Limbach-Oberfrohna - Mehr als drei Millionen Deutsche haben im vergangenen Jahr eine Hochseekreuzfahrt unternommen. Viele waren dabei an Bord von allerlei Know-how aus Sachsen umgeben, ohne es zu wissen. Denn ausgerechnet aus Limbach-Oberfrohna im Binnenland Sachsen kommt das aufregendste Inventar und Interieur für viele Kreuzfahrtschiffe: verglaste Atrien über mehrere Decks hinweg, spektakuläre Treppen, fantasievolle Kronleuchter - alles waschechte Sachsen. Bei AIP werden schwimmende Traumwelten erschaffen.
Von der Provinzschreinerei zum Generalunternehmer - diesen steilen Aufstieg hat die Firma AIP aus Limbach-Oberfrohna einem Zustellfehler der Post zu verdanken!
Ein Brief von der Meyer Werft in Papenburg (Niedersachsen) sollte eigentlich nach Aurich gehen, kam aber bei der Firma "Aurich Innenprojekte" (AIP) in Limbach-Oberfrohna an. Darin wurde ein Produzent für anspruchsvolles Schiffsinterieur gesucht.
Inhaber Eberhard Aurich, der die Firma 1997 als Acht-Mann-Tischlerei gründete, schnappte spontan zu und zog sich den Auftrag an Land. Der Zufall wurde zum Glücksfall und AIP ab 2008 zum Spezialinnenausstatter für Kreuzfahrtschiffe.
"Bei uns kommen nur hochwertige Materialien für kühne Designs zum Einsatz", sagt der heutige Geschäftsführer Patrick Houghton (51). Denn die Sachsen sind beim Innenausbau die Zauberer für exquisite Bereiche an Bord. Sie setzen die extravaganten Ideen der Schiffsdesigner im Stil der Reedereien um.
So planen, konstruieren und bauen sie für Spa- und Bar-Bereiche, Food Corner, schicke Bordrestaurants und für Kinderspiel- und Kletterparadiese. Sie kreieren aber auch aufwändig geschwungene Treppengeländer oder edle Suiten. "Da sind dann schon mal die Wasserhähne vergoldet oder liegt edelster Marmor im Bad", sagt Sabine Simon (34), Assistentin der Geschäftsleitung.
Wenig Holz auf Kreuzfahrtschiffen verbaut: Das ist der Grund
Auch das Herzstück der Ozeanriesen wird in Sachsen erschaffen - das Atrium, das sich meist über mehrere Schiffsdecks erstreckt. "Von Disney Cruise Line kam der Auftrag für einen verrückten Kronleuchter, den wir aus zig einzelnen kleinen Glasperlen zusammengesetzt haben."
Dabei gilt immer: Alles muss auch bei hohem Seegang stabil und auf Außendecks gegen Salzwasser resistent bleiben.
Dieses Jahr bauen die Sachsen für drei Kreuzfahrtgiganten gleichzeitig. Bislang standen zwei Schiffe pro Jahr im Plan, die jeweils in der Meyer Werft Papenburg gebaut werden. Die "Asuka III" für die japanische Reederei NYK Cruises wurde gerade erst am 10. April übergeben - ausgelegt für maximal 744 Passagiere und 470 Crewmitglieder.
Für die "Disney Destiny", die Ende dieses Jahres ihre Jungfernfahrt antreten soll, wurde das Atrium im Stil von "Black Panther" konzipiert. Weitere Highlights made in Saxony: die Piano-Lounge im Stil von "101 Dalmatiner".
Die Raumwelten werden auch am Standort in Dresden, vornehmlich aber in Limbach-Oberfrohna konstruiert, wo in den Werkstätten auch produziert wird - streng nach den meist ausgefallenen Wünschen der Reedereien: speziell verkleidete Säulen, Schiffswände in 3-D-Optik mit Wellen und Dellen, riesige Spiegelflächen oder Oberflächen mit fühlbarem Naturstein-Effekt, aber auch einzigartige Treppen und Mobiliarunikate.
Gebaut wird vornehmlich mit Stahl und Aluminium. Nur Holz, mit dem die Firma einst startete, ist eher eingeschränkt im Einsatz. Die Brandgefahr an Bord ist einfach zu groß. Inzwischen beschäftigt AIP 95 Mitarbeiter, verzeichnet zweistellige Millionenumsätze im Jahr. "Bei einem Auftrag für ein Kreuzfahrtschiff werden zwischen 15 und 25 Mio. Euro umgesetzt", erklärt Houghton.
Firma AIP will expandieren und sucht neue Mitarbeiter
Als die Meyer Werft als Hauptauftraggeber ins Schlingern geriet und vom Staat gerettet werden musste, bangten die AIP-Mitarbeiter um ihre Jobs. Doch die Kreuzfahrtbranche boomt, und jedes Schiff hat quasi zwei Leben.
"Cruiseliner sind für 25 bis 30 Jahre konzipiert, doch sie brauchen etwa in der Mitte ihres Lebens eine Frischzellenkur", sagt Houghton. Bei diesen lebensverlängernden Maßnahmen zur Wiedergeburt betagter Luxusliner will AIP in Zukunft wieder mitmischen.
Dafür und um zu expandieren, sucht die Firma neues Personal: Projektleiter, Vertriebsmitarbeiter, Qualitätsmanager, Logistiker, Tischler, Maler, Lackierer. Die sollten sich allerdings darauf einstellen, auch mal kurzfristig in die Karibik zu fliegen - mit ihrem Werkzeugkoffer für Reparaturmaßnahmen auf Schiffen! Dienstreisen auf Kreuzfahrtschiffen - das gibt's nur bei AIP.
Noch mehr Infos gibt's unter: www.aip-innenprojekt.de.
In diesen Schiffen steckt ein Stück von hier
• Für die AIDAcosma und AIDAnova bauten die Sachsen den Body & Soul Wellness Spa, ein eigenes Fernsehstudio, eine exklusive Penthouse-Suite über zwei Decks und die chillige Cube Bar.
• Für Disney Cruise Line statteten sie die Disney Fantasy (Baujahr 2012), die Disney Wish (2022) und die Disney Treasure (alle drei Schiffe sind etwa 340 Meter lang) aus. Die Treasure wurde am 24. Oktober 2024 von der Meyer Werft übergeben.
• Die Silver Nova (Baujahr 2023) und Silver Ray (2024) sind beide für 728 Passagiere ausgelegt und nutzen Flüssigerdgas als Hauptbrennstoff. AIP statte sie im Auftrag von Silversea Cruises aus.
• Für die britische Reederei P&O Cruises bauten die Experten für die Iona (2 600 Kabinen mit Platz für rund 5 200 Gäste) und die Arvia (Stapellauf: 27. August 2022, kann mit Flüssigerdgas betrieben werden).
• Auch in Schiffen der Reedereien Royal Caribbean und Norwegian steckt Interieur und Ingenieurskunst aus Sachsen.
Er ist der Chef von AIP
Seit drei Jahren ist Patrick Houghton (51) Geschäftsführer von AIP. Der Quereinsteiger kommt aus dem Management der Luft- und Raumfahrt-Branche und ist international aufgestellt - Vater Engländer, Mutter Finnin.
Er wuchs in der Schweiz auf, studierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Bradford University School of Management, lebte jahrelang in Dresden.
Sein Credo ist auch das seiner Firma: "Your Spaces. Our Mission" (Ihre Räume. Unsere Mission).