Aufbruchstimmung schon wieder vorbei? Deutschland nur 2:2 gegen Mexiko
Philadelphia (USA) - Kein Sieg und einige Abwehrschwächen - die frisch entfachte deutsche Fußball-Euphorie hat einen kleinen Dämpfer bekommen. Doch Julian Nagelsmann versprühte Zuversicht.
Auch Julian Nagelsmann ist kein Wunderheiler. Nachdenklich und im intensiven Zwiegespräch mit seinem Assistenten Benjamin Glück verließ der neue Bundestrainer den zerfurchten Rasen des Lincoln Financial Fields von Philadelphia - das 2:2 (1:1) gegen Mexiko hatte ihm zum Abschluss einer insgesamt gelungenen USA-Reise reichlich Material für die Analyse in der Heimat geliefert.
"Wir wissen, dass wir manche Dinge besser machen können", sagte Nagelsmann. Sofort hatte er alle Spieler noch einmal in der Kabine versammelt, schließlich mussten die Dortmunder um Top-Joker Niclas Füllkrug noch in der Nacht den Privatjet nach Deutschland bekommen.
Der Bundestrainer packte ihnen eine Riesenportion EM-Optimismus ein: "Ich habe der Mannschaft gesagt, dass ich eine große Überzeugung habe, dass wir erfolgreich sein werden."
Diese Mannschaft sei "extrem willig", lobte der Bundestrainer, er wechselte in Superlative: "Noch nie" habe er ein Team trainiert, "das so schnell schon Dinge umsetzt, ich bin absolut begeistert."
Bis zum nächsten Länderspielfenster will er unbedingt Kontakt zu seinen Spielern halten. "Dann", versprach er, werden die Fans gegen die Türkei und Österreich "eine weiter verbesserte Mannschaft sehen".
Die Defensive bleibt auch unter Julian Nagelsmann ein Problem der DFB-Elf
Zumindest in der Defensive wird dies nötig sein. Mexiko rüttelte so heftig an der deutschen Viererkette, dass sich ein kleiner Dämpfer für die frisch entfachte Euphorie nicht leugnen ließ. Phasenweise schimpfte Nagelsmann, er bog gequält den Oberkörper nach hinten.
Sein Kapitän İlkay Gündoğan sprach die Unaufmerksamkeiten vor beiden Gegentoren im ARD-Interview ebenfalls an. Zweimal war Niklas Süle beteiligt, der sich für die Problemposition rechts hinten nicht empfahl. Gündogan nannte das Spiel "ausbaufähig" - aber schließlich ist das neue Pflänzchen noch zart: "Natürlich geht die Kurve nicht immer steil bergauf."
Nach einer schwachen Anfangsviertelstunde hatte Nagelsmann zunächst eine klare Verbesserung gesehen, Antonio Rüdiger (25.) traf vor 50.000 fanatischen Mexikanern unter den 62.284 Zuschauern zur Führung.
Starke Angriffe wechselten sich mit Schwächen in der Abwehr ab: Uriel Antuna (37.) nutzte eine doppelte Schläfrigkeit von Rüdiger und Süle zum Ausgleich, beim Tor von Erick Sanchez (47.) waren Robin Gosens und Süle zu passiv. Füllkrug (51.) schlug umgehend zurück.
Der neue Bundestrainer kann die Amerika-Reise der Nationalmannschaft insgesamt als gelungen abhaken: Die sportliche Richtung stimmt, ein Neuanfang ist nach der Entlassung von Hansi Flick gemacht. Es gab keine schwerwiegenden Verletzungen, aber einigen Anlass zur Hoffnung für die Heim-EM im Sommer.
Bis dahin wird unter Zeitdruck an Spielidee und Umsetzung gefeilt. Nagelsmann muss auch keine Wunder tun.
Gegen Mexiko fehlt Deutschland die Konsequenz
Im ersten Duell mit Mexiko seit der WM 2018 (0:1) standen dann elf Gegenspieler auf dem Platz - und extrem viele Mexikaner auf den Tribünen. Vielleicht war es die nach Torschüssen eingespielte Musik, die Torhüter Marc-André ter Stegen zu einem Fehlpass im Strafraum verleitete, dieser blieb ungesühnt (3.). Florian Wirtz (5.) hatte die erste Chance.
Der deutschen Mannschaft fehlten Ruhe und Konsequenz, Mexiko hatte Platz, Wirtz und Jamal Musiala waren vorne ohne Wucht. Nagelsmann klatschte, feuerte an: Und er sah, wie sein Stratege Gündogan das Spiel in die Hand nahm.
Der zweite gefährliche Leroy-Sane-Eckball innerhalb weniger Sekunden saß: Rüdiger köpfte ein und karikierte bei seinem Jubel die Kritik an seinem zackigen Laufstil. Die DFB-Elf kombinierte sich immer wieder gefällig nach vorne, defensiv blieben die später offen angesprochenen Anfälligkeiten. Unmittelbar vor dem 1:1 erzielte Thomas Müller in seinem 125. Länderspiel ein Abseitstor.
Nach der Pause ging es Schlag auf Schlag. Gosens verhinderte vor dem zweiten Gegentor Antunas Flanke nicht, Süle kam zu spät. Füllkrug, für Müller eingewechselt, erzielte nach einem Abschluss des nun deutlich stärkeren Wirtz ein klassisches Abstaubertor.
Und Nagelsmann? Der nutzte die letzte halbe Stunde, um personelle Varianten durchzuspielen. Kevin Behrens wurde zum zweiten Debütanten seiner Amtszeit nach Chris Führich.
Titelfoto: Federico Gambarini/dpa