Aufstiegskandidaten der 2. Liga: Top-Favorit, übliche Verdächtige und ein Geheimtipp

Hamburg - Wenn zum Zweitliga-Auftakt der Hamburger SV den FC Schalke 04 empfängt, fühlt man sich von den Namen der Vereine fast wie in der Bundesliga. Doch ob der HSV und S04 am Saisonende den Sprung ins Oberhaus schaffen, steht trotz klangvollen Spielermaterials auf einem ganz anderen Blatt. Wer hätte im Vorjahr gedacht, dass Heidenheim und Darmstadt der Konkurrenz ein Bundesliga-Schnippchen schlagen? TAG24 macht den Check der Aufstiegskandidaten.

Schalke 04 wird der Gejagte sein

Simon Terodde (35) weiß, wo das Tor steht. Schalke 04 führt er 2023/24 als Kapitän aufs Feld.
Simon Terodde (35) weiß, wo das Tor steht. Schalke 04 führt er 2023/24 als Kapitän aufs Feld.  © Thomas Frey/dpa

Die Aufstiegsrechnung wird nicht ohne Schalke 04 gemacht! Beim Bundesliga-Absteiger bilden Fans und Mannschaft mittlerweile wieder eine feste Einheit.

Trainer Thomas Reis (49) hat Spielermaterial, nach dem sich andere Vereine die Finger lecken.

Mit Ron Schallenberg (24) hat man sich den konstantesten Defensivmann aus Paderborn geschnappt. Im Sturm greifen mit Sebastian Polter (32) und Simon Terodde (35) zwei Kanoniere mit Gardemaß an und im Mittelfeld können Spieler wie Danny Latza (33), Paul Seguin (28), Tobias Mohr (27) oder Dominick Drexler (33) den Unterschied machen. Doch die Vorbereitung verlief wackelig.

Nach Zugverspätung: 1. FC Köln erkämpft sich Arbeitssieg bei Preußen Münster
2. Bundesliga Nach Zugverspätung: 1. FC Köln erkämpft sich Arbeitssieg bei Preußen Münster

Insbesondere bei der Generalprobe gegen Twente Enschede (2:2) wirkten die Blau-Weißen noch lange nicht eingespielt.

Schalke hat jedoch den breitesten Kader der gesamten Liga und vor zwei Jahren bereits vorgemacht, dass ein mauer Saisonstart noch lange nicht das Aus im Aufstiegskampf bedeutet.

Hamburger SV: Klappt der Aufstieg im 6. Anlauf?

Dass der HSV lange auf Aufstiegskurs war, lag auch an Robert Glatzel, der 19 Saisontore erzielte.
Dass der HSV lange auf Aufstiegskurs war, lag auch an Robert Glatzel, der 19 Saisontore erzielte.  © Axel Heimken/dpa

Der einstige Bundesliga-Dino hat es sich im Unterhaus gemütlich gemacht.

Hamburg geht mittlerweile in die 6. (!) Spielzeit der 2. Bundesliga und das mit ungewohnter personeller Konstanz. Trainer und Steuermann Tim Walter (47) ist das dritte Jahr in Folge da, kann weiter auf Torjäger Robert Glatzel (29, 19 Tore im Vorjahr) oder Spielmacher Ludovit Reis (23) bauen.

Immanuel Pherai (22), der aus Braunschweig kam, soll in Sachen Torgefahr und Spielwitz Sonny Kittel (30) vergessen lassen.

Spiel entscheidend beeinflusst? Gräfe enthüllt krassen VAR-Fehler
2. Bundesliga Spiel entscheidend beeinflusst? Gräfe enthüllt krassen VAR-Fehler

Mit 70 Treffern war der HSV im Vorjahr die Tormaschine der Liga. Damit die Balance stimmt, heuern für die Defensive Guilherme Ramos (29), Dennis Hazikadunic (25) und Ignace Van Der Brempt (21) in der Hansestadt an.

Die personellen Voraussetzungen sind also geschaffen, wären da nicht Verletzungen in der Vorbereitung und die typische Frühjahrs-Angst, die Hamburg jährlich wie im Murmeltier-Film ereilt. Die ambitionierte Spielweise ist zudem anfällig für Fehler, ganz schwierig wird's, wenn der Verein nicht in die Abläufe findet - wie bei der Relegation gegen Stuttgart oder im Testspiel gegen Salzburg (Endstand 1:4).

Der HSV wird oben mitmischen, aber reicht's diesmal für den ganz großen Sprung?

Hertha BSC: Wie hoch hinaus geht es mit Familie Dardai?

Trainer Pal Dardai versucht Aufbruchstimmung in Berlin zu verbreiten. Mehrere Dardai-Söhne kicken nun für die Hertha.
Trainer Pal Dardai versucht Aufbruchstimmung in Berlin zu verbreiten. Mehrere Dardai-Söhne kicken nun für die Hertha.  © Soeren Stache/dpa

Prügel-Skandal um Keeper Marius Gersbeck (28), wenig warmer Banner-Empfang für Ex-Unioner Toni Leistner (32). Bei Hertha BSC haben Neuzugänge schon vor dem Saisonstart für ungute Schlagzeilen gesorgt. Kriegt die Alte Dame das Krisen-Image auch in Liga zwei nicht los?

Die Verhandlungen mit Diego Demme (31, SSC Neapel) ziehen sich wie Kaugummi. Dabei könnte er einer sein, der als Führungsspieler vorangeht. So ruhen die Hoffnungen am Ende auf den Dardais.

Ruhepol Pal (47) hat das Traineramt inne. Seine Söhne Marton (21) und Palko (24) sind heiße Stammplatz-Kandidaten, der jüngste Spross Bence (17) durfte schon Profi-Luft schnuppern.

Ob Hertha noch große Sprünge auf dem Transfermarkt machen kann, hängt davon ab, wie viel Geld man für Dodi Lukebakio (25) erhält, um den viele Klubs buhlen. Anders als in der 1. Liga könnte Suat Serdar in Berlin zum echten Anführer aufsteigen.

Viel Potenzial hat Hertha nach wie vor - auch der Aufstieg ist möglich, wenn alles passt. Realistischer ist jedoch eine Platzierung zwischen 4 und 8 in der Endabrechnung.

FC St. Pauli und der Hürzeler-Hype

Fabian Hüzeler (30) übernahm in der Winterpause der Saison 2022/23 das Traineramt beim FC St. Pauli und holte zehn Siege in Serie.
Fabian Hüzeler (30) übernahm in der Winterpause der Saison 2022/23 das Traineramt beim FC St. Pauli und holte zehn Siege in Serie.  © Michael Schwartz/dpa

Legt man nur die Rückrunden-Tabelle zugrunde, war der FC St. Pauli das stärkste Team der 2. Bundesliga. Dass den Kiezkickern unter anderem zehn Siege in Folge gelangen, hängt mit dem jüngsten Trainer der Liga zusammen. Fabian Hürzeler (30) ließ die Pleiten-Hinrunde vergessen und hätte beinahe für ein braun-weißes Wunder gesorgt.

3:0 gegen Tel Aviv, 7:1 gegen Lunzenau - mit Testspiel-Ergebnissen ließ St. Pauli in diesem Sommer erneut aufhorchen.

Schwer wird es jedoch, einen namhaften Abgang zu ersetzen. Kapitän und Flankengeber Leart Paqarada (28) zog es zum 1. FC Köln. Auch der Verlust des besten Torschützen Lukas Daschner (24, VfL Bochum) muss verkraftet werden.

Viel hängt daher vom aus Regensburg gekommenen Sturmriesen Andreas Albers (33) ab. Trifft er zweistellig, kann den St. Paulianern der große Sprung gelingen.

Mit Sicherheit legen die Hamburger aber eine Spielzeit hin, bei der diesmal Hin- und Rückserie sich nicht in allen Belangen unterscheiden werden - wie in den beiden Vorjahren.

SC Paderborn: Mehr als Max Kruse

Max Kruse (35) fristete im Vorjahr ein Bankdrücker-Dasein. Steigt er beim SC Paderborn 07 wieder zum Leistungsträger auf?
Max Kruse (35) fristete im Vorjahr ein Bankdrücker-Dasein. Steigt er beim SC Paderborn 07 wieder zum Leistungsträger auf?  © David Inderlied/dpa

Mit Ron Schallenberg (24, Schalke 04) und Julian Justvan (25, TSG Hoffenheim) hat Paderborn zwei Leistungsträger im besten Alter verloren und zählt doch zu den Aufstiegsaspiranten.

Verantwortlich für die positive Entwicklung ist Coach Lukas Kwasniok (42), der trotz seiner Festnahme auf Mallorca, der Mannschaft eine unverwechselbare spielerische Offensiv-Handschrift verliehen hat und auch ungewöhnliche personelle Schachzüge wie Zentrumsspieler auf Außenbahnen nicht scheut.

Offensiv gelangen Paderborn im Vorjahr die zweitmeisten Liga-Treffer und durch die Zugänge von Adriano Grimaldi (32) und Max Kruse (35) wurde bei den Transfers auf Torgefahr Wert gelegt.

Wie fit ist aber Kruse wirklich, nachdem er gut ein Jahr lang Fußball praktisch nur trainieren konnte und mehr durch Social-Media-Auftritte auffiel?

Doch auch ohne den Ex-DFB-Profi ist der SCP 07 schwer auszurechnen. Durch die Schnelligkeit von Sirlord Conteh (27) und Florent Muslija (25) lassen sich aus dem Nichts Situationen heraufbeschwören - Paderborn gehört in Sachen Aufstieg zur Kategorie Insidertipp.

Hannover 96: Halstenberg-Transfer weckt Hoffnung

Sahnestück der Hannoveraner Sommervorbereitung: La-Liga-Klub FC Villareal wurde mit 3:0 besiegt. Mann des Tages war Louis Schaub (28), der hier mit Marcel Halstenberg (31), dem prominentesten 96-Neuzugang, jubelt.
Sahnestück der Hannoveraner Sommervorbereitung: La-Liga-Klub FC Villareal wurde mit 3:0 besiegt. Mann des Tages war Louis Schaub (28), der hier mit Marcel Halstenberg (31), dem prominentesten 96-Neuzugang, jubelt.  © Swen Pförtner/dpa

Eigentlich wollte Hannover 96 im Vorjahr bereits zum Angriff auf die Aufstiegsplätze blasen, bot dann aber eher Grusel-Fußball und konnte froh sein, die Liga zu halten. Und doch gibt es wenige Wochen später Grund zur Euphorie.

Mit Marcel Halstenberg (31) wurde von RB Leipzig ein klangvoller Name geholt. Nach einer souveränen Vorbereitung mit 3:0-Siegen gegen Gornik Zabrze, MSV Duisburg und Europapokal-Vertreter FC Villareal träumen die Fans in Niedersachsen von Höherem, auch weil sich Kreativspieler Louis Schaub (28) in Galaform zu befinden scheint.

Offensiv ruhen die Hoffnungen weiterhin auf Cedric Teuchert (29), dem im Vorjahr schon 14 Treffer gelangen.

Wenn dann noch Spieler wie Max Besuchkow (26) oder Phil Neumann (26) unter Beweis stellen, warum 96 sie im Vorjahr von der Konkurrenz weglotste, finden sich die "Roten" zu Recht auf den Aufstiegszetteln der Experten wieder.

1. FC Magdeburg ist der Geheimtipp der 2. Bundesliga

Spielfreudig und mit Spaß am Fußball. Magdeburgs Jason Ceka (23, l.) und Baris Atik (28).
Spielfreudig und mit Spaß am Fußball. Magdeburgs Jason Ceka (23, l.) und Baris Atik (28).  © Hendrik Schmidt/dpa

Die Kategorie Geheimfavorit ist immer auch Geschmackssache. Doch aus verschiedenen Gründen drängt sich der 1. FC Magdeburg auf. Das Team von Trainer Christian Titz (52) ist eines der spielstärksten der 2. Liga, zieht seine Linie unabhängig vom Spielstand durch.

Herzstück des Teams ist Amara Conde (26), der vom Coach für seine "Sozialkompetenz" gelobt wird, aber auch fußballerisch unverzichtbar ist.

Für die kreativen Momente ist Spielgestalter Baris Atik (28) zuständig, dem im Test gegen Sevilla ein Traumtor gelang. Bleibt er fit, ist der FCM für jeden Gegner unangenehm, wie der HSV im Vorjahr feststellen musste, als Hamburg beide Matches gegen Magdeburg verlor.

Verstärkt wurde das Team mit Keeper Julian Pollersbeck (28), der das Prinzip mitspielender Torwart ähnlich beherrscht wie die etatmäßige Nummer eins Dominik Reimann (26) oder Drittliga-Torschützenkönig Ahmet Arslan (29), der von Dynamo Dresden kam.

Haben Fortuna Düsseldorf und der Karlsruher SC das Zeug zum Aufstiegsaspiranten?

Der Wechsel von Lars Stindl (34) von Borussia Mönchengladbach nach Karlsruhe ist für den KSC ein echter Coup.
Der Wechsel von Lars Stindl (34) von Borussia Mönchengladbach nach Karlsruhe ist für den KSC ein echter Coup.  © Uli Deck/dpa

Wem das nicht genug schlagkräftige Argumente sind, der schreibt den Karlsruher SC auf seinen Aufstiegs-Tippschein.

Christian Eichner ist dort seit mehr als drei Jahren mittlerweile im Amt und bekommt mit Lars Stindl (34, Borussia Mönchengladbach) einen erfahrenen Leitwolf hinzu.

Für die obere Hälfte könnte es auch bei Fortuna Düsseldorf reichen. Chefcoach Daniel Thioune konnte seit seiner Verpflichtung Anfang 2022 die 95er erstaunlich stabilisieren.

Den finalen Düsseldorfer Sprung auf die Aufstiegsplätze gibt es vermutlich nicht: Torjäger Dawid Kownacki (26), der zu Werder Bremen wechselte, wird an vorderster Front schmerzlich fehlen.

Große Sprünge auf dem Transfermarkt sind für die Fortunen in finanzieller Hinsicht nicht möglich. Eher verlässt noch ein Stammspieler den Verein.

Titelfoto: Montage: Axel Heimken/dpa, Thomas Frey/dpa, Hendrik Schmidt/dpa

Mehr zum Thema 2. Bundesliga: