EM 2024: Das sind bisher die Gewinner und Verlierer

Deutschland - 81 Tore in 36 Spielen! Jetzt kann erst mal zwei Tage durchgeschnauft werden! Die EM-Vorrunde ist abgehakt, mittlerweile stehen auch sämtliche Achtelfinal-Paarungen fest. TAG24 wagt eine erste Bilanz: Wer sind die Gewinner der Gruppenphase? Welche Teams und Akteure haben enttäuscht?

Die Gruppenphase ist absolviert, ab Samstag geht's in die Achtelfinals.
Die Gruppenphase ist absolviert, ab Samstag geht's in die Achtelfinals.  © Fotomontage: Adobe stock/miamonensi, TAG24/CB

Österreich gewinnt sensationell Gruppe D

Die Ski-Fahrer-Nation kann auch Fußball!

In einer der schwereren Gruppen haben sich die ÖFB-Kicker überraschend als Gruppensieger durchgesetzt. Der Erfolg unserer Nachbarn geht auf "Professor" Ralf Rangnick (65) zurück, der einst wie ein Gelehrter im Sportstudio über die Viererkette dozierte. Rangnick wirkt diesmal gar nicht oberlehrerhaft, kommt gut an beim Team. Christoph Baumgartner (24) flitzte nach seinem Treffer zum 2:1 gegen Polen direkt in die Arme des Trainers.

Der Coach lässt ein trickreiches Angriffspressing spielen, das die meisten seiner Akteure ohnehin beherrschen, weil sie es in der RB-Schule gelernt haben. Anpassungsschwierigkeiten an die Stadien hat die Mannschaft ohnehin nicht, weil das Gros der Akteure in der Bundesliga kickt oder Erfahrung in Deutschlands höchster Spielklasse gesammelt hat. Gegen die Niederlande wirkten die Ösis mental stark, hatten sogar auf den zweifachen Oranje-Ausgleich eine Antwort parat.

Der verletzungsbedingte Ausfall vom etatmäßigen Abwehrchef David Alaba (32) fällt bislang nicht ins Gewicht, auch weil Champions-League-Finalist Marcel Sabitzer (30) wie ein echter Leitwolf vorangeht. Deutschland und die Niederlande hat Österreich in den vergangenen Monaten bereits geschlagen. Die Österreicher haben das Zeug, bis ins Halbfinale oder noch weiter einzuziehen.

Der Tor-Moment der Erlösung. Christoph Baumgartner (24, r.) rennt nach dem 2:1 gegen Polen schnurstracks in die Arme von Österreichs deutschem Erfolgscoach Ralf Rangnick (65).
Der Tor-Moment der Erlösung. Christoph Baumgartner (24, r.) rennt nach dem 2:1 gegen Polen schnurstracks in die Arme von Österreichs deutschem Erfolgscoach Ralf Rangnick (65).  © Michael Kappeler/dpa

Die EM-Außenseiter sorgen für Furore: Slowenien, Slowakei, Georgien

Wenn jemand vor dem Turnier prophezeit hätte, dass sowohl Slowenien, Slowakei als auch Georgien die K.-o.-Runde erreichen, man hätte ihn wohl für verrückt erklärt.

Doch der neue Modus, dass vier Gruppendritte weiterkommen, macht es möglich. Jedes der drei Teams hat auf eine eigene Art und Weise für Furore gesorgt. Georgiens Giorgi Mamardashvili (23) hat türkische, tschechische und portugiesische Vorderleute mit seinen Paraden zur Verzweiflung getrieben. Die Slowakei zeigte sich wandelbar, sorgte mit einem nicht erwartbaren 1:0-Erfolg gegen Belgien für die erste Euro-Überraschung und machte beim 1:1 im letzten Gruppenspiel gegen Rumänien nicht den Fehler, sich gegen einen wild anrennenden Gegner nur hinten reinzustellen.

Einer für alle, alle für einen: Musketier-ähnlich hat Slowenien sensationell das Achtelfinale erreicht. Die minimalistische Spielweise im superstabilen 4-4-2 wurde belohnt. Nur zwei Gegentore in drei Spielen verdankt das Team auch dem Mitverteidigen der Offensivleute. So klärte Top-Star Benjamin Sesko (21) gegen England gleich doppelt auf der Torlinie.

Zwei Außenseiter, die für Wirbel gesorgt haben. Georgien um Torhüter Giorgi Mamardashvilli (23, rechts) lässt aufhorchen und Sloweniens Superstar Benjamin Sesko (21, links) ist sich auch für Defensivarbeit nicht zu schade.
Zwei Außenseiter, die für Wirbel gesorgt haben. Georgien um Torhüter Giorgi Mamardashvilli (23, rechts) lässt aufhorchen und Sloweniens Superstar Benjamin Sesko (21, links) ist sich auch für Defensivarbeit nicht zu schade.  © Bildmontage: Tamuna Kulumbegashvili/AP/dpa, Kirill Kudryatsev/AFP

Spanien präsentiert sich bei der Europameisterschaft wie ein Top-Favorit

Den mit Abstand ausgereiftesten Fußball hat in der Vorrunde Spanien gespielt.

Die Iberer wurden mit einem makellosen Torverhältnis von 5:0 als Gruppensieger für ihre starken Darbietungen belohnt. Zwar haben die Spanier nicht den Weltklasse-Mittelstürmer vergangener Tage, doch wirken Keeper Unai Simon (27) und seine Viererkette eingespielt, das Parade-Mittelfeld - bestehend aus Pedri (21), Rodri (28) und Fabián (28) - lässt den Ball nach Belieben zirkulieren.

Auf dem Flügel sind die Jungspunde Nico Williams (21) und Lamine Yamal (16) im Eins-gegen-eins schwer zu stoppen, und wohl dem, der es sich leisten kann, einen Alejandro Grimaldo (28), Dani Olmo (26) und Ferran Torres (24) auf der Bank zu lassen.

Starke Startelf, krasse Bankspieler, noch kein Gegentor: Der Weg zum Titel führt nur über "La Furia Roja".

Die Spanier haben Spaß und sind technisch kaum zu stoppen. Nico Williams (21, M.) und Lamine Yamal (16) sind aus der Startelf kaum wegzudenken und haben die spielerische Leichtigkeit, die es für Siege braucht.
Die Spanier haben Spaß und sind technisch kaum zu stoppen. Nico Williams (21, M.) und Lamine Yamal (16) sind aus der Startelf kaum wegzudenken und haben die spielerische Leichtigkeit, die es für Siege braucht.  © Manu Fernandez/AP/dpa

Euro 2024: Deutschland übersteht die Vorrunde ungeschlagen

Nach dem zweimaligen Scheitern bei einer WM-Vorrunde wurde viel auf die Nationalelf eingedroschen. Deshalb ist der deutsche Achtelfinal-Einzug als kleiner Erfolg zu werten.

Die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) spielte dreimal in Folge mit derselben Startelf. Seine Personalentscheidungen, Toni Kroos (34) als Leader zurückzuholen, mit Robert Andrich (29) ein "Arbeitstier" danebenzustellen und auch auf den kritisierten Kapitän İlkay Gündoğan (33) zu setzen, zahlten sich aus. Dass er im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern auch über einen Plan B verfügt, zeigte Nagelsmann mit einer Systemumstellung nach dem Seitenwechsel gegen die Schweiz, die mit einem späten Ausgleich durch Niclas Füllkrug (31) belohnt wurde.

Zwar herrscht keine übertriebene Begeisterung wie 2006 rund um das DFB-Team. Die Zahl der Autofahnen und Flaggen an Wohnhäusern ist deutlich geringer als noch vor 18 Jahren. Doch auf den Fanmeilen oder in den Public-Viewing-Locations wird das Deutschland-Trikot (vor allem das Auswärtstrikot) wieder mit Stolz getragen. Phasenweise wackelten die Deutschen allerdings in der Abwehr. Gut möglich, dass deshalb im Viertelfinale (vermutlich gegen Spanien) Schluss für die Nationalmannschaft ist.

Doch wird diese Hürde genommen, kann mit dem Publikum im Rücken sogar nach den Titel-Sternen gegriffen werden.

Die Entscheidungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann (36, M.) greifen bisher. Toni Kroos (34, r.) ist der deutsche Leitwolf im Mittelfeld, den es gebraucht hat.
Die Entscheidungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann (36, M.) greifen bisher. Toni Kroos (34, r.) ist der deutsche Leitwolf im Mittelfeld, den es gebraucht hat.  © Federico Gambarini/dpa

England enttäuscht bei der EM 2024 auf ganzer Linie

"Gareth Southgate, all England is with you", sagte der Kommentator, bevor der jetzige englische Nationaltrainer 1996 den entscheidenden Elfmeter gegen Deutschland verschoss. Aber steht das Land jetzt noch hinter ihm?

Nach den Unentschieden gegen Dänemark (1:1) und Slowenien (0:0) hagelte es Buh-Rufe von den Rängen.

Die britischen Fans waren so empört über die spielerische Darbietung der "Three Lions", das sie sogar mit Bechern auf Southgate (53) warfen. So eine Unsitte gehört verboten, der Unmut über die englischen Langeweile-Kicks ist jedoch verständlich. Risikoscheues Hin- und Hergepasse, kaum gewonnene Dribblings in den entscheidenden Zonen, stets regiert der Safety-First-Gedanke. Als Zuschauer ist man bei englischen Spielen oft dem Einschlafen nah.

Das dürfte mit einem Top-Kader, der unter anderem den besten Spieler der spanischen Primera División (Jude Bellingham, 20), einen der stärksten Spieler der Premier-League-Saison (Phil Foden, 24) und Bundesliga-Torschützenkönig Harry Kane (30) hat, eigentlich nicht der Fall sein - auch wenn manche Stars überspielt wirken.

Mit merkwürdigen Maßnahmen wie der positionsfremden Aufstellung von Flügelflitzer Trent Alexander-Arnold (25) im Mittelfeld-Zentrum schaufelt sich Southgate sein eigenes Trainergrab. Die englische Nationalmannschaft ist weit davon entfernt, als Titelkandidat zu gelten.

Der Applaus täuscht. Die englischen Fans sind unzufrieden mit den Darbietungen von Gareth Southgate (53) und seinen Mannen.
Der Applaus täuscht. Die englischen Fans sind unzufrieden mit den Darbietungen von Gareth Southgate (53) und seinen Mannen.  © Marius Becker/dpa

EM-Verlierer der Vorrunde: Kroatien scheidet in der Vorrunde aus

Sympathie bringt keine Punkte!

Kroatiens Mittelfeldmotor Luka Modrić (38) flogen bei dem EM-Turnier die Herzen zu. Gegen Italien vergab er vom Punkt, netzte Sekunden später zur Führung, bangte dann in sein Shirt beißend am Seitenrand und war nach dem späten italienischen Ausgleich schließlich den Tränen nahe.

Am Oldie lässt sich ganz gut veranschaulichen, warum die Kroaten die Heimreise antreten müssen. Der 38-Jährige hat keine Luft mehr für 90 Minuten auf allerhöchstem Level, auch wenn man ihm und seinen Teamkollegen das Bemühen nicht absprechen kann.

Zudem gingen die Balkan-Kicker verschwenderisch mit ihren Torchancen um, vergaben allein in der Vorrunde zwei Elfmeter und wirkten in den entscheidenden Momenten gegen Albanien unkonzentriert. Die Gegentore fielen dort in der 1. Minute und in allerletzter Sekunde.

Die Enttäuschung über das vorzeitige Ausscheiden ist bei Kroatiens Altstar Luka Modrić (38) nicht zu übersehen.
Die Enttäuschung über das vorzeitige Ausscheiden ist bei Kroatiens Altstar Luka Modrić (38) nicht zu übersehen.  © Jan Woitas/dpa

Europameisterschafts-Enttäuschung: Belgiens hochgelobte Offensivreihe zündet noch nicht

Hätte, hätte, Fahrradkette. Hätten alle seine Treffer gezählt, wäre Belgiens Muskelprotz Romelu Lukaku (31) nun der Führende der EM-Torschützenliste.

Da drei seiner Tore wegen Abseits oder Handspiel die Anerkennung verweigert wurde, hat die Offensivmacht Belgien nur zwei magere Törchen auf der Habenseite. Einzig gegen Rumänien wurde munterer Angriffs-Fußball gespielt. In den Duellen mit der Slowakei (0:1) und Ukraine (0:0) blieb die Weltklasse-Offensivreihe um Lukaku, Kevin de Bruyne (32) und Jérémy Doku (21) den Beweis internationaler Klasse schuldig.

Phasenweise erinnerte die Spielweise an Ergebnisfußball, den man aus Schalker Zeiten vom Nationalcoach Domenico Tedesco (38) kennt. Mit Frankreich wartet in der K.-o.-Runde einer der denkbar schwersten Brocken.

Es riecht erneut nach einer vorzeitigen Heimreise für den (seit Jahren schon) Geheimfavoriten für internationale Turniere.

Die Gestiken täuschen über die Situation bei den "Roten Teufeln" hinweg. Die hochgelobte belgische Offensive um Romelo Lukaku (31, l.) und Kevin de Bruyne (32) ist noch nichts ins Rollen gekommen.
Die Gestiken täuschen über die Situation bei den "Roten Teufeln" hinweg. Die hochgelobte belgische Offensive um Romelo Lukaku (31, l.) und Kevin de Bruyne (32) ist noch nichts ins Rollen gekommen.  © Rolf Vennenbernd/dpa

EM 2024: Superstars drücken dem Turnier (noch) nicht ihren Stempel auf

Bisher ist die Europameisterschaft nicht das Turnier der Superstars.

Einzig Toni Kroos (34) nimmt bei Deutschland eine Führungsrolle im Mittelfeld ein. Luka Modrić (38) fehlten die Körner, zudem schieden seine Kroaten aus.

Englands Jude Bellingham (20) wirkt nach einer langen Saison müde oder wird von Southgate vielleicht auch zu stark in ein taktisches Defensiv-Korsett gepresst. Niederlande-Kapitän Virgil van Dijk (32) wurde öffentlich angezählt.

Frankreichs Superstar Kylian Mbappé (24) bekam gleich im ersten Spiel gegen Österreich ordentlich auf die Socken und auf die Nase. Seitdem muss der Neuzugang von Real Madrid mit Nasenbeinbruch und Maske spielen, schmorte ein Match sogar nur auf der Bank. Immerhin zeichnet er aber für einen Treffer und eine Torvorlage bei den Franzosen verantwortlich.

Einen Treffer vorbereitet und sich danach gebührend feiern lassen hat auch Cristiano Ronaldo (39). Dass der Portugiese mit 39 Jahren noch Startelf-Spieler ist, verlangt Anerkennung. Doch gegen Georgien blamierte sich die schon qualifizierte Seleção und kassierte eine 0:2-Niederlage, bei der auch der unangefochtene EM-Rekordspieler nix ausrichten konnte.

Ausgewechselt und frustriert: Cristiano Ronaldo (39) trat nach seiner Auswechslung gegen Georgien enttäuscht gegen eine Plastikflasche.
Ausgewechselt und frustriert: Cristiano Ronaldo (39) trat nach seiner Auswechslung gegen Georgien enttäuscht gegen eine Plastikflasche.  © Bernd Thissen/dpa

16 von 24 Teams sind noch dabei, wenn es am Samstag mit der K.-o.-Runde der Fußball-Europameisterschaft weitergeht.

Titelfoto: Bildmontage: Michael Kappeler/dpa, Marius Becker/dpa

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