Warum gilt der Vertrag nur bis zur EM? Erklärungsversuche von Nagelsmann
Frankfurt (Main) - Am heutigen Freitagmittag stellte der DFB Julian Nagelsmann (36) erwartungsgemäß als neuen Bundestrainer vor. Doch schon im Rahmen der Pressekonferenz gab es rege Nachfragen um die Länge des Arbeitspapiers.
Finanzielle Abwägung, fehlende Überzeugung oder ein Lerneffekt des DFB? Die befristete Vertragslaufzeit von Neu-Nationaltrainer Julian Nagelsmann bis zum Ende der EM 2024 sorgt quasi schon in der Sekunde der Unterschrift für Diskussionen.
Und das weiß Nagelsmann auch. So überzeugend und klar er während der übrigen PK wirkte, bei der Frage nach der Vertragslänge merkt man dem neuen Hoffnungsträger die Nervosität an.
"Bammel habe ich nicht" vor der Aufgabe, denn "ich habe Vertrauen in Mannschaft und Trainerteam". Doch Nagelsmann weiß um die Gemütslage und Erwartungshaltung in der Fußball-Nation Deutschland.
Anders ist der an dieser Stelle etwas abgehackte Sprech und das redundante Wiederholen des Gesagten kaum zu erklären. Dem aufmerksamen Beobachter fiel außerdem auf, dass Nagelsmann während jener Ausführungen vermehrt unruhig auf seinem Stuhl hin- und her rutschte.
Zwar sei Nagelsmann laut DFB-Präsident Bernd Neuendorf (62) "erster Ansprechpartner gewesen" und der Entschluss pro Ex-Bayern-München-Trainer "einstimmig", die Vertragslaufzeit vermittelt aber etwas anderes.
Bundestrainer-Posten: Der DFB und Julian Nagelsmann werden nach der EM 2024 abrechnen
Es ist bekannt, dass der DFB dieser Tage nicht auf Rosen gebettet ist. Hansi Flick (58) steht noch in Lohn und Brot, Andreas Rettig (60) wird neuer Geschäftsführer Sport beim DFB.
Aus dem Blickwinkel ist eine Befristung von Nagelsmanns Arbeitspapier bis zum Ende der Heim-EM nachvollziehbar, um bei Scheitern nicht einen weiteren Trainer abfinden zu müssen.
Ein erneutes Vorrunden-Aus und ein Festhalten am Bundestrainer zum Beispiel ließe sich kaum einem deutschen Fußballfan vermitteln.
Doch die Erklärungsansätze Nagelsmanns wirkten alles andere als überzeugend. Dass die "EM im Fokus" stehe, ist selbsterklärend. Genauso wie der selbstlose Versuch: "Mein Job ist ein Privileg, ich verdiene genug Geld."
"Wichtig sei, dass die Arbeit zuerst Vertrauen weckt und nicht das Papier als solches", habe der bei Bayern ursprünglich bis 2026 gebundene Trainer gelernt. Damit mag er recht haben. Ein riesiger Vertrauensvorschuss ist die Vertragsdauer dennoch nicht.
Zugleich sei laut Nagelsmann "nichts ausgeschlossen", was über eine erfolgreiche EM hinaus gehe.
Kapitänsfrage der Nationalmannschaft: İlkay Gündoğan bleibt Spielführer
Um die "Idealvorstellung", ein "Sommermärchen 2.0", eintreten zu lassen, traf der neue Bundestrainer bereits erste personelle Entscheidungen: İlkay Gündoğan (32) bleibt Kapitän der Nationalmannschaft, ihn habe Nagelsmann am Vortag bereits informiert.
Außerdem gibt es keine Stammplatz-Garantie mehr für Manuel Neuer (37), sollte der langjährige Torhüter und Kapitän wieder vollständig gesundet ins Aufgebot zurückkehren. Man werde sich dann "die Zeit nehmen, um das zu bewerten."
Dafür freue er sich umso mehr auf die Zusammenarbeit mit Sandro Wagner (35) als Co-Trainer. "Wie es bei Sandro typisch ist, wurde mein Telefon sehr warm, als ich ihn anrief – weil er direkt gebrannt hat", gestand Nagelsmann.
Und wie gehe er mit der riesigen öffentlichen Erwartungshaltung um? "Ich definiere mich als Julian Nagelsmann nicht nur über meinen Job."
Dennoch darf man Nagelsmann das notwendige glückliche Händchen wünschen, damit sich die "Fehler, die ich bei Bayern gemacht habe" nicht wiederholen und die Nationalelf wieder die geschundene deutsche Fußballseele erquickt.
Titelfoto: Bildmontage: Jörg Halisch/dpa