Union-Berlin-Blog: "Alles oder nichts" unmodern?

Berlin - Eisern: In einer Personal-Union aus drei waschechten Berliner Fußball-Fan-Originalen gibt es bei TAG24 den Union-Berlin-Blog.

Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.
Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.  © Archiv

Die Autoren:

Icke (Jürgen Heinemann) ist seit Mitte der Siebzigerjahre Unioner und als Betriebswirt seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig. Er ist verheiratet und hat ein erwachsenes Kind. Icke lebt heute in Grünheide und schreibt hier als Gründer des Blogs.

Unionfux (Tobias Saalfeld) ist seit über 40 Jahren Unioner, er arbeitet als Freischaffender für Bühne, Funk und Fernsehen, auch dort schreibt er.

Unioner auf Abwegen: Wie läuft es eigentlich bei Robin Gosens?
1. FC Union Berlin Unioner auf Abwegen: Wie läuft es eigentlich bei Robin Gosens?

Beecke (Christian Beeck), Ex-Bundesliga-Spieler (Hansa, Cottbus), Ex-Union-Manager, 21 Länderspiele für DDR-Junioren, stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union. Beecke hat 2 Kinder. In unserem Union-Blog fungiert Beecke als Berater.

30. November: "Alles oder nichts" unmodern?

Die Unioner hauten sich zwar bis zum Schluss in jeden Zweikampf, konnten aber keine echte Schlussoffensive entfachen.
Die Unioner hauten sich zwar bis zum Schluss in jeden Zweikampf, konnten aber keine echte Schlussoffensive entfachen.  © Andreas Gora/dpa

Icke: Das "Normale" ist eingetreten. Leverkusen schlägt uns knapp mit 2:1. Einige sagen verdient, andere - wie ich - sahen zwei etwa gleich starke Mannschaften. Viele Möglichkeiten besaß Bayer nicht. Auch wenn natürlich die reine Spielanlage und die Ballbehandlung von Spielern wie Wirtz und Frimpong besonders sind. Trotzdem konnten wir diesmal - und das war neu gegenüber den vergangenen Spielen - phasenweise Druck entfalten. Unser Spiel begann katastrophal. In der 2. Minute schlafen wir noch, Leverkusen aber nicht. Frimpong trifft nachdem wir (nett) zuschauen, wie die Leverkusener uns regelrecht überfallen.

Danach waren wir - Gott sei Dank - nicht geschockt. Wir rappelten uns wieder auf und versuchten eigene Angriffe. Es war sichtbar, wir wollten einen Punktgewinn. Gereicht hat es schlussendlich nicht. Obwohl wir in der 30. Minute mit unserem besten Angriff den Ausgleich schafften. Hollerbach wirbelte sich (ganz stark) auf halblinks durch, ließ dabei mehrere Pillen-Facharbeiter stehen. Er passte nach innen. Dort wartete Jeong und schoss noch einem Leverkusener durch die Beine. Der Keeper war machtlos. Das Bayer am Ende gewann, lag auch daran, dass in der 2. Halbzeit Wirtz ins Spiel kam. Der war kaum auf dem Platz und schon bediente er Schick, der zum 2:1 traf. In den 3 bis 4 Sky-Einstellungen konnte man in der letzten Video-Sequenz vermuten, er habe den Ball mit dem Oberarm gespielt. Ganz sicher konnte man aber nicht sein. Warum gab es eigentlich keine Einstellung aus der Hinter-Tor-Kamera. Die hätte es deutlicher zeigen können. Wurde nicht gemacht.

In diesem Spiel ließ Bo Jordan auf der Bank und brachte Starke im Zentrum. Der ackerte und rannte, konnte aber auch keine Torgefahr erzeugen. Die schönste Aktion blieb unser Tor. Jeong war es später auch, der dann den einzigen gefährlichen Weitschuss abfeuerte. Warum machen wir das nicht öfter? Wer das Spiel aufmerksam sah - wir hätten mehrmals aus der Distanz einen Schuss versuchen können. Wenn Mitte der Woche einige Teams im DFB-Pokal antreten müssen und wir ja frei haben, so könnten wir das ja mal ein paar Stunden üben.

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1. FC Union Berlin Erste Heimpleite: Bayer Leverkusen schießt Union Berlin tiefer in die Krise

Trainer Bo war nach dem Spiel mit etlichen Details zufrieden, so äußerte er sich. Ich nicht! Warum? Die letzten zehn Minuten erwartete ich ein Feuerwerk. Bälle nach vorn, angreifen, volles Risiko … so habe ich Union Mitte der Siebziger kennengelernt. Wir waren, so es die DDR-Oberliga war, fast immer das unterlegende Team. Sehr oft fehlte uns kurz vor Schluss nur ein Tor. Da gab es dann immer das "alles oder nichts". Mehr als verlieren geht nicht und ob nun mit einem oder zwei Toren Differenz, ist dann auch egal. Wir machen das aber nicht mehr. Warum eigentlich? Die Szene, die mich daran erinnerte war die 85. Minute. Rönnow wollte von hinten aufbauen. Alle Unioner um unseren Strafraum herum waren in Manndeckung. Das kann ja letztendlich nur eine Trainer-Anordnung gewesen sein, denn normalerweise schnappt sich der Keeper instinktiv den Ball und jagt ihn so weit er kann in die gegnerische Hälfte. In der 88. Minute gab's eine ähnliche Szene noch einmal. Wir wollen ernsthaft zwei Minuten vor dem offiziellen Ende mit Kurzpassspiel von hinten aufbauen. Natürlich decken uns die Leverkusener schon am eigenen Strafraum. Sie wissen ja, wir müssen unser Risiko erhöhen. Im Endeffekt verlieren wir sogar den Ball. Dass die Körpersprache und die Dramatik bei diesen "Alles oder nichts"-Aktionen ein ganzes Stadion "anzündet" nutzen wir dabei leider nicht.

Die Tabelle (11. Platz) steht uns immer noch ganz gut. Die Wege nach oben sind kürzer, als die Wege nach unten. ABER … nächste Woche spielen wir in Stuttgart. Ob das jetzt zwingend einfacher wird, als das Spiel gegen Leverkusen, kann jeder selbst beurteilen.

Was hatte Rothe eigentlich in diesem Spiel? Er war teilweise lethargisch unterwegs. Seine Dynamik vergangener Spiele zeigte er gar nicht. Oder lag es am sehr starken Frimpong als seinem Gegenspieler? Ansonsten kann man Bo wenigstens insofern zustimmen, dass unsere Defensive nach wie vor - mit Ausnahme des ersten Tores - immer auf der Höhe war. Es deckte aber auch wieder auf, wir haben keinen torgefährlichen Stürmer und unser einziger Spieler mit Spielmacher-Qualitäten sitzt auf der Ersatzbank. Können wir die Kleinigkeiten, wie den Einbau von Benes in das Team und die Erinnerung an Schüsse aus der Distanz auch noch erledigen? Dann braucht uns Horst Heldt nur noch einen treffsicheren Mittelstürmer "besorgen". Ich nenne das "einen Plan haben". In Stuttgart wird für uns nicht viel zu holen sein, gegen Bochum möchte ich gern drei Punkte haben und das Spiel in Bremen wird wohl absolut spannend. Da könnte ein Remis möglich sein. Eisern!

29. November: Mit Mut und Offensive gegen Leverkusen

Gegen den amtierenden Meister Bayer Leverkusen würde die Union-Fans gern einmal wieder ein Tor bejubeln.
Gegen den amtierenden Meister Bayer Leverkusen würde die Union-Fans gern einmal wieder ein Tor bejubeln.  © Swen Pförtner/dpa

Unionfux: Auch, wenn unser letztes Tor doch tatsächlich schon über einen Monat her ist, möchte ich nicht ins allgemeine Krisengerede einstimmen, schon allein, weil es nicht viel bringt.

Dass unsere Mannschaft im kreativen und technischen Bereich Mängel hat, ist nun wirklich nicht neu und auch den großen Goalgetter hatten wir eher selten, zumindest in der Bundesliga. Am Ende fallen einem nur Kruse auf der einen und Awoniyi auf der anderen Seite ein, beide längst Geschichte.

Insofern ist der Plan des Trainers schon richtig, erstmal für eine funktionierende Defensive zu sorgen, das hat immerhin überdurchschnittlich geklappt. Doch auch, wenn die Defensive angeblich Meisterschaften gewinnt, ohne Offensive gewinnt man keine Spiele.

So langsam muss Bo Svensson auch offensive Lösungen anbieten, und dass Jordan nicht die Lösung ist, zumindest nicht im Moment, hat er nun wirklich in fast jedem Spiel bewiesen, wobei seine guten Momente nicht verborgen geblieben sind, unterm Strich jedoch nicht so wirklich ausreichen.

Und wie hat (vermutlich) Albert Einstein so treffend gesagt: "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten". Deswegen sollte im kommenden Heimspiel gegen Leverkusen doch etwas mehr offensives Risiko gegangen werden, auch wenn der amtierende Meister nun wirklich kein leichter Gegner ist und sich im Aufwärtstrend befindet, aber wir sollten uns lieber an den mutmachenden Zeichen orientieren.

So ist der Kontrahent nicht mehr ganz das Monster der vergangenen Spielzeit ist, zudem musste Bayer unter der Woche in der Champions League ran, wobei RB Salzburg derzeit kein großer Gegner ist. Aber es ist eben doch ein Spiel mehr in den Beinen und nicht umsonst sind wir zu Hause ungeschlagen.

Personell kann auch aus dem Vollen geschöpft werden, selbst die angeschlagenen Leite, Skov und Kemlein sollen einsatzbereit sein, wie sehr, werden wir wohl erst am Sonnabend wissen. Ich werde ja nicht müde, Laszlo Benes vorzuschlagen, der schon gezeigt hat, dass der Angriff mit ihm besser funktionieren kann und vielleicht kann man Prtajin zumindest mal auf die Bank setzen - beide Spielertypen haben wir ja nicht so oft. Mag ja sein, dass Benes’ Lieblingsposition in unserem Spiel (zumindest bis jetzt) nicht existiert und dass wir in letzter Zeit ein ganz schlechtes Pflaster für Mittelstürmer sind, aber irgendwas muss man doch tun.

Auch der wiedergenesene Volland ist eigentlich ein Zielspieler (mit über 100 Erstligatoren), auch wenn er das, ausgerechnet bei uns, nicht so oft gezeigt hat. Sicher, so einfach wird es leider nicht sein, es liegt nicht nur an ein, zwei anderen Spielern, es liegt eben auch an der taktischen Ausrichtung und wesentlich mehr Präzision als zuletzt.

Aber wenn man gegen Leverkusen wiederum zu zaghaft ins Spiel geht - was soll dann dabei herauskommen? Eine knappe Niederlage kann ja nicht ein neuerliches Ziel sein, immerhin haben wir in der Alten Försterei eine kleine Serie zu verteidigen, oder? Nicht zuletzt haben wir gegen die Werkself (klingt irgendwie immer ein bisschen nach Chemie Buna Schkopau) daheim nie so schlecht ausgesehen, selbst im letzten Jahr benötigte der seinerzeitige Übermeister eine blöde Rote-Karte-Aktion von Gosens und einen naja-Elfmeter, um gegen uns zu gewinnen.

Schon klar, leicht wird es nicht, aber wann ist uns zuletzt mal was so richtig leicht gefallen? Pessimismus ist gerade nicht angebracht, nicht nur deswegen trau ich uns, im positiven Sinne, eine ganze Menge zu - damit der Monat November nicht ganz so traurig in Erinnerung bleibt. Sonnig wird’s jedenfalls und kalt - auf geht’s, drei Punkte sind zu verdienen!

24. November: Ab sofort greift Union (bitte auch) an!

Jordan (r.) hat sich bei der Pleite in Wolfsburg im Sturmzentrum wie immer reingehauen, ist aber einmal mehr glücklos im Abschluss geblieben.
Jordan (r.) hat sich bei der Pleite in Wolfsburg im Sturmzentrum wie immer reingehauen, ist aber einmal mehr glücklos im Abschluss geblieben.  © Swen Pförtner/dpa

Icke: Was ist los beim 1. FC Wundervoll? Man könnte meinen, alles ist schick. Für unsere jungen Leser: "Wir sind aktuell fein mit allem, genau". Platz acht in der Tabelle, 16 Punkte nach elf Spielen. Ein neuer Trainer, der uns so organisierte, dass wir in elf Spielen erst neun Gegentore bekamen. Finanziell gehen wir wieder in Richtung Eigenkapitalerhöhung. Das Stadionprojekt rückt näher und die neuen Aktien werden wohl eine Menge "Schotter" in unsere Vereins-Schatulle spülen. Unser letzter Haushalt war - trotz der Katastrophen-Saison - ausgeglichen und der Verein erwirtschaftete sogar ein kleines Plus. Die Welt könnte so schön sein, wenn es nicht auch Schattenseiten gäbe.

Wir spielen einen Rumpel-Fußball, wie lange nicht mehr. Der negative Höhepunkt war das Spiel in Wolfsburg. Gerade in der ersten Halbzeit lieferten wir einen Offenbarungseid ab. Die taktische Aufstellung - mit nur drei offensiven Spielern - war schon sehr defensiv ausgerichtet. Wenn dann aber die drei "Offensiven" auch absolut nicht zueinander passen und mindestens zwei der drei dann auch noch mehr defensive Aufgaben zu erledigen hatten, als es ihre eigentliche Position vorsieht, dann kommt so etwas dabei heraus. Aber nun Butter bei "die Fische" … Haberer spielte nominell Rechtsaußen. War aber zusammen mit Trimmel überwiegend damit beschäftigt unsere rechte Seite zu sichern. Von seiner ursprünglichen Position war kaum etwas wahrzunehmen. Als Mittelstürmer spielte - wie so oft - Jordan. Er machte, dass muss man zugeben, eins seiner besten Spiele im Union-Trikot, leitete gut Bälle weiter und kämpfe nach hinten. Seinen Hauptjob allerdings - den des Mittelstürmers - erfüllte er nicht. Eine Chance hatte er. Eine gute sogar, wäre er mit dem Kopf an den Ball gekommen, er schaffte es aber nur mit der Schulter. Elf Spiele mit null Toren und einer einzigen Torvorlage sind einfach schlecht für einen Mittelstürmer. Einzig Vertessen versuchte mehrmals anzuziehen. Er musste sich allerdings meist seine Bälle an der Mittellinie selber holen und allein davondribbeln. Das hatte von vornherein keine Aussicht auf Erfolg.

Zur Halbzeit reagierte Bo, brachte mit Rothe für Skov mehr Angriffslust auf links. Warum er aber Hollerbach für Vertessen brachte, bleibt wohl sein Geheimnis. Er nahm Vertessen (statt Haberer) raus. Fazit der Änderungen, wir schafften es ab und an, uns zu befreien. Ein kreatives Angriffsspiel sieht aber anders aus. Haberer spielte weiterhin zu 50 Prozent rechter Verteidiger. In der 71. Minute fiel dann unsere Mauer. Wolfsburg ging in Führung und alle dachten, nun kommt sofort Benes rein. Falsch gedacht, es dauerte noch ganze elf Minuten, bis Benes den Rasen betreten durfte. Warum eigentlich? Auf was hatten wir gewartet? Nein, Benes konnte das Spiel nicht mehr drehen, aber man konnte sehen, dass er sofort von der Mannschaft gesucht wurde. Warum verzichten wir freiwillig und ohne Not auf so eine Fußball-Persönlichkeit, die auch, und das sah man deutlich, innerhalb des Mannschaftsgefüges anerkannt ist?

Können wir bitte beginnend ab sofort (d.h. ab Leverkusen) unseren qualitativ (immer noch) guten Kader in der Offensive nutzen? Das würde heißen, Rothe auf links von Beginn an. Volland und Benes auf die halboffensiven Positionen und Vertessen und Hollerbach dürfen vorn wirbeln. Skarke wäre dann der erste (offensive) Einwechsler. Vielleicht probiert Bo auch mal Volland als Mittelstürmer. Das hat er schließlich (viele Jahre) sehr erfolgreich (80 Tore!) in der Bundesliga gezeigt. Jordan, Jeong, sowie Haberer und Schäfer auf offensiven Positionen konnten wir jetzt genug "bewundern" - leider erfolglos. Schäfer ist nach seiner Verletzung leider noch nicht wieder in der Form, in der er uns helfen könnte. Und Haberer ist auch kein schlechter Spieler, aber aktuell zeigt er nur als rechter Verteidiger ansprechende Leistungen. Jeong kam über gute Ansätze nicht hinaus. Er spielt kreativ nicht konstant und seine Fehler-Quote ist ab und an grausam. Und über die Tor-Quote von Jordan haben andere schon genug geschrieben. Bitte lasst uns etwas Neues probieren, da das "Alte" offensichtlich nicht funktioniert. Meinetwegen sogar mit unserem U-19-Nationalspieler Asanji. Manchmal habe ich den Eindruck, er spielt nicht, weil wir glauben, er ist schon weg (Juventus?). Aber was passiert denn, wenn er plötzlich auch in der Bundesliga trifft? Ohne einen Versuch werden wir es nie erfahren. Sonst freut sich ab nächsten Sommer nur Juventus Turin.

Übrigens klopft in unserer B-Jugend schon das nächste Mega-Mittelstürmer-Talent an unsere Pforten: Oskar Engel, gerade einmal 16 Jahre alt. Arbeitspapier in dieser Saison: 14 Spiele, 18 Tore und drei Torvorlagen. Den hat noch nicht einmal der DFB auf dem Schirm. Lange werden sie unseren Serien-Knipser allerdings nicht (mehr) ignorieren können. Detlef Helms hatte 1977 - mit 16 Jahren - auch drei Oberligaspiele für Union absolviert. Ich war dabei. Warum nicht auch Engel? Hier müssen wir keine Angst mehr vor "Delegierungen" haben. Das funktioniert heute höchstens noch umgekehrt. Habt Mut liebe Union-Trainer. Fans und Spieler werden es Euch danken! Eisern.

23. November: Niederlage in Wolfsburg - offensiv zu wenig

Die Spieler bedanken sich trotz der sportlichen Enttäuschung bei der mitgereisten Fans.
Die Spieler bedanken sich trotz der sportlichen Enttäuschung bei der mitgereisten Fans.  © Swen Pförtner/dpa

Unionfux: Schon die Aufstellung deutet es bereits an (und es war zu befürchten), es geht heute mehr ums Verteidigen als ums Angreifen: Haberer und Jordan beginnen für Jeong und Hollerbach. Und so finden wir eine Stunde auch offensiv kaum statt, halten jedoch das 0:0, lassen insgesamt sehr wenig zu. Einmal aber doch: Nach siebzig Minuten ist die Mitte etwas zu offen und Baku hat nicht allzu viel Mühe, das Tor aus zehn Metern zu machen, nachdem wir vorher nicht richtig klären können, Rönnow ist ohne Abwehrmöglichkeit. Direkt danach hat Jordan, nach zwei Schüssen von Kemlein rund um die 60. Minute, die beste Chance für uns, aber der Wolfsburger Keeper kratzt den Ball aus dem Dreiangel.

Trotzdem lässt sich Svensson noch weitere gut zehn Minuten Zeit (ich weiß nicht so recht, worauf er da eigentlich wartet), bevor er Benes endlich bringt (ich will nun wirklich nicht immer auf Benes rumreiten, aber wer hat sonst noch eine offensive Idee und auch die Mittel, sie umzusetzen?) - und wir haben tatsächlich so etwas wie eine Schlussoffensive, endlich entsteht so etwas wie Druck auf den Gegner, leider ohne Ertrag. Trimmel bringt zwar Flanke um Flanke, findet aber keinen Mitspieler, wie auch die Standardsituationen allesamt von Wolfsburg geklärt werden können. Direkt vor dem Abpfiff muss Grabara noch einmal alles aufbieten, um Benes' Schuss von der Strafraumgrenze zu entschärfen. So bleibt es also bei der knappen Niederlage, schlussendlich reicht Wolfsburg tatsächlich eine wirklich gute Chance, um das Spiel für sich zu entscheiden, von einem guten Freistoß von Arnold in der Nachspielzeit mal abgesehen, den Rönnow aber parieren kann.

Unübersehbar, unser Angriffsproblem bleibt bestehen, in den letzten vier Pflichtspielen sind wir ohne Torerfolg und auch sonst offensiv weitgehend harmlos. Bei einem Auswärtsspiel bei den Bayern kann man das ja noch akzeptieren, aber wenn man offensiv so zaghaft bei einer Mannschaft antritt, die in der Liga bis jetzt ohne Heimerfolg war, dann ist das für mich schwer zu verstehen. Wir machen wieder mal nicht den Eindruck, ein Spiel gewinnen zu wollen, sondern hoffen auf unsere weitgehend tadellose Abwehr, nur - ein Gegentor kann trotzdem immer passieren und dann ist der Plan, einen Punkt durch ein torloses Unentschieden mitnehmen zu wollen, nun mal dahin. Ja, wir verteidigen gut, sind aber auch ziemlich leicht zu verteidigen, wirklich gefährlich werden wir kaum: Hinten sind wir Bundesligaspitze, vorne hingegen das ganze Gegenteil.

Dabei kann man kaum alles an den Stürmern festmachen, es ist ja nicht so, dass wir ständig Hundertprozentige versemmeln, es kommen einfach zu wenig verwertbare Bälle. Jordan beispielsweise hat heute gut geackert (auch, wenn er Baku vor dem Gegentreffer einfach ziehen lässt), doch er, Vertessen und Hollerbach müssen sich fast jede Gelegenheit selbst erarbeiten, in Abschlusspositionen kommen alle drei doch sehr selten, weil auch der spielerische Gedanke oft zu kurz kommt. Wolfsburg hat diesmal mitnichten den Papst in der Tasche, es genügt eine durchschnittliche Leistung, die drei Punkte einzufahren - und einen Grabara, der zweimal gut eingreift und es bleibt dabei: Die Autostadt ist bis dato kein gutes Pflaster für uns. Wir hätten schon etwas Glück haben müssen, um dort wenigstens einen Punkt mitzunehmen. Von einem Sieg sind wir jedenfalls ziemlich weit entfernt und eine Stunde lang fällt es schwer, unserem Spiel zuzusehen, weil es nämlich kaum stattfindet. Und gut zehn Minuten Schlussoffensive sind dann am Ende doch zu wenig.

Unsere berühmte Stabilität in der Verteidigung hat Svensson gottlob wieder zurückgebracht (in diesem Zusammenhang: Daumen drücken, dass sich Leite, der schon nach wenigen Minuten ausgewechselt werden musste, nicht allzu sehr verletzt hat), unser Angriff ist hingegen in einigen Spielen nicht so wirklich bundesligatauglich, weil er offenbar nur auf dem Prinzip Hoffnung beruht. Da muss der Trainer sich was einfallen lassen, so wie Horst Heldt in der Winterpause, denn das kann so auf Dauer nicht funktionieren - auch, wenn wir im Moment noch ganz gut dastehen, zumindest in der Tabelle. Aber so wenig Treffer nach elf Spieltagen - das hatten wir zuletzt in der Saison 1988/89 und das ist nun wirklich lange her …

22. November: Wolfsburg, Graz und der Bundestag

Kadertechnisch ist beim Spiel in Wolfsburg fast alle Möglichkeiten gegeben.
Kadertechnisch ist beim Spiel in Wolfsburg fast alle Möglichkeiten gegeben.  © Tom Weller/dpa

Unionfux: Länderspielpause vorbei - Jahresendspurt eingeleitet. Und gleich wartet auf uns eine Wundertüte: wir müssen zum VfL Wolfsburg. Die wirklich starken Wolfsburger gibt’s eigentlich schon seit ein paar Jahren nicht mehr, so ein wenig zehren sie von alten Zeiten, zudem sind sie in dieser Spielzeit noch ohne Heimsieg, andererseits haben wir dort noch nie gewonnen, ein magerer Punkt aus fünf Begegnungen ist nicht gerade furchteinflößend und wir sind ja nicht gerade die Auswärtsmonster.

Doch sollten wir als Tabellensechster zum Zwölften denn voller Angst fahren? Der bisherige Saisonverlauf sollte uns schon Selbstbewusstsein verschaffen und, natürlich, es wird auch dort auf unsere offensiven Möglichkeiten hinauslaufen, wir sollten nicht unbedingt auf ein torloses Unentschieden hoffen, sowas geht selten gut.

Kadertechnisch sind fast alle Möglichkeiten dazu gegeben, lediglich Tom Rothe ist nach seiner Verletzung noch nicht bei hundert Prozent und Ilic ist angeschlagen, aber das dürfte eher nicht ins Gewicht fallen. Auch Prtajin wird wohl kaum im Aufgebot stehen, an ihm sollen mittlerweile mehrere Zweitligisten und sogar St. Pauli interessiert sein, er dürfte uns also im Winter verlassen, wahrscheinlich leihweise.

Das Spiel in Wolfsburg werden wir voraussichtlich eher dem Gastgeber überlassen und dann auf die Umschaltmomente warten, aber ganz so passiv wie z. B. in Gladbach sollten wir dann doch nicht auftreten, drei Pflichtspiele ohne eigenes Tor sollten nun wirklich reichen. Mehr Kreativität könnte eine Lösung sein, hoffentlich ist da Trainer Bo Svensson nicht zu zaghaft und setzt auf ein überwiegend defensives Mittelfeld. Auf jeden Fall schwer, was zu prognostizieren, es ist, wie gesagt, eine ziemliche Wundertüte, aber ich tippe mal ganz unbescheiden auf drei Auswärtspunkte. Auf geht’s!!

Und sonst so? Oliver Ruhnert hat sich gerade auf einen neuen beruflichen Weg begeben: er wird der Berliner Spitzenkandidat des BSW und aller Wahrscheinlichkeit nach zukünftiges Mitglied des Bundestages und lässt deswegen ab Januar seinen Vertrag mit uns ruhen. Ich denke nicht, dass er, eine erfolgreiche Wahl vorausgesetzt, nochmal ins Fussballgeschäft einsteigt.

Damit endet eine Ära für uns, der Name Ruhnert war doch engstens mit den Erfolgen der letzten Jahre verknüpft, auch wenn man konstatieren muss, dass dem Macher in letzter Zeit ein wenig das goldene Händchen abhandengekommen ist, vielleicht auch verständlich und normal - niemand kann immer richtig liegen und unbestritten gab es unterm Strich doch wesentlich mehr Licht als Schatten. An anderer Stelle werden wir nochmal genauer auf die Zeit Ruhnerts in unserem Verein eingehen, bis dahin: ein großes eisernes Dankeschön für deine Arbeit, Oliver, und alles Gute! Sein, zumindest ursprünglich, designierter Nachfolger, Michael Parensen, ist seit gestern am vorläufigen Ziel der Wünsche, er ist Sportdirektor.

Zwar nicht beim 1. FC Union, sondern bei Sturm Graz, aber immerhin - die Österreicher spielen Champions League und sind auf dem besten Wege, die Meisterschaft des Vorjahres zu wiederholen. Nicht die schlechteste Adresse für einen Fast-Neuling also. Das geht sich aus, Micha, viel Glück in der Steiermark!

21. November: Mittelstürmer-Winter-Neuzugänge bei Union?

Ist Ragnar Ache (26) vom 1. FC Kaiserslautern ein möglicher Kandidat für Unions Sturm?
Ist Ragnar Ache (26) vom 1. FC Kaiserslautern ein möglicher Kandidat für Unions Sturm?  © Thomas Frey/dpa

Icke: Lancieren wir unsere eigenen Fake-News? Oder wer kommt auf diese genialen Ideen, wer uns zur Winterpause alles neu 'beglücken' soll? Eigentlich wissen alle fußballgebildeten Menschen Bescheid, wir benötigen einen treffsicheren Mittelstürmer.

Und wer wird uns (Stand heute) alles angedichtet? Jens Castrop (zentraler Mittelfeldspieler), Taha Altikardes (Innenverteidiger), Daniel Elfadli (defensiver Mittelfeldspieler), Leon Goretzka (zentraler Mittelfeldspieler), Reiss Nelson (Rechtsaußen), Terry Yegbe (Innenverteidiger).

In der Schule hieße es damit – Thema verfehlt. Nicht wenige meinen, Heldt habe etwas 'Vernünftiges' vorbereitet. Keine kleine oder mittelmäßige Lösung. Das war auch Thema beim Beecke/Kruse-Podcast beim RBB. Hoffen wir, dass sie recht behalten. Den siebenundzwanzigsten Mittelmaßmittelstürmer für ein bis zwei Millionen, der nicht mal auf der Ersatzbank sitzen darf, den brauchen wir nicht wirklich.

Nun, an Tel aus München glaubt in Wirklichkeit keiner. Auch wenn immer mal wieder einer darüber berichtet. Und realistisch betrachtet, wenn Kane einmal ausfällt, so brauchen die Bayern ihn selbst. Und das auf drei verschiedenen Hochzeiten. Eine Ausnahme muss man allerdings einräumen. Seit einigen Tagen wird getuschelt, dass der Leipziger Sesko in das Blickfeld der Bayern geriet. Das würde die Situation für Tel ändern. Auch der 70-Millionen-Mittelstürmer Gyökeres ist bei den Bayern im Gespräch.

Ein wenig Sorge bereitet mir das offizielle Gerücht um Lukeba (auch Leipzig). Der wird augenscheinlich von Real Madrid beäugt. Hoffentlich erinnern die sich nicht an uns und Leite.

Aber wieder zurück zu den Mittelstürmern. Ex-Super-Talent Pepi soll vom BVB umworben werden. Und Mikael Uhre ist bei Bochum und Bremen im Gespräch. Der 18-jährige griechische Mittelstürmer Tzimas aus Saloniki (aktuell an den 1.FC Nürnberg ausgeliehen) wäre einer für uns. Da aber sein Vertrag bis 2028 läuft, wäre er kein Schnäppchen mehr. Darmstadt holte vor der Saison den Schweden Lidberg für eine Million zu sich. Ein Volltreffer! Er soll das Interesse von Hoffenheim geweckt haben. Aber sicher nicht nur von ihnen! Viel mehr wirkliche Gerüchte um die Bundesliga und um Mittelstürmer-Zugänge gibt es aktuell nicht.

Oder haben sich Kaiserslautern und Union hinter den Kulissen längst bei Ache geeinigt? Mit Prtajin und/oder Ilic hätten wir den Betzenbergern auch gleich Lösungsmöglichkeiten für ihre 'Lücke' anzubieten. Ich halte das für absolut denkbar. Und Ache macht – trotz seiner Sommer-Verletzung – dort weiter, wo er letzte Saison aufhörte. Er schießt weiter Tore. Aktuell hat er in 10 Spielen schon wieder sieben Mal getroffen. Und dass trotz zweier Kurzeit-Einsätze, wo er eigentlich noch in der Aufbauphase war. Ich halte Ache für die wahrscheinlichste Lösung. Eisern!

20. November: Deutsche B-Elf mit 1:1 gegen Ungarn

Gegen Ungarn kam die deutsche Mannschaft über ein Unentschieden nicht hinaus.
Gegen Ungarn kam die deutsche Mannschaft über ein Unentschieden nicht hinaus.  © Christian Charisius/dpa

Icke: Mit einem nicht ganz neuen und wieder umstrittenen Elfmeter in Minute 97 (!) holte Ungarn noch einen Punkt gegen die deutsche B-Elf. Nagelsmann ließ nur Kimmich und Andrich auf dem Feld. Alle anderen Spieler waren neu. Das zeigt auch, wie wichtig Ex-Unioner Andrich für die defensive Stabilität der deutschen Mannschaft geworden ist.

Apropos Ex-Unioner … Gosens wurde eingewechselt. Nico Schlotterbeck stand in der Anfangsformation. Auf Seite der Ungarn spielte natürlich Schäfer von Beginn an und machte ein gutes Spiel. Langsam aber sicher kommen auch Hardliner bei Union nicht mehr drumherum – deutsche Spiele anzuschauen. Vier Spieler auf dem Feld mit direkten oder ehemaligen Union-Bezug ist schon eine Hausnummer.

Die Umstellungen sah man allerdings. Deutschland hatte zwar 71 Prozent Ballbesitz, aber ihren Strafraum schlossen die Ungarn für die Deutschen. Wir kamen sehr selten durch. Ungarn spielte fleißig und versuchte immer wieder den eigenen Angriff anzukurbeln. So hatte Schäfer in der ersten Halbzeit auch die große Chance den Deutschen ein Tor einzuschenken. Das war knapp. Die Quote der gewonnen Zweikämpfe lag bei 59 Prozent. Das zeigt aber auch, dass die fehlenden 41 Prozent die Ungarn gewannen.

Nach einer Stunde wollte Nagelsmann das Spiel dann doch gewinnen. Er brachte unser Zauber-Duo Musiala und Wirtz. Und prompt gelang uns das 1:0 durch Startelf-Debütant Felix Nmecha. Der übrigens – neben Andrich – ein gutes Spiel machte. Um es kurz zu sagen, das deutsche Angriffsspiel wurde präziser, das 2:0 gelang aber nicht mehr. Dafür bekamen die Ungarn – wie schon gesagt – in der 97. Minute einen ähnlichen Elfmeter, wie wir ihn gegen Spanien bei der EM – nicht erhielten. Es würde dem Fußball sehr gut zu Gesicht stehen, gäbe es bei diesem Thema einmal klare und vor allem einheitliche Regeln.

Auf der linken Außenbahn spielte diesmal Henrichs. Das ist die eher defensive deutsche Variante. Raum war verletzt und so wurde Gosens eingewechselt. Mittelstädt hatte gegen Bosnien gespielt. Schaue ich mir diese Situation an, so rückt eine Berufung von unserem Tom Rothe näher. Mit Gosens scheint er sich schon jetzt auf einer Qualitätsstufe zu befinden. Und ist dabei wesentlich jünger. Eine Nominierung von Rothe für die deutsche A-Nationalmannschaft im kommenden Frühjahr würde wohl keinen mehr überraschen. Das wäre dann der nächste Spieler mit direktem Union-Bezug in der Nationalmannschaft. Der letzte aktive Union-Spieler mit einem Einsatz war übrigens Kevin Behrens vor rund einem Jahr - im Oktober 2023 gegen Mexiko. Eisern!

17. November: Overath und Netzer sind wieder da – Gala-Fußball von Deutschland

Jamal Musiala (21) jubelt über seinen Treffer zum 1:0.
Jamal Musiala (21) jubelt über seinen Treffer zum 1:0.  © Tom Weller/dpa

Icke: Jahrzehnte galten gerade Overath und Netzer als Garanten für kreativen und schönen Fußball der Deutschen. Unser 3:1-Sieg 1972 in England (gegen England) ist nach Sport-Bild das größte (beste) deutsche Länderspiel aller Zeiten. Sicherlich auch der Bedeutung geschuldet. Und gerade bei diesem Spiel fehlte Overath verletzt. Kein Problem, Netzer dirigierte allein. Und Deutschland zeigte Zauber-Fußball.

Genau das zeigte sich am Samstagabend in Freiburg, dem Mekka der hohen deutschen Siege in ähnlicher Form. Man darf spätestens nach diesem Spiel Wirtz und Musiala als Nachfolger der beiden großen deutschen Spielmacher aus den Siebzigern ansehen. Was gerade diese beiden Kreativen zelebrierten, ließ einem mit der Zunge schnalzen. Das 7:0 gegen Bosnien-Herzegowina sprang dabei heraus. Und das Ergebnis hätte leicht auch zweistellig werden können.

Kommentator und selbst Welt-Fußballer Lothar Matthäus adelte die Qualifikation der Deutschen als Fußball-Gala. Gefragt nach dem Schlüssel zum Spiel, antwortete der Bundestrainer, für ihn sei das ziemlich perfekte Gegen-Pressing der deutschen Mannschaft entscheidend gewesen. Ich möchte das gern noch ergänzen und liege damit mit Matthäus auf einer Linie, auch das schnelle Umschalten auf Angriff, die schnellen Direkt-Kombinationen der Deutschen, als auch die absolut stabile Abwehrarbeit … waren Pfeiler des Spiels. Die Bosnier konnten einem teilweise leidtun, sie spielten gar nicht so schlecht, konnten aber gegen das perfekte deutsche Spiel nichts machen.

Musiala eröffnete die Gala in der 2. Minute mit einem höchst anspruchsvollen Kopfball. Den so wohl nur noch Karl-Heinz Riedle gemacht (gekonnt) hätte. Kleindienst und Havertz legten jeweils nach. So stand es schon zur Halbzeit 3:0. Wirtz erhöhte gleich nach dem Halbzeit-Start auf 4:0. Dann wechselte Nagelsmann gleich 4-mal wild durch. Auch Wirtz und Musiala gönnte er eine Pause. Und gab es einen Bruch im deutschen Spiel? Nein! Die eingewechselten Gnabry und Sane fügten sich glänzend ein. Henrichs, Sane und Kleindienst sorgten dann für klare Verhältnisse – auch im Ergebnis.

Wir haben uns damit (als Tabellenführer) für das Viertelfinale der Nations League qualifiziert. Auch in den kommenden Spielen müssen wir in dieser Form keinen Gegner fürchten. Eher schon umgekehrt. Alte deutsche Tugenden, wie eine stabile Abwehrarbeit und Fleiß auf dem Platz – sind zurückgekehrt. Dazugekommen ist ein schnelles Angriffsspiel, dass durch Einfälle und Kreativität glänzt. Und noch einen Gewinner gab es gestern Abend. Ex-Unioner Robert Andrich … er füllte seine "neue" Rolle gestern perfekt aus. Sind wir im aufbauenden Ballbesitz, so lässt er sich zurückfallen und dirigiert unser Spiel von hinten heraus. In der defensiven Grundhaltung agierte Groß als alleinige Sechs und Andrich schließt die Lücken zwischen Tah und Rüdiger, wenn sie an den Seiten aushelfen mussten. Ziemlich klug organisiert von Nagelsmann. So hat er bei "Bedarf" doch seine 3-er-Kette hinten. Fußball-Deutschland macht wieder Spaß. Bitte mehr davon! Eisern.

14. November: Was macht eigentlich Urs Fischer?

Urs Fischer (58) stand bei Union Berlin über fünf Jahre an der Seitenlinie.
Urs Fischer (58) stand bei Union Berlin über fünf Jahre an der Seitenlinie.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Heute vor einem Jahr passiert das eigentlich Undenkbare: Urs Fischer einigt sich mit Dirk Zingler darauf, nach fast fünfeinhalb Jahren seinen Posten zu Verfügung zu stellen - der erfolgreichste Trainer, den wir je hatten, ist Geschichte. Umso erstaunlicher, da er als amtierender „Trainer des Jahres“ demissioniert, der nur wenige Monate vorher die Champions League klargemacht hat, nach einem sensationellen vierten Platz, in einer Saison, in der wir immerhin siebenmal Tabellenführer der Bundesliga sind und, als einzige Mannschaft der großen fünf Ligen, zu Hause ungeschlagen bleiben - wir sind scheinbar angekommen an der Spitze, nachdem es schon in den Jahren zuvor kontinuierlich nach oben geht. Zusätzlich wird in der Sommerpause groß eingekauft und wir verlieren zudem keinen Stammspieler, in der laufenden Saison sind wir nach zwei Spieltagen an der Spitze der Tabelle, alles läuft scheinbar wie geschmiert, nur der Himmel scheint das Limit.

Doch dann beginnen unglaubliche drei Monate des Grauens, folgt Niederlage auf Niederlage, bis schließlich der Schweizer, ausgelaugt und ratlos, nach dem elften Spieltag und als nunmehr Schlusslicht des Tableaus, aufgibt. Auch in der Rückschau ist das alles nicht so recht zu begreifen, sicher findet man Gründe, aber das alles ist doch keine Antwort darauf, wie man dermaßen den Faden verlieren kann und ihn kaum noch wiederfindet. Doch das wirkliche Warum wird wohl nie erschöpfend herausgefunden werden. Immerhin: der Abstieg wird, wenn auch denkbar knapp, vermieden. Aber erst unter dem dritten Trainer nach Fischer, Bo Svensson, haben wir uns wieder gefangen, sind zu Hause ungeschlagen und müssten, mit etwas Glück, sogar drei bis fünf Punkte mehr haben. Gleichwohl bleibt Urs Fischer eine Ikone bei unserem Verein, sowohl der Trainer als auch der Mensch.

Allerdings ist er zwölf Monate nach seinem mehr als unglücklichen Abschied immer noch ohne neuen Vertrag. Dabei wird und soll es Angebote gegeben haben. Viele sahen ihn bereits als Nati-Trainer, aber der amtierende Trainer Murat Yakin flog dann doch nicht raus und steht gegenwärtig nicht wirklich zur Diskussion. Den ganz großen Vereinen wird seine defensive Herangehensweise schwer mit den großen Zielen vereinbar sein, der VfL Bochum oder Schalke 04 sind wiederum dem Zürcher nicht attraktiv genug.

Beides kann man nachvollziehen. Der so schlecht in die diesjährige Spielzeit gestartete Schweizer Serienmeister der letzten Jahre Young Boys Bern hatte Fischer auf dem Zettel und angefragt, in vielerlei Hinsicht eine gute Idee, aber Urs Fischer will unbedingt zurück in die Bundesliga und sagt deswegen ab. Wäre Gerardo Seoane, pikanterweise ein Schweizer, bei Borussia Mönchengladbach rausgeflogen, dann könnte Fischer schon längst wieder zurück sein, aber ausgerechnet wir machen einen Strich durch diese Rechnung und gestatten der Borussia in letzter Minute das Siegtor gegen uns und retten so Seoanes Job - mittlerweile hat sich Gladbach auch wieder stabilisiert.

Hoffenheim ist aktuell ohne Trainer und durchaus eine interessante Option, nicht zuletzt, weil der Heimweg doch wesentlich kürzer als aus Berlin ist, aber da macht sich der neue Sportdirektor Schicker stark für den momentan sehr erfolgreichen Trainer seines Ex-Vereins Sturm Graz, Christian Ilzer. Kurzer Einschub zum Thema "Neuer Sportdirektor": zwei Ex-Unioner sind gerade dazu berufen worden, Stephan Fürstner bei Greuther Fürth und Christian Gentner beim VfB Stuttgart.

Es heißt also weiter warten für Urs Fischer, auf die wenigen Gelegenheiten, die sich in der Bundesliga ergeben. Ein neues Engagement in der Liga wäre für uns ein zweischneidiges Schwert: obwohl ihm wohl alle Erfolg wünschen, würde man ihn doch eher ungern auf der Bank des Gegners sitzen sehen, andererseits würde er unser Budget entlasten, denn noch steht er bei uns auf der Payroll.

Gleichwohl bleibt Urs Fischer eine Ikone unseres Vereins, unbestritten und vollkommen zu Recht, sowohl der Trainer als auch der Mensch und er steht für die erfolgreichste Zeit, zumindest bis hierher, des 1. FC Union Berlin. Und sicher ist dieses Jubiläum eigentlich keins, dass es zu feiern gilt, ganz und gar nicht, trotzdem gehen von hier jetzt herzliche Grüße und die besten Wünsche nach Zürich, denn schlussendlich: we miss you, Urs.

11. November: Dickes Programm bis Weihnachten

Die Kicker von Union-Berlin haben sich mit einem torlosen Unentschieden von ihren Fans in die Länderspielpause verabschiedet.
Die Kicker von Union-Berlin haben sich mit einem torlosen Unentschieden von ihren Fans in die Länderspielpause verabschiedet.  © Andreas Gora/dpa

Icke: Aktuell haben wir wieder eine Nationalmannschaftspause. Aber dann geht's bis Weihnachten noch einmal in die "Vollen". Am 23. November treten wir in Wolfsburg an. Danach haben wir am 30. November ein Heimspiel gegen Leverkusen. Um dann am 6. Dezember in Stuttgart vorstellig zu werden. Am 14. Dezember empfangen wir Bochum und das letzte Pflichtspiel ist am 21. Dezember in Bremen. Mit Bochum und Leverkusen haben wir also noch zwei Heimspiele, dafür aber mit Wolfsburg, Stuttgart und Bremen drei Auswärtsspiele. Wenn es gut läuft rechne ich mit zwei bis drei Auswärtspunkten und drei Heimpunkten. Wir hätten dann zu Weihnachten 21 bis 22 Punkte. Und das wäre auch völlig akzeptabel für einen neuen Trainer und ein neues (Defensiv-) System.

Die Frage ist aber wohl, spielen wir in der 2. Halbserie das gleiche System? Also mit drei Innenverteidigern plus zwei echten defensiven Mittelfeldspielern. Am letzten Freitagabend neutralisierten sich Union und Freiburg gegenseitig. Eben weil beide Mannschaften starke Abwehrverbunde haben. Und trotzdem gab es einen Unterschied. Freiburg setzte (mit Osterhage und Eggestein) im Zentrum seines Mittelfeldes zwei Spieler ein, die eher im zentralen Mittelfeld, als im defensiven Mittelfeld zu Hause sind. Also vom Papier her mehr für den Spielaufbau leisten können. Dazu setzte Freiburg nur zwei Innenverteidiger ein und komplettierte die Viererkette mit zwei Außenverteidigern. Die hatten wir mit Trimmel und Skov noch zusätzlich zu den drei Manndeckern. Alle sieben defensiven Spieler bei Union erfüllten nach hinten auch ihre Aufgaben. Sogar sehr gut.

Allerdings geht das auf Kosten unserer Offensive. Da kam sehr wenig. Überraschendes … sogar sehr wenig. Hollerbach, und das sahen wir sehr häufig, dribbelt sich immer wieder fest. Auch weil auf ihm eine große Verantwortung für die Abteilung Attacke liegt. Und "Kopf oben" ist auch nicht seine große Stärke. Aber er versucht es wenigstens immer wieder. Gegen Freiburg sahen wir dann auch deutlich, dass man Vertessen - und noch augenscheinlicher Jeong - sehr leicht aus dem Spiel nehmen kann. Jeong spielte ziemlich viele ungefährliche Alibi- und Quer-Pässe. Und Vertessen fehlen einfach die Anspiel-Stationen. Wir kamen ja kaum einmal in den Freiburger Strafraum. Ein Benes auf der "8" neben Khedira oder Kemlein als alleinige "6" könnte unserem Spiel deutlich guttun. Von seinen 231 Pflichtspielen im Männerbereich lief Benes 113 Mal als "8er" auf. Dabei gelangen ihm 25 Tore und 32 Tor-Vorbereitungen. Ein sehr starker Wert (für diese Position)! Wir müssen uns wohl an diese "Waffe" erinnern, die wir sogar im Kader haben. Und dass der Einsatz eines zentralen Mittelfeldspielers nicht zu Lasten der defensiven Qualität geht (bzw. gehen muss), zeigte uns Freiburg eindrucksvoll.

Auch an diesem Freitagabend standen unsere neuen Stürmer Prtajin und Ilic wieder nicht einmal im Kader. Hier muss im Winter eine Lösung her. Genauso wie für den Chancenlosen Preu. Die nächste Frage ist, bekommt Roussillon noch einmal eine Chance? Oder haben Rothe und Skov da jetzt langfristig die Nase vorn? Ähnliches gilt für unser zentrales Mittelfeld. Ein bis zwei Spieler sind da immer noch zu viel im großen Kader. Ich denke, Bo hat das längst erkannt. Möchte aber bis Weihnachten aus Stabilitätsgründen so wie bisher weitermachen. Dann kann er die zweite Stufe zünden, eine echte "8" für die zweite "6" einbauen. Horst Heldt könnte ihn mit einem wirklich guten Stürmer im Winter zusätzlich helfen. Nun aber gönnen wir uns die Länderspielpause. Eisern.

Titelfoto: Andreas Gora/dpa

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