Letzte Patrone Trainerwechsel? Wie geht es bei der VSG Altglienicke weiter?
Berlin - Es war eine Hammermeldung, die am Dienstag-Mittag in der Regionalliga-Szene für Aufsehen sorgte: Die VSG Altglienicke trennte sich von seinem langjährigen Erfolgstrainer Karsten Heine (68), da das Saisonziel Aufstieg in die 3. Liga in Gefahr schien. War der Rausschmiss ein Schnellschuss?
Heine holte zuletzt neun Punkte aus vier Spielen: War die Trennung wirklich notwendig?
Der 68-Jährige gilt in der Trainerszene des Nordostens als so etwas wie eins der Urelemente des Universums. Seit 1988 steht er an der Seitenlinie, 35 Jahren Wirken als Profitrainer schafft in dem schnelllebigen Geschäft heutzutage kaum noch jemand.
Genauso wie sich über vier Jahre als Trainer bei einem Klub zu halten. Er wurde Vizemeister 2019/20 und 2020/21, zog erstmals 2020 in den DFB-Pokal ein. Karsten Heine hat viel erreicht bei der VSG und sich selbst bei Fans anderer Vereine den Ruf als echter Gentleman erarbeitet.
Umso schwerer dürfte Altglienicke die Trennung gefallen sein, zumal sich über mehrere Jahre auch freundschaftliche Verbindungen aufbauen.
Rein sportlich gesehen holte Heine allerdings seit Längerem zu wenig aus den Möglichkeiten des Kaders heraus. Oft brach ihm die Defensive das Genick: Viele der hochveranlagten Offensivkicker vermittelten Außenstehenden den Eindruck, keine ausgeprägte Lust auf Defensivarbeit zu verspüren.
In dem Zuge ist genauso die Kaderplanung des Klubs zu hinterfragen, die sich vorwiegend auf starke offensive Individualisten stützt und in vielerlei Hinsicht die richtige Balance im Team vermissen lässt.
Regionalliga Nordost: Die Trennung von Karsten Heine unterstreicht die Altglienicker Ziele
Die Trennung von Heine ist ein klares Indiz für die Unzufriedenheit mit der sportlichen Lage. Acht Punkte Rückstand auf Tabellenführer Energie Cottbus (Altglienicke hat den Nachholer gegen Chemnitz in der Hinterhand) sind ein Brett.
Wie schon in den Vorsaisons ging die Angst um, sich frühzeitig aus dem Titelrennen zu verabschieden. Deswegen schien der Trainerwechsel die letzte Patrone, um mit aller Macht den direkten Aufstiegsplatz dieses Jahr zu erreichen.
Dafür wurde kräftig investiert: Regionalliga-Überspieler Tolcay Cigerci (28) wurde mit der Kapitänsbinde für ein weiteres Jahr geködert und die früheren Bundesliga-Akteure Akaki Gogia (31) und Martin Kobylanski (29) geholt.
Altglienicke ist seit Jahren dafür bekannt, große Namen zu verpflichten. Viele Beobachter sind sich aber einig: Auf dem Papier hat die VSG diese Spielzeit den wohl besten Kader ihrer Geschichte.
Da die meisten Akteure nur für eine Saison unterschrieben, scheint es vorstellbar, dass dies der letzte Versuch ist, den Drittliga-Aufstieg zu packen. Erinnert sei an den Frühsommer, als ein Regionalliga-Rückzug aus finanziellen Gründen im Raum stand.
Im Freitagsspiel beim FC Eilenburg (Anstoß: 19 Uhr) haben derweil die bisherigen Co-Trainer Torsten Mattuschka (43) und Dan Twardzik (32) das Sagen, die Präsentation eines neuen Cheftrainers ist bis dahin unwahrscheinlich.
VSG Altglienicke: Viele Trainer mit Berliner Bezug und der Regionalliga Nordost sind auf dem Markt
Regionalliga und Berliner Fußball sind ein besonderes Pflaster, zu der nicht jeder Trainer passt. Und die VSG ist nochmal ein spezieller Fall.
Denn mit Blick auf das Zuschauer-Interesse und die Infrastruktur gibt es attraktivere Aufgaben. Andererseits sind die finanziellen Mittel und der qualitativ gut bestückte Kader sicherlich gute Argumente, mit denen sich arbeiten lassen.
Ersan Parlatan (46, ehemals Berliner AK) ist aktuell verfügbar und weiß, wie Regionalliga Nordost funktioniert. Mit dem Altglienicker Defensivakteur Shawn Kauter (27) arbeitete er beim Berliner AK 2018/19 überaus erfolgreich zusammen (Platz zwei).
Ein Benedetto Muzzicato (45), der mittlerweile die höchste Trainerlizenz erworben hat, stieg 2020/21 mit Viktoria Berlin in die 3. Liga auf. Dort formte er den heutigen VSG-Kapitän Tolcay Cigerci zu einem Topspieler, ehe der Offensivakteur in die Türkei wechselte und wenig später Muzzicato selbst gehen musste.
Auch der Ende Januar beim Halleschen FC freigestellte André Meyer (39) hat mit einigen Spielern aus dem derzeitigen Altglienicke-Kader schon zusammengearbeitet und kennt sich bestens im Berliner Fußball aus.
In Berlin sogar geboren ist Christian Preußer (39), der sich nach seinem Aus bei der U23 von Borussia Dortmund in der 3. Liga eher eine Etage tiefer orientieren muss. Er war als Jugendspieler und Nachwuchstrainer vor vielen Jahren bei der VSG Altglienicke schon tätig.
Titelfoto: Bildmontage: PICTURE POINT / S. Sonntag