Ex-Turnerin packt neue schockierende Details über den deutschen Verband aus
Stuttgart - Seit kurz vor Weihnachten überrollt den Deutschen Turner-Bund eine Welle an Missbrauchsvorwürfen. Nachdem Tabea Alt (24) als Erste an die Öffentlichkeit gegangen war, erhoben immer mehr ehemalige Athletinnen ihre Stimme und berichteten über schwere Missstände am Standort Stuttgart, im Verband allgemein. Eine von ihnen ist Janine Berger (28).
Auch sie hatte sich via Instagram im neuen Jahr zu Wort gemeldet und ihre Geschichte, ihre traumatisierenden Erfahrungen berichtet.
Nun hat sie in einem Interview nachgelegt. "Uns wurde eingebläut, Schmerzen zu ignorieren und den Mund zu halten. Und wir reden hier nicht über kleine Wehwehchen. Damit meine ich gebrochene Knochen, gerissene Bänder und gravierende Verletzungen. Dir wird eingetrichtert, dass du dir alles nur einbildest oder lügen würdest", erklärt sie der Augsburger Allgemeinen.
Sie könne sich an ein Trainingslager erinnern, da sei sie schwer gestürzt, ihr Fuß sei lila und blau gewesen, sie hätte kaum auftreten können. Und trotzdem habe man geschafft, dass sie glaubte, sie hätte sich das alles nur eingebildet.
Auch Eltern der Sportlerinnen würden teilweise nicht wissen, "was abgeht. Sie vertrauen den Aussagen der Verantwortlichen und werden ebenfalls Opfer des Systems", macht Berger klar.
Sie greift zudem erneut den Deutschen Turner-Bund an, der nach ersten internen Hinweisen von Athletinnen versucht habe, alles unter den Tisch zu kehren.
Janine Berger prangert die Maßnahme des DTB mit Bundestrainer Gerben Wiersma in Stuttgart an
Zudem kritisiert sie die Maßnahme, dass Bundestrainer Gerben Wiersma (47) ab Dienstag Einheiten am Kunstturnforum Stuttgart übernehmen soll, scharf.
"Ein Verband möchte aufarbeiten und sich selbstkritisch reflektieren? Es ist auch sehr widersprüchlich, einen Strukturwandel anzustreben, indem Trainer aufgrund der neusten Missbrauchsvorwürfe kurzzeitig nur freigestellt werden und gleichzeitig ein neuer Trainer den Betrieb übernimmt, der in einem anderen Land in der Vergangenheit wegen ähnlicher Vorwürfe schuldig gesprochen wurde. Ein ehemals verurteilter Trainer soll jetzt zum Aufklärer werden", klagt sie an.
Wiersma war im Oktober 2021 als einziger Trainer von insgesamt 25 Übungsleitern in den Niederlanden schuldig gesprochen worden, nachdem 2020 zahlreiche Turnerinnen in seinem Heimatland Vorwürfe wegen körperlicher und psychischer Gewalt erhoben hatten. Erst vor Kurzem hatte der Verband den Vertrag mit ihm verlängert, er sagte dazu, dass "wir gemeinsam konsequent unser Prinzip weiterverfolgen, mit mündigen und glücklichen Athletinnen bei den entscheidenden Events Medaillenchancen zu kreieren."
Berger entsetzt nicht nur dieser Satz, sondern auch das Vorgehen des Verbandes: "Es reicht nicht, auf dem Papier Konzepte zu entwickeln und Slogans wie 'happy healthy athletes' nach außen zu kommunizieren. Walk the talk! Das muss man dann auch umsetzen und handeln und sich nicht nach außen betroffen zeigen, obwohl man genau davon Bescheid wusste. Ein ernstgemeinter Strukturwandel erscheint äußerst fragwürdig, wenn ein Bundestrainer verpflichtet wurde, der in einem anderen Land schuldig gesprochen wurde. Zwei Jahre später, trotz dieser Entscheidung, werden erneut gravierende Missstände geäußert."
Sie hat ihre Depressionen und Essstörungen, resultierend aus ihrer Karriere, überwunden und wünscht sich nichts sehnlicher, als einen ernstgemeinten Strukturwandel, der die jetzige und kommende Generationen schützt.
Titelfoto: IMAGO / Schreyer