"Jedes Spiel wie eine Prüfung": Ex-Nationalspieler mit bemerkenswerter Therapie-Beichte!
Freiburg - Er spielte 2011/12 für Bayern München, wurde 2016 Torschützenkönig der Olympischen Spiele für Deutschland, reifte zum Nationalstürmer und stieg mit 34 Buden zum erfolgreichsten Joker der Bundesliga-Geschichte auf. Doch Erfolgsdruck ist vor allem Leidensdruck, wie Nils Petersen (34) dieser Tage gesteht.
Schon einige Tage, bevor am Montag, dem 24. Juli, das Buch "Bankgeheimnis" erscheint, ist die Karriere und der psychische Leidensdruck von Nils Petersen ein großes öffentliches Thema.
Der zweimalige Nationalspieler, der erst vor wenigen Wochen seine Profikarriere beendete, zeigt sich bemerkenswert offen und gibt tiefe Einblicke in sein Seelenleben während der Laufbahn.
Besonders im Blickfeld: seine Zeit bei der Nationalelf. Im Frühsommer 2018 wurde er in das Trainingslager in Südtirol der deutschen Auswahl in Vorbereitung auf die WM in Russland berufen. In dieser Zeit oder der Saison 2011/12 bei Bayern sah sich Petersen "als Goldfisch im Haifischbecken", wie er dem kicker in einem Interview gesteht:
"Ich habe mich dort am falschen Ort gefühlt, mich als qualitativ nicht geeignet angesehen. [...] Ich war damals oft zu verkrampft, hab mir zu wenig zugetraut, war im Training zu brav, habe meine Klappe gehalten und mich untergeordnet."
Ab da begab sich Petersen für anderthalb Jahre in therapeutische Behandlung. "Vorher dachte ich: 'Hoffentlich ist es bald wieder Donnerstag.' Da waren die Sitzungen", berichtet Petersen der DPA.
Nils Petersen gewann mit Deutschland Olympisches Silber und ist Rekordjoker der Bundesliga-Historie
Ein großes Problem war für Petersen der immense Leistungsdruck - trotz letztlich 89 Bundesliga-Toren. 34 erzielte er davon als Joker, die meisten für den SC Freiburg, womit er für einige Jahre den Bundesliga-Allzeitrekord halten dürfte.
Doch der Mittelstürmer berichtet auch davon, dass "jedes Spiel wie eine Prüfung war, der Kopf rumorte, die Gedanken sind allgegenwärtig und man nicht schlafen kann".
Speziell in Phasen, in denen es nicht so lief, hatte er Ängste, "wie es weitergeht, wenn ich nicht mehr auf mein Leistungslevel komme". Dieser innere Kampf sei für Petersen eine "existenzielle" Frage gewesen.
Nach seinen Einschätzungen ist er nicht der Einzige in der Profifußball-Blase, dem es so geht. Petersen bezeichnet derartige Gedanken unter Teamkollegen als "offenes Geheimnis" und geht von einer hohen Dunkelziffer von Leidensgenossen aus. Man merke, "was manche für Rucksäcke mit sich herumschleppen. Man ist folglich nicht allein."
Heute sei Petersen mit sich im Reinen und viel entspannter. Und freut sich auf einen selbstbestimmten Alltag im Breisgau, in dem sich nicht alles nach Fußball richtet.
Titelfoto: Bildmontage: Christian Charisius/dpa