Nationalspieler verrät: "Ich war im Megapark, als ich den Anruf von Löw bekam"
Palma (Spanien) - Knapp ein halbes Jahr ist das Ende der Profikarriere von Nils Petersen (34) her. Seitdem hat der Ex-Bundesliga-Profi sein Buch "Bank-Geheimnis" veröffentlicht, mit dem er dieser Tage auf Lesereise unterwegs ist. Im Gepäck: eine Menge Anekdoten und Selbstironie.
Wer Nils Petersens "Bank-Geheimnis" lesen möchte, sollte nicht denken, dass er sich auf die Reise von einem dieser typischen abgehobenen Profifußballer begibt.
Nein, Petersen ist Petersen geblieben, bodenständig, zugänglich, eloquent, unterhaltsam. Und bis heute ein Sportler von nebenan, der sich in vielen Momenten seiner überaus erfolgreichen Karriere im großen Fußball-Business oftmals völlig deplatziert fühlte.
So offenbarte der Stürmer bereits vor der Buch-Veröffentlichung, dass er sich in der Saison 2011/12 nach seinem Wechsel vom beschaulichen Zweitligisten Cottbus zum großen FC Bayern, wie ein "Goldfisch im Haifischbecken" sah.
Auf seiner Lesereise, die am Mittwoch in Cottbus Station machte, gestand der fast 300-malige Bundesliga-Angreifer, dass dieser Wechsel "fünf Schritte zu hoch" gewesen sei, ihm aber jeder den Wechsel zur "besten Firma" geraten habe.
Petersen berichtet von Unwohlsein und fehlendem Selbstwertgefühl, Bauchschmerzen am Morgen und vielen ausgefallenen Frühstücken deswegen. Auch sportlich war die Saison 2011/12 von drei zweiten Plätzen, wie dem verlorenen "Finale dahoam", geprägt.
"Ich bin wahrscheinlich der einzige Spieler, der mit Bayern keinen Titel geholt hat. Seit ich weg bin, ist der Verein jedes Mal Meister geworden", blickt der Mario-Gomez-Back-up mit einer Prise Selbstironie auf die Spielzeit zurück.
Nils Petersen war über die Nichtnominierung für den WM-Kader 2018 nicht sonderlich traurig
Später in Bremen und vor allem in Freiburg kam Petersens Karriere so richtig ins Rollen. Der Mann aus dem Harz entwickelte sich zu einem treffsicheren Bundesliga-Stürmer, was auch dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw (heute 63) nicht verborgen blieb.
Er traf sich mit Petersen im Januar 2018 zu einem losen Gespräch, eines Tages könnte die Nationalelf ein Thema werden. Am Ende der Saison 2017/18, Petersens erfolgreichster im Oberhaus (15 Saisontore) stand die Nominierung für den WM-Kader 2018 in Russland stand bevor.
Petersen hatte seit dem einmaligen Austausch mit Löw von diesem nie wieder was gehört und flog nach dem späten Freiburger Klassenerhalt zum Ballermann.
Völlig unerwartet erhielt die Freiburger Lebensversicherung vor dem Megapark stehend den Löw-Anruf, dass er im vorläufigen Aufgebot sei. Petersen grinst verschmitzt: "Ich hatte da ein bisschen was im Turm."
Nach einer kräftezehrenden Saison im Abstiegskampf war er so gar nicht auf Nationalmannschaft gestimmt: "Mir hat das eigentlich überhaupt nicht reingespielt." Auf der Reise ins DFB-Trainingslager verdrückte der ausnüchternde Petersen sogar ein paar Tränen.
In den finalen WM-Kader wurde der Mittelstürmer aber nicht berufen, worüber er nicht sonderlich traurig gewesen sei: "Es war kein gutes Miteinander damals, viele Nebenkriegsschauplätze [...] ich hätte keinen Pfifferling darauf gesetzt, dass die das Ding gewinnen."
Energie Cottbus: Nils Petersen war anfangs nicht gewollt, aber wird bis heute von den Fans verehrt
Den Durchbruch seiner Laufbahn schaffte Nils Petersen in Cottbus, wo er im Januar 2009 aufschlug. Doch bis er sich zum Fan-Liebling entwickelte, musste der Neuling gehörige Startprobleme überwinden.
Das ging am Tag seiner Vorstellung los, als er in Zeitnot mit 170 Sachen rasend von der Polizei aus dem Verkehr gezogen wurde und seinen Führerschein verlor.
In Cottbus angekommen führte ihn einer seiner ersten Wege zu Takko, da er für die am folgenden Tag geplante Abfahrt ins Trainingslager kein schwarzes Poloshirt hatte.
Und als wäre das nicht genug, nannte ihn der knorrige Trainer Bojan Prasnikar (heute 70) konsequenterweise "Jens" und hatte keine wirkliche Verwendung für den späteren Rekordjoker (34 Tore nach Einwechslung) der Bundesliga-Geschichte.
Im Trainingsspiel Elf gegen Elf war Petersen oft der 23. Spieler, der übrig war und separates Training absolvieren musste. "Hm, wer bist du? Ach Jens, geh' du mal rüber und mach' ein paar Abschlüsse", soll Petersen seinerzeit häufiger zu hören bekommen haben.
Als Kompensation gönnte sich der Youngster insgeheim öfters eine Zigarette, wovon auch sein strenger Vater, zu der Zeit selbst Profitrainer, Wind bekommen hatte.
Bei einem Besuch in Cottbus meinte er zu seinem Filius: "Ich weiß, dass du rauchst, jetzt zünd' dir eine an."
Titelfoto: Bildmontage: Christian Charisius/dpa