Amazon-Doku stellt Hansi Flick bloß! Bundestrainer macht hilflosen Eindruck
Deutschland - Das deutsche Vorrunden-Aus bei der WM 2022 ist schon neun Monate her. Doch weil die Nationalelf auch nach dem enttäuschenden Turnier von Katar nur eines von fünf Spielen gewann, ist das blamable Abschneiden weiter allgegenwärtig. Inzwischen droht Bundestrainer Hansi Flick (58) der Rauswurf. Deshalb lohnt es sich, in der seit dem heutigen Freitag auf Amazon Prime verfügbaren Doku: "All or Nothing: Die Nationalmannschaft in Katar" beim DFB-Coach genauer hinzuschauen.
In der 1. Folge der vierteiligen Deutschland-Doku wird Flick von den Spielern noch in allerhöchsten Tönen gelobt.
"Hansi ist ein Profi darin, eine gute Atmosphäre zu schaffen, alle mit ins Boot zu holen", meint Leon Goretzka (28).
Dass Flick klar kommuniziere, "was er erwartet", findet Verteidiger Antonio Rüdiger (30) und vergleicht ihn mit einer "Vaterfigur".
Wer Amazons andere All-or-Nothing-Formate (z.B. Manchester City, Tottenham Hotspur, FC Arsenal) kennt, wird solch überschwängliche Lobeshymnen auf Trainer nicht als neu empfinden.
Und wer will es den Fußball-Profis auch verdenken? Zu diesem Zeitpunkt ist die Weltmeisterschaft in Katar noch nicht gespielt. Stattdessen stehen der Weltmeistertitel 2014 als Co-Trainer und sechs Titel in einer Saison mit dem FC Bayern München als Chefcoach in Flicks persönlicher Trophäensammlung.
"Hansi ist jemand, der unfassbar teamfähig ist und auch fähig, ein Team zu leiten. Wir haben eine tolle Fehlerkultur", findet auch Dr. Stephan Nopp (44), Co-Trainer Spielanalyse im DFB-Team.
Kimmich und seine taktische Anmerkung: Ist Hansi Flick nicht kritikfähig?
Soweit die Theorie, doch wie ist dann folgende Team-Sitzung zu bewerten?
Als die Nationalelf das Match gegen Japan trotz Führung aus der Hand gibt und mit 1:2 verliert, müssen Flick und seine Mannen auswerten, wie das passieren konnte.
Joshua Kimmich (28) meldet sich zu Wort: "Ich fand generell hatten wir einfach Probleme gegen die Fünferkette, gerade in der zweiten Halbzeit", spielt der Mittelfeldspieler in sachlichem Tonfall darauf an, dass Japan in der Halbzeitpause taktisch umstellte.
"Was heißt das jetzt? Das heißt, wir hätten was ändern müssen", wirkt Flick sichtlich ungehalten bei den Worten seines Führungsspielers.
Auch wenn Kimmich anschließend mit großen Augen sein "Nein" betont, macht es nicht den Eindruck, als wäre dem Bundestrainer diese taktische Anmerkung recht.
"Ich weiß ja nicht. Vielleicht red ich auch irgendwie anders, oder hab eine andere Sprache", entgegnet Flick sichtbar genervt, den man während der reichlichen zwei Stunden der vier All-Or-Nothing-Episoden meist angespannt oder sauertöpfisch dreinblicken sieht.
"All or Nothing": Wie Graugänse die Nationalelf bei der WM in Katar motivieren sollen
Auch beim Graugans-Film gibt Flick keine gute Figur ab. "Lasst Euch mal inspirieren", meint der Bundestrainer, bevor die Nationalspieler ein Video über Graugänse abgespielt bekommen, die ihre Formation beim Flug ganz ähnlich zusammenhalten, wie es die deutschen Spieler auf dem Platz tun sollen.
Ob man gestandene Profis und Millionäre mit so einem Naturfilm motivieren kann, steht auf einem anderen Blatt.
Als der Film jedoch vorbei ist, steht Flick auf und sagt Folgendes: "Graugänse (2x) haben grundsätzlich nichts mit uns zu tun" und entkräftet damit jegliche Wirkung des Films, falls sie denn überhaupt vorhanden war.
Gleich bei mehreren Ansprachen ist der Chefcoach in "All or Nothing" zu sehen, doch keine hinterlässt wirklich nachhaltigen Eindruck beim Zuschauer.
Positive Emotionen kommen für Deutschland-Fans dagegen in zwei anderen Szenen auf.
Niclas Füllkrug verblüfft bei Nationalmannschafts-Doku mit emotionaler Ansprache
Als die Mannschaft gemeinsam das andere Gruppenspiel Costa Rica gegen Japan verfolgt, setzt der Sieg der Mittelamerikaner eine positive Grundstimmung frei, weil Deutschland nun gegen Spanien nicht zum Siegen verdammt ist.
Am Abend vor dem Spanien-Match hält Niclas Füllkrug (30) zudem eine emotionale Kabinen-Rede, wegen der die 3. Episode der Doku als "Der Gänsehaut-Moment" betitelt wird und eingefleischten Deutschland-Fans besonders gefallen dürfte.
Füllkrug lässt seinen markigen Worten Taten folgen, gleicht für den DFB gegen die Iberer aus und belebt auch darüber hinaus sichtbar das deutsche Spiel.
Hansi Flick wird in der Halbzeit vom Costa-Rica-Spiel wütend, den Faden verliert die Mannschaft dennoch
Es ist das Gespür für Situationen, was Füllkrug hat und Flick zu fehlen scheint.
Dass der 58-Jährige im Sturm stoisch auf den seit 2018 im DFB-Dress erfolglosen Thomas Müller (33) setzt und der 33-Jährige torlos bleibt.
Oder als der Bundestrainer vor dem Japan-Match zwischen Ilkay Gündogan (32) Kimmich und, Goretzka wählen muss, entscheidet er sich für die zwei Erstgenannten.
Mit der Einwechslung von Goretzka für den bis dato besten Feldspieler Gündogan kippt jedoch das auf Messers Schneide stehende Spiel, weil den Deutschen die Ballsicherheit verloren geht.
Oder wenn Flick in der Halbzeit des Costa-Rica-Spiels wütend wird: "Wir machen sie stark. Die sind so blind. Wir machen unser gutes Spiel selbst kaputt", beschwert sich der Coach vehement bei seinen Mannen, aber die energische Ansprache verpufft.
Knapp eine Viertelstunde später gleicht Costa Rica gegen Deutschland aus, geht kurz darauf sogar in Führung.
Obwohl Deutschland das Spiel noch drehen kann, scheidet die DFB-Elf aus, da Japan parallel gegen Spanien gewinnt.
Hansi Flick verrät in DFB-Doku, ob er ans Aufhören dachte
Ob er kurz daran gedacht habe, nicht weiterzumachen, wird Flick von den Machern der Doku ganz am Ende gefragt. "Nein", antwortet Flick nach einem Zögern verschmitzt grinsend. Zeitpunkt ist der 26. März 2023.
Seitdem hat die Nationalmannschaft von den vier Länderspielen gegen Belgien, Ukraine, Polen und Kolumbien kein einziges gewonnen, weshalb vor den Spielen gegen Japan (9. September, 20.45 Uhr), und Frankreich (12. September, 21 Uhr) der Trainerstuhl von Hans-Dieter Flick gehörig wackelt.
Erstmeldung 8. September, 16.16 Uhr, Aktualisiert: 9. September, 16.14 Uhr.
Titelfoto: Tom Weller / DPA