"Komplett den Anschluss verloren!": DFB-Direktor tobt trotz Aufbruchstimmung
Frankfurt am Main - Bei der deutschen Nationalmannschaft ist zurzeit Aufbruchstimmung angesagt. Nach der Entlassung von Ex-Bundestrainer Hansi Flick (58) gewann die DFB-Elf direkt gegen Frankreich, nun ist mit Julian Nagelsmann (36) ein neuer, junger, ehrgeiziger Trainer bis zur EM gefunden worden. Doch für einen DFB-Funktionär ist das noch lange kein Anlass zur Beruhigung.
Tobias Haupt (39), Leiter der DFB-Akademie und damit für die Weiterentwicklung des deutschen Fußballs verantwortlich, lässt sich von guter Stimmung oder kurzfristigen guten Ergebnissen nicht täuschen und schlägt Alarm.
Seit 2018 leitet der gebürtige Landshuter die Akademie, ist somit hautnah am Geschehen dran. Es hat also viel Gewicht, wenn er sagt: "Uns muss klar sein: Wir haben international komplett den Anschluss verloren!"
Gegenüber Bild mahnte der 39-Jährige an: "Unsere Nationalmannschaften sind schon lange nicht mehr Weltspitze. Der Trend der A-Nationalmannschaft bei großen Turnieren seit 2014 ist eindeutig negativ." Das dürften auch die meisten Fans mitbekommen haben.
Spezifischer wurde es, als Haupt erklärte: "Die Einsatzzeiten unserer U21-Nationalspieler sind viel zu gering. Die Marktwerte unserer U-Nationalspieler sind weit hinter dem internationalen Durchschnitt."
Er führte weiter aus: "Deutschland schöpft den Talent-Pool – gemessen an der Zahl der aktiven Spieler – im Vergleich mit den Top-5-Nationen am schlechtesten aus. Spanien bringt beispielsweise seit 2009 45 Prozent mehr Topspieler hervor als Deutschland."
"Wir haben in der Spitze zu wenig Breite", brachte es der Leiter der DFB-Akademie auf den Punkt: "Wir befinden uns in einer der größten Krisen in der Geschichte des deutschen Fußballs!"
Tobias Haupt: "So kann der deutsche Fußball künftig nicht erfolgreich sein!"
Doch wenn ihm das klar ist, wieso unternimmt Haupt als einer der Verantwortlichen für die Entwicklung im deutschen Fußball nichts dagegen?
Er erklärte: "Zentrale Maßnahmen, die bei uns seit Jahren auf dem Tisch liegen, werden nicht umgesetzt. Und vor allem: Essenzielle Entscheidungen, die für die Zukunft des deutschen Fußballs notwendig sind, werden seit Jahren auf die lange Bank geschoben. So kann der deutsche Fußball künftig nicht erfolgreich sein."
Außerdem sei die Umsetzungsgeschwindigkeit, wenn die Aufgaben tatsächlich angegangen werden, viel zu langsam, um den Rückstand auf die internationale Konkurrenz aufzuholen.
Daran dürfte auch die Verpflichtung von Nagelsmann, die schon von vorneherein nur auf den kurzfristigen Erfolg bei der EM 2024 anstatt auf die langfristige Inangriffnahme der Probleme im deutschen Fußball ausgelegt ist, nichts ändern.
Sieht die Zukunft des DFB also noch düsterer aus als ohnehin schon? Für Haupt ist klar: "Der Anschluss an Frankreich, England und auch weitere Nationen geht völlig verloren."
Da hilft auch eine potenziell gelungene Heim-EM im kommenden Jahr nichts.
Titelfoto: Bildmontage: Federico Gambarini/dpa, Carmen Jaspersen/dpa