Scherbenhaufen Chelsea! Geht Trainer-Favorit Nagelsmann die Herkulesaufgabe an?
London - Die Fans des FC Chelsea sind im Moment wahrlich nicht zu beneiden. Das Aus in der Königsklasse gegen Real Madrid am Dienstagabend war nur der nächste Tiefpunkt des langen Tals, welches sich durch die gesamte Saison zieht. Der Heiland am Horizont scheint auf den Namen Julian Nagelsmann (35) zu hören, doch springt der deutsche Coach tatsächlich in die englische Schlangengrube?
Bereits in der vergangenen Woche soll sich der Ex-Bayern-Trainer mit den beiden Chelsea-Sportdirektoren Paul Winstanley (44) und Laurence Stewart (37) getroffen haben, um über seine Vorstellungen im Falle eines Engagements an der Themse zu sprechen.
Dabei hinterließ der 35-jährige Übungsleiter offenbar Eindruck, denn wie Sky nun berichtet, liegt er im internen Kandidaten-Ranking der Blues vor dem Spanier Luis Enrique (52) an der Spitze.
Eine endgültige Entscheidung sei demnach bislang aber noch nicht gefallen, auch Nagelsmann müsse von dem Projekt erst noch überzeugt werden.
Da drängt sich allerdings die Frage auf, warum der gebürtige Landsberger die Mammutaufgabe an der Stamford Bridge überhaupt angehen sollte.
"Ich würde ihm ganz klar abraten. Es kommt Unruhe durch die Führung, von jemandem, der Einfluss nehmen will, der aber scheinbar keine Ahnung hat", warnte etwa TV-Experte Matthias Sammer (55) während der CL-Übertragung auf Amazon Prime.
Thiago Silva und Didier Drogba kritisieren Chelsea-Besitzer Todd Boehly
Mit seinen Worten spielte der BVB-Berater auf Chelsea-Besitzer Todd Boehly (49) an. Der US-amerikanische Unternehmer übernahm den Spitzenklub im Mai 2022 nach dem Ausstieg von Roman Abramowitsch (56).
Seitdem war einiges los in der englischen Hauptstadt. So gaben die Blues in der laufenden Saison schon rund 600 Millionen Euro für neue Kicker aus. Das Ergebnis: Ein enttäuschender elfter Platz in der Premier League sowie das Ausscheiden aus allen Pokalwettbewerben.
"Wir müssen damit aufhören und uns eine Strategie zurechtlegen. Sonst werden wir in der nächsten Saison die gleichen Fehler machen", wetterte Abwehr-Routinier Thiago Silva (38) nach der Pleite gegen Real.
Und er fügte an: "Wir mussten die Umkleidekabine vergrößern, weil sie nicht zur Größe des Kaders passte. Es ist eine schwierige Zeit für den Verein, mit großer Unschlüssigkeit."
Vereinslegende Didier Drogba (45) schlug als Experte für den französischen TV-Sender Canal+ in eine ähnliche Kerbe: "Ich kannte diesen Klub mit einer gewissen Klasse während der Abramowitsch-Ära, aber heute fehlt mir das."
"Es ist sehr schwer für mich zu sehen, wie sie bestimmte Leute losgeworden sind. Sie sollten zu den Prinzipien und Werten zurückkehren, die sie hatten. Ich erkenne meinen Verein nicht mehr", erklärte der ehemalige Weltklasse-Stürmer.
Frank Lampard ist schon der dritte Chelsea-Trainer in der laufenden Saison
Vor allem Boehly steht aufgrund fragwürdiger Fußballkenntnisse und diskutabler Entscheidungen immer wieder in der Kritik.
Direkt zu Beginn seiner Amtszeit sollen er und seine Mitarbeiter dem damaligen Chelsea-Coach Thomas Tuchel (49) ein System mit zwölf Feldspielern vorgeschlagen haben. Zuletzt geriet er im Zuge der Ernennung von Frank Lampard (44) wegen eines angeblichen Ratschlags von TV-Moderator James Corden (44) in die Schlagzeilen.
Der frühere "Three Lions"-Star ist bereits der dritte Chelsea-Übungsleiter innerhalb kürzester Zeit. Ausgezahlt hat sich die Trainer-Rochade an der Stamford Bridge derweil nicht.
Nachdem Graham Potter (47) als kostspieliges Missverständnis nur knapp sieben Monate an der Seitenlinie stand, "feierte" Rückkehrer Lampard zum Start einen historischen Negativrekord.
Mit der Niederlage im Viertelfinal-Rückspiel gegen die Königlichen verlor der 44-Jährige als erster Coach der 118-jährigen Vereinsgeschichte seine ersten vier Partien. Vier Pleiten in Serie mussten die Blues darüber hinaus letztmals vor 30 Jahren im November 1993 einstecken.
Sollte sich Nagelsmann also für den Job auf der Insel entscheidenden, würde ihn kein gemachtes Bett, sondern vielmehr eine baufällige Ruine erwarten.
Vielleicht ist das ja aber genau das Richtige für den Ex-Münchner: "Architektur fasziniert mich, auch das Bauwesen, die Schreinerei und die Zimmerei", sagte er kürzlich im Interview mit der Welt am Sonntag.
Titelfoto: ODD ANDERSEN / AFP, Glyn KIRK / AFP