Die bittere Realität: Zahlen und Fakten zu Tierversuchen in Sachsen

Sachsen - Alljährlich müssen unter sächsischen Dächern mehr als 100.000 fühlende Lebewesen Tierversuche über sich ergehen lassen, teils unter erheblichen Qualen. Ihre Leiden geschehen im Namen der Wissenschaft und - so sagt man - zum Wohle der Menschen. Etwa für die Entwicklung neuer Medikamente. Die meisten Versuchstiere überleben die Tortur nicht. Gelegentlich müssen die Forscher von einer Kommission in ihrem Tatendrang gebremst werden.

Diese Laborratte sitzt nach Verabreichung des Medikamentes stundenlang im Glasbehälter, damit die Forscher ihre Ausscheidungen exakt dokumentieren können.
Diese Laborratte sitzt nach Verabreichung des Medikamentes stundenlang im Glasbehälter, damit die Forscher ihre Ausscheidungen exakt dokumentieren können.  © imago images/Rupert Oberhäuser

Im Jahr 2023 meldeten die sächsischen Forschungseinrichtungen in 549 laufenden Verfahren die Versuche an 126.522 Tieren, etwas weniger als im Vorjahr (133.320).

Hingegen stieg die Zahl der für die Labore gezüchteten "Überschusstiere", welche dann nicht für wissenschaftliche Zwecke genutzt und getötet wurden, von 80.023 auf 109.132 - so die Statistik des Bundesinstitutes für Risikobewertung.

Die am meisten genutzten Labortiere sind Nager wie Mäuse (112.101) und Ratten (1485). Aber auch Zebrafische (8103) sind bei sächsischen Forschern beliebt, da etwa 70 Prozent ihrer Gene in ähnlicher Weise auch beim Menschen vorkommen.

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Weil sie zu Lebensbeginn nahezu durchsichtig sind, kann der Untersuchende in sie hineinsehen.

Eingriffe bei Tierversuchen sind oft sehr qualvoll

Die oft qualvollen Tierversuche sind Anlass für den Protest von Tierschützern.
Die oft qualvollen Tierversuche sind Anlass für den Protest von Tierschützern.  © picture alliance / dpa

Mehr als 90 Prozent der 2452 genutzten Schweine dienten der Hochschulausbildung, damit sich die Absolventen beim Operieren oder Sezieren berufliche Fähigkeiten aneignen können.

Weitere Tiere für Versuche waren 2023 in Sachsen 222 Rinder, 53 Schafe, 50 Hühner, 26 Pferde, 13 Kaninchen und 11 Hunde - von Katzen hielten sich die Wissenschaftler wie schon im Vorjahr fern.

Im Labor hüpfen die Lebewesen nicht etwa über Stöckchen oder drehen das Hamsterrad.

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Die Eingriffe sind nicht selten massiv und qualvoll. Bei einem typischen Versuchsaufbau - etwa für die Entwicklung von Krebsmedikamenten - werden hunderten Mäusen Tumorzellen injiziert.

Erst wenn die Geschwulst eine gewisse und wohl nicht sehr schmerzfreie Größe hat, wird der pharmakologische Wirkstoff mit all seinen Nebenwirkungen getestet.

Tieren werden teilweise die Knochen gebrochen

Auch das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden führt Tierversuche durch.
Auch das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden führt Tierversuche durch.  © imago images/Sylvio Dittrich

Für die Erforschung von Schlaganfällen werden den Labortieren beispielsweise Blutgefäße abgebunden.

Um eine neue Heilungsmethode zu testen, werden Schafen die Knochen gebrochen.

Die Lebewesen werden gezielt Stoffen ausgesetzt, welche Verätzungen, Lähmungen, Atemnot, Blutungen oder Organversagen zur Folge haben.

Den Aufbau sämtlicher in Deutschland genehmigten Tierversuche findet man bei animaltestinfo.de - keine sehr bekömmliche Kost, falls man einigermaßen empathisch ist.

Erst nach dem Versuch werden die meisten Wirbeltiere erlöst - oft durch Genickbruch oder Gas. Ein kleiner Teil hat das zweifelhafte Glück, noch für weitere Experimente überleben zu dürfen.

Lebewesen, die der Natur entnommen wurden, werden - sofern noch gesund - wieder in diese entlassen. Selten kommt ein Versuchstier in eine Pflegefamilie.

Sieben Einrichtungen führen in Sachsen Tierversuche durch

Bei sächsischen Wissenschaftlern sind auch Zebrafische sehr beliebt. Ihr genetischer Bauplan ist mit dem des Menschen vergleichbar.
Bei sächsischen Wissenschaftlern sind auch Zebrafische sehr beliebt. Ihr genetischer Bauplan ist mit dem des Menschen vergleichbar.  © imago images/Sylvio Dittrich

In Sachsen führen sieben Einrichtungen Tierversuche durch: die Unis in Dresden und Leipzig, das Fraunhofer-Institut, die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), das LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung sowie das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik.

Den Versuchsaufbau, den Umfang und die Belastung für die Tiere müssen die Institute unter Angabe der Forschungsziele bei der Landesdirektion Sachsen (LDS) beantragen und genehmigen lassen.

2024 wurden weitere 122 Vorhaben bestätigt. LDS-Sprecherin Linda Simon: "Davon wurden 34 als voraussichtlich gering, 84 als mittelgradig und vier als schwer belastend eingestuft." Nicht für die Forscher, sondern für die Tiere.

Hier nur eine kleine Auswahl der Arten, welche Tierversuche über sich ergehen lassen müssen. Der Tod danach ist meist eine Erlösung.
Hier nur eine kleine Auswahl der Arten, welche Tierversuche über sich ergehen lassen müssen. Der Tod danach ist meist eine Erlösung.  © Generative AI/123rf/nattawut ngoensanthia

Tierversuchskommission entscheidet über Antrag

Nager wie Mäuse und Ratten sind die am meisten genutzten Labortiere.
Nager wie Mäuse und Ratten sind die am meisten genutzten Labortiere.  © imago/CTK Photo

Vor der endgültigen Genehmigung berät eine von der Staatsregierung eingesetzte Tierversuchskommission, zu der vier Wissenschaftler und zwei Vertreter von Tierschutzorganisationen gehören, über den Antrag.

So wurde 2024 ein Vorhaben aus ethischen Gründen komplett abgelehnt und 23 weitere Anträge mit Auflagen versehen.

Die Einhaltung wird überprüft. Linda Simon: "Im Jahr 2024 wurden insgesamt 15 Kontrollen in Forschungseinrichtungen durchgeführt, davon drei unangekündigt." Zwar wurden gelegentlich Defizite in der Bestandsdokumentation und in den versuchsbegleitenden Aufzeichnungen beanstandet, gravierende Verstöße wurden nicht entdeckt.

Die sächsischen Forschungsinstitute betonen auf ihren Webseiten, dass sie das Leiden der Tiere möglichst gering zu halten versuchen und immer öfter auf alternative Versuchsmethoden zurückgreifen - etwa im Labor nachgezüchtete Zellkulturen und Organe. Vor der Zulassung eines neuen Medikamentes sind Tierversuche allerdings gesetzlich vorgeschrieben.

Und die Anpassung der Gesetze an den neuesten Stand der Wissenschaft erfolgt nur schleppend.

Titelfoto: imago images/Sylvio Dittrich

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