlich fehlt es auch an Mut und Geschwindigkeit (die ersten Minuten gegen die TSG mal ausgenommen …).

Wenn wir das noch in den Griff kriegen, dann könnte uns vielleicht doch etwas mehr als eine ungefährdete Spielzeit bevorstehen, dann sind nach den vierzig Punkten noch genug Spiele übrig, um möglicherweise wieder international dabei zu sein… Okay, noch Zukunftsmusik, alles kann, nichts muss - außer Klassenerhalt. Und nach vier Spielen kann man natürlich noch nicht auf die restliche Saison schließen, den bisherigen Punkteschnitt nicht so einfach hochrechnen.

Was man sagen kann, ist: Neuzugänge wie Rothe und Jeong tun uns gut (ob Tom Rothe nun der nächste linke Außenverteidiger der Nationalelf ist, wie Dirk Zingler orakelt, werden wir noch sehen). Benes, Jordan, Kemlein, Querfeld und Skarke (dessen Verlängerung in der letzten Woche schon etwas überraschend war) haben hier und da was aufblitzen lassen, aber da kann und muss noch wesentlich mehr kommen, Nachverpflichtung Skov steht langsam in den Startlöchern, das könnte nur gut für unsere Standards sein. Aber es bleibt, bis auf Weiteres, auch irgendwie seltsam, dass unsere beiden neuverpflichteten Mittelstürmer Prtajin und Ilic noch nicht mal auf der Bank Platz nehmen dürfen.

Andererseits ist es schon gut, dass wir uns das offenbar leisten können, genug Alternativen haben. Auf jeden Fall scheint die Statik in der Truppe wieder zu stimmen, denn auch bei den Alteingesessenen ist eine gewisse Konstanz, die Sicherheit und ebenso das Selbstvertrauen in weiten Teilen zurück, die uns in der Saison des Grauens so abhandengekommen waren und diese Eigenschaften sind ja für eine Mannschaft, die nicht so sehr über die individuelle Klasse Probleme lösen kann, so eminent wichtig, denn nur so kann es gehen.

Da scheint Trainer Bo Svensson schon einiges bewirkt zu haben, das gute Gefühl, das man von Anfang an mit ihm hatte, wird immer besser. Nicht zuletzt, da er ja auch, wie schon der große Urs Fischer, nicht zur Augenwischerei neigt - freuen ja, Zufriedenheit nein. Deswegen: Es läuft erstmal, und wenn wir mit gefühlten achtzig Prozent soviel rausholen, was läuft dann erst, wenn’s so richtig läuft?

Wir werden’s, hoffentlich bald, erleben. Warum nicht schon in Gladbach? Zumindest der nächste Schritt wäre doch schon mal was …

Mehr zum Thema 1. FC Union Berlin: