Aufstand der Kleinen: Drei Regionalliga-Klubs entwickeln sich zum Favoritenschreck!

Luckenwalde/Berlin/Meuselwitz - 14 Spieltage der Regionalliga Nordost sind absolviert und so mancher Fan eines einst ruhmreichen Traditionsvereins dürfte sich in der Landespokalpause die Augen reiben. Denn statt Namen wie Lok Leipzig oder der Chemnitzer FC halten sich in der oberen Tabellenregion kleinere Klubs wie der FSV Luckenwalde, Viktoria Berlin oder der ZFC Meuselwitz auf.

Unnachgiebig: Der FSV Luckenwalde um Kapitän Christian Flath (29) ärgerte diese Saison schon den ein oder anderen großen Namen.
Unnachgiebig: Der FSV Luckenwalde um Kapitän Christian Flath (29) ärgerte diese Saison schon den ein oder anderen großen Namen.  © Picture Point / Gabor Krieg

Die etwa 400 Erfurter Schlachtenbummler dürften sich am Sonntag in Luckenwalde wie im falschen Film geführt haben. Da stand zum Ende des Spiels allen Ernstes ein 0:4 aus RWE-Sicht auf der Anzeigetafel des Werner-Seelenbinder-Stadions.

Für Rot-Weiß Erfurt bedeutete das nach dem grandiosen 3:1 der Vorwoche über Topteam BFC Dynamo mehrerlei Unheil: Ein empfindlicher Rückschlag, die höchste Saisonniederlage und den Umstand, dass die Brandenburger an den Thüringern in der Tabelle vorbeizogen.

Die Partie war überhaupt das erst dritte Duell beider Klubs, was viel über die Vergangenheit aussagt. Denn während Erfurt lange DDR-Oberliga spielte und zwei Jahre sogar in der 2. Bundesliga verbrachte, ist Luckenwalde seit jeher ein Amateurverein.

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2023 hat sich der Verein aus einer Kleinstadt südlich von Berlin dank kontinuierlicher Arbeit längst in der Regionalliga etabliert. Und ist an guten Tagen in der Lage, Klubs wie Erfurt, Lok (2:0) oder Chemnitz (2:1) zu schlagen.

Luckenwalde macht aus wenig viel und holte mit einer Truppe voller Studenten, Azubis und Akteuren, die tagsüber hauptberuflich einem geregeltem Job nachgehen, starke 22 Zähler.

Das gilt auch fürTrainer Michael Braune (37), der entgegen manch anderer Konkurrenten immer voll auf Sieg spielt. Das zeigen erst ein Remis diese Spielzeit und sechs Partien mit mindestens vier Toren hüben wie drüben.

Regionalliga Nordost: Der FSV Luckenwalde und der ZFC Meuselwitz verspeisen gerne große Namen

Gemeinschaftlich: Am Sonntag zog der Chemnitzer FC gegenüber gnadenlos effektiven Meuselwitzern den Kürzeren.
Gemeinschaftlich: Am Sonntag zog der Chemnitzer FC gegenüber gnadenlos effektiven Meuselwitzern den Kürzeren.  © Picture Point / Gabor Krieg

Das Luckenwalder Modell ist in einer immer namhafteren und professionellen Regionalliga Nordost einerseits bemerkenswert, aber kein Alleinstellungsmerkmal. Auch beim ZFC Meuselwitz ist seit Jahren Arbeit und Fußball gang und gäbe.

Außerdem scheint Kontinuität im Kader ein Schlüssel zu sein: Bei Luckenwalde stehen 13 Akteure der Vorsaison noch immer im Aufgebot, bei Meuselwitz sind es sogar 14 Mann.

Bei den Zipsendorfern gibt es seit dieser Saison mit Georg-Martin Leopold (46) ein neues Gesicht an der Seitenlinie, der mit "Grundvertrauen" und "Gier" das Maximum aus dem seit Jahren eher alten Kader herausholt.

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Platz sieben nach 14 Runden liest sich nach vielen unruhigen Jahren mit Abstiegskampf äußerst annehmbar.

Meuselwitz besiegte ebenso wie Luckenwalde die drei Vereine Erfurt (2:1), Lok (3:2) und Chemnitz (1:0). Zudem taugte der jüngste beherzte Auswärtsauftritt (3:2-Sieg) als Sargnagel für Altglienicke-Urgestein Karsten Heine (68).

Darüber hinaus gewinnt man den Eindruck, dass die Zipsendorfer wieder eine echte Gemeinschaft sind, nur einmal kassierte man mehr als zwei Gegentore, nachdem man in den Vorjahren oft zu Schützenfesten eingeladen hatte.

Viktoria Berlin: Jung, schmal und erfolgreich

Erfrischend: Zum Jubeln kommt selbst der Keeper mit nach vorne geeilt - Viktoria Berlin feiert einen seinen Treffer.
Erfrischend: Zum Jubeln kommt selbst der Keeper mit nach vorne geeilt - Viktoria Berlin feiert einen seinen Treffer.  © PICTURE POINT / S. Sonntag

Am vielleicht erstaunlichsten ist aber der dauerhafte Höhenflug von Viktoria Berlin. Der schmalste (21 Akteure, darunter nur 17 Feldspieler im Seniorenalter) und jüngste Kader (21,9 Jahre im Durchschnitt) mischt die Liga seit Spieltag eins auf.

Damals musste Energie Cottbus (2:1) dran glauben, seitdem gesellten sich Siege gegen Carl Zeiss Jena (2:1) und der 5:0-Albtraum von Lok Leipzig hinzu.

Der Erfolg unter Trainer Semih Keskin (34) kommt umso überraschender, da vor der Saison nahezu sämtliche Leistungsträger (Küc, Dehl, Harres, Gunte, Seiffert, Cvjetinovic) den Klub verließen.

Viktoria ist außerdem das Team mit den wenigsten Pässen in der Liga und der schlechtesten Passquote. Wie kann man unter den Umständen Platz fünf (26 Zähler) belegen? Mit Effizienz vor dem Tor (sechsmal reichten ein oder zwei Tore zu einem Sieg) und der zweitbesten Defensive der Liga (nur zwölf Gegentore).

Was obendrein alle drei Vereine verbindet: Alle Klubs werden oder wurden in der Vergangenheit ein wenig belächelt angesichts ihrer Möglichkeiten. Dass ihnen die Underdog-Rolle liegt, beweisen die vielen Siege gegen größere Vereine.

Favoritenschreck Viktoria reist als Nächstes nach Chemnitz. Cottbus muss Anfang Dezember nach Luckenwalde, wo die Wollitz-Elf gerne schon mal strauchelte.

Meuselwitz hat stattdessen am kommenden Samstag ein Heimspiel gegen Erfurt, diesmal im Thüringen-Pokal. Nicht nur RWE sollte dieser Tage vor dem Aufstand der Kleinen gewarnt sein.

Titelfoto: Picture Point / Gabor Krieg

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