Kuriose Haarschnitte in der DDR: Wie liefen wir denn damals rum?
Oederan - Schüttelfrisur oder Strähnchen, Dauerwelle, Pony oder Bob: Mancher Frisurentrend aus DDR-Zeiten ist aus heutiger Sicht ein Fall fürs Panoptikum. Doch trugen wir nicht alle einmal die Scherenschnittkünste von damals voller Stolz spazieren? Erinnern wir uns lieber an die haarigen Zeiten mit den typischen Trockenhauben in Friseursalons und die Eskapaden, einen Friseurtermin zu erhaschen - und an den gefährlichen Look langer Loden. Eine aktuelle Ausstellung hilft jetzt beim Rückblick auf Friseure und Frisuren.

Kuratorin Sonja Voigt (75) hat die Friseurgeschichte von Oederan im Erzgebirge erforscht, ein Abziehbild für die gesamte DDR. "Im Oktober 1958 schlossen sich unsere privaten Friseursalons zur PGH 'Figaro' zusammen - eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks."
Vorteil: Die Friseure konnten sich auf ihre Kopfarbeit am Kunden konzentrieren. Eine Verwaltung kümmerte sich um den lästigen Bürokratiekram. Plötzlich waren die Salons untereinander keine Konkurrenten mehr.
Das Geld floss immer in dieselbe Kasse, auch wenn Kunden mal den Salon wechselten. War der Beruf in seinen Anfängen eine Männerdomäne, eroberten Frauen zusehends das Friseurhandwerk.
Getrennte Herren- und Damensalons wurden zu Gemischtsalons zusammengeführt.

Ausstellung "Haarmonie" im Museum "DIE WEBEREI" in Oederan


"Die Ausbildung in der DDR war sehr fundiert und tiefgründig und eine Friseurlehrstelle sehr gefragt", erzählt Voigt. Meisterschaften und Schaufrisieren in Cafés waren Besuchermagneten. Vor Festen, Feiertagen oder zur Jugendweihe-Zeit musste man manchmal sechs bis acht Wochen auf einen (dreistündigen) Termin für eine Dauerwelle warten.
Die DDR-Pflegemittel von Londa oder Florena waren zwar qualitativ gut, aber Mangelware - so wie Friseurzubehör. Wer die nötigen Devisen locker hatte, kaufte Haarfarben und Blondierungen im Intershop.
"Wer Verwandtschaft im Westen hatte, ließ sich Messer und Haarschneidemaschine schicken", weiß Voigt. Sie konzipierte gemeinsam mit Museumsleiterin Michaela Kruse (52) eine Friseurausstellung, in der auch altes Salon-Mobiliar, Schneidewerkzeuge und intakte Echthaarperücken aus den 1960er-Jahren zu sehen sind.
Manchmal waren Friseurinnen auch Kummerkasten, manchmal sogar die beste Freundin. Sie kannten ihre Kunden oft besser als die Ehefrau zu Hause. "Eine Kollegin koordinierte Termine immer so geschickt, dass Ehefrau und Geliebte nie zusammen im Salon waren", schmunzelt Voigt.
Noch mehr Haariges gibt's in der Ausstellung "Haarmonie" im Museum "DIE WEBEREI" am Marktplatz in Oederan zu sehen (läuft noch bis 29. Mai 2025). Wir verlosen 3 x 2 Tickets für die Sonderschau. Schreiben Sie einfach per E-Mail an gewinnspiel@tag24.de.

Der Mangel machte erfinderisch

Trotz Mangelwirtschaft wollte niemand beim Modeschnitt Abstriche machen. Eine Preisliste aus den 1970er-Jahren enthüllt, wie vergleichsweise günstig Haareschneiden damals war: Ondulieren mit Frisieren kam für die Dame 1,40 DDR-Mark, eine Kaltwelle schlug mit 9,20 DDR-Mark zu Buche. "Kein Wunder, dass Frauen im Gegensatz zu heute damals jede Woche einen Friseurtermin im Kalender stehen hatten", sagt Kuratorin Sonja Voigt.
Männer zahlten für einen Haarschnitt (kurz) 60 DDR-Pfennige, bei halblangen Haaren 90 DDR-Pfennige. Wer auch das noch sparen wollte, legte zu Hause selbst Hand an die Haare an - freilich ohne Expertise und Ausrüstung der Haarexperten.
Kein Festiger zur Hand? In diesem Fall wurde einfach Bier zum Haarstabilisator. Spülungen wurden mithilfe von Eigelb und Olivenöl selbst zusammengemixt. Panthenol-Spray, das eigentlich bei Sonnenbrand auf die Haut gesprüht wurde, diente auch schon mal als Haarspray-Ersatz. Weichspüler für die Waschmaschine musste als Conditioner herhalten. Und wenn es keine Wasserstoffperoxid-Tabletten zum Aufhellen der Haare gab, behalf man sich mit flüssigem Wasserstoffperoxid aus der Apotheke.
Für eine fehlende Strähnchenhaube musste einfach eine Badekappe herhalten. Die Strähnen wurden dann mit der Häkelnadel herausgezogen. Enie van de Meiklokjes (50, "Das große Backen") verriet sogar einmal, dass sie sich mit Fußpilzmittel aus der Apotheke die Haare bunt färbte.
Sportler und Showstars dienten als Vorbilder

Weil es noch keine Influencer gab, waren Schauspieler, Sänger und Sportler die Frisurenmodelle ihrer Zeit.
Ideen für eine mehr oder weniger stylische Haarpracht flimmerten nicht selten vom Klassenfeind über die Mattscheiben in die Köpfe und später als Trendfrisuren auf die Köpfe der DDR-Bürger.
Frauen wollten plötzlich so frisiert werden wie Mireille Mathieu (78). Männer standen auf den Vokuhila (vorne kurz, hinten lang) von Fußballheld Toni Schumacher (71).
Wer's besonders ausgefallen mochte und die entsprechende Haarfülle aufweisen konnte, ließ sich den Starschnitt von Angela Davis (81) kopieren. Die US-amerikanische Bürgerrechtlerin war in der DDR sehr beliebt - mit ihr kam ihre Frisur in Mode.


Lange Haare bei Männern galten in der DDR als staatszersetzend

Doch auch die heimische TV- und Filmbranche setzte haarige Trends. Spätestens nach dem Musikfilm "Heißer Sommer" (1968) liebäugelte die halbe DDR mit der Kurzhaarfrisur von Chris Doerk (83).
Bei der tollen Tolle von Tamara Danz (†43) - Frontfrau der Band Silly - war immer die Frage: schon Löwenmähne oder noch Frisur? Schlagersängerin Bärbel Wachholz (†46, "Das kann ich niemals vergessen") war für ihre Blondierungen bekannt, Volksbildungsministerin Margot Honecker (†89) für ihre lila Spülungen.
Lange Haare bei Männern galten in der DDR übrigens als staatszersetzend. Sie wurden als "Gammler" betitelt, "... die Beatmusik hören".



Toni Krahl (75), Sänger der Bands City und Silly, erinnert sich, dass die Polizei in seinen Jugendjahren Freunde mit langen Haaren auf der Straße aufgriff und zum Haareschneiden aufs Revier mitnahm. Friseurtermin bei der Volkspolizei - das gab's nur in der DDR.
Titelfoto: Bildmontage: Repros Uwe Meinhold, IMAGO/STAR-MEDIA, imago/Frinke, IMAGO/United Archives