Platonische Liebe: Kann eine Beziehung ohne Erotik funktionieren?
Hört man den Begriff "platonische Liebe", denkt man zunächst an Freundschaft oder sogar Enthaltsamkeit. Jedoch geht es hierbei um so viel mehr als nur um den Verzicht von Sexualität. Aber kann eine feste Beziehung ohne Erotik überhaupt funktionieren? Ja, und unter bestimmten Voraussetzungen kann sie sogar richtig glücklich machen!
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- Platonische Liebe: Bedeutung und Herkunft
- Existiert platonische Liebe nur zwischen Mann und Frau?
- Platonische Liebe vs. Freundschaft: Wesentliche Unterschiede
- Fünf Gründe für eine platonische Liebe innerhalb einer festen Beziehung
- Drei Vorteile einer platonischen Liebe
- Drei Probleme einer platonischen Liebe
- Platonische Liebe funktioniert nicht für jeden
Platonische Liebe: Bedeutung und Herkunft
Man benutzt den Begriff "platonische Liebe" schnell für die Beschreibung einer freundschaftlichen Ebene zwischen zwei Menschen, die sich sehr nahestehen. Oft assoziiert man den besten Freund oder die beste Freundin mit dieser Begrifflichkeit.
Aber auch in Liebesbeziehungen kann eine platonische Liebe die favorisierte Ebene sein. Denn genau das bezeichnet dieser Begriff: Eine Liebesbeziehung ohne Körperlichkeiten, ohne Küsse, ohne Berührungen und natürlich ohne Sinnlichkeit. Klingt paradox? Mag sein, aber dieses Beziehungsmodell kann für bestimmte Menschen das Nonplusultra sein.
Zurückzuführen ist der Begriff "platonische Liebe" auf den griechischen Philosophen Platon. Er beschäftigte sich sehr mit dem Thema Liebe, jedoch vorherrschend mit der erotischen Liebe. Diese Begrifflichkeit entwickelte sich erst viel später und hat im Kern nichts mit den Schriften und der Einstellung Platons zu tun. Dennoch manifestierte sich die platonische Liebe im Wortschatz unserer Zeit und beschreibt ein Beziehungsmodell, das die höchste Form der zwischenmenschlichen Beziehung darstellt.
Wie platonische Liebe im Detail aussieht und wie sie funktionieren kann, erfahrt Ihr in diesem Artikel.
Existiert platonische Liebe nur zwischen Mann und Frau?
Die Frage, ob platonische Liebe nur zwischen Mann und Frau existieren kann, ist leicht zu beantworten: ein ganz klares Nein. Denn wie bei jeder Art von zwischenmenschlicher Beziehung bezieht sich die Qualität und das Modell der Liebe ausschließlich auf den Menschen und nicht auf ein bestimmtes Geschlecht.
Jedoch wird die platonische Liebe einer heterosexuellen Verbindung oft infrage gestellt. Wie oft hört man: "Eine Freundschaft zwischen Mann und Frau funktioniert langfristig nicht". Während ein platonisches Verhältnis zwischen homosexuell orientierten Menschen gesellschaftlich deutlich plausibler erscheint. Denn: Bei einer Mann-Mann-Beziehung und einer Frau-Frau-Verbindung steht die Erotik nicht "im Weg" - man ist eben "nur befreundet".
Diese Annahmen haben allerdings nicht viel mit einer platonischen Liebe zu tun, denn ungeachtet der sexuellen Orientierung kann körperliche Intimität einerseits immer im Weg stehen und anderseits auch oft keine Rolle spielen.
Achtung! Eine platonische Liebe kann sowohl zwischen hetero- als auch homosexuellen Menschen bestehen oder auch scheitern. Dieses Beziehungsmodell bezieht sich ausschließlich auf den Menschen und dessen soziale, emotionale und mentale Werte.
Platonische Liebe vs. Freundschaft: Wesentliche Unterschiede
Das Wort "platonisch" lässt sich auf "ohne gemeinsame sexuelle Aktivität" versimpeln. Im Grunde ist eine reine Freundschaft somit immer platonisch. Aber man kann einen Freund auch lieben. Ergo: Es besteht doch ein kleiner Unterschied.
Denn platonische Liebe geht weit tiefer, als es bei den meisten Freundschaften der Fall ist. Man verbringt nicht nur gerne Zeit miteinander und mag sich sehr, sondern fühlt sich extrem miteinander verbunden und kann sich ein Leben ohne einander nicht vorstellen.
Tatsächlich gibt es wesentliche Dinge, die bei einer platonischen Liebe maßgeblich sind - sowohl zwischen engen Freunden als auch innerhalb einer festen Partnerschaft:
- Man übersteht Krisen gemeinsam.
- Man liebt den anderen Menschen so wie er ist.
- Man kann Fehler verzeihen.
- Man nimmt sich Kritik ernsthaft zu Herzen und ist gewillt, an sich zu arbeiten.
- Man ist einhundert prozentig loyal.
Übrigens: Platonische Liebe kann sich auch unter Freunden wie eine Seelenverwandtschaft anfühlen. Leidet der eine, bricht auch das Herz des anderen. Man hat das Gefühl, das Wort "Freund" oder "Freundin" sagt nicht ansatzweise das aus, was wirklich füreinander empfunden wird - er oder sie ist viel eher "Familie".
Fünf Gründe für eine platonische Liebe innerhalb einer festen Beziehung
Die Liebe ohne Erotik kann verschiedene Gründe haben und war überwiegend nicht immer so. Vielmehr entwickelten sich die Körperlichkeiten derart zurück, dass sich sogar kleinste Intimitäten, wie Kuscheln oder Küssen, vollständig einstellen.
Die platonische Liebe kann folgende fünf Gründe haben:
Grund 1: Das Paar kennt sich bereits aus Kindertagen und fühlt sich eher auf einer Geschwister-Ebene zueinander hingezogen.
Grund 2: Die Liebenden sind im fortgeschrittenen Alter und die Libido ließ nach oder die Lust auf körperliche Intimität ist überhaupt nicht mehr vorhanden.
Grund 3: Das Liebespaar fühlt sich sexuell nicht mehr zueinander hingezogen oder ist sogar daran interessiert mit anderen Menschen zu schlafen.
Grund 4: Mindestens einer des Paares ist asexuell, spürt also gar keine körperliche Anziehung gegenüber anderen Menschen.
Grund 5: Die Platon-Liebenden möchten sich auf ihre geistige Verbindung konzentrieren.
Besonders in Hinblick auf gemeinsame Interessen, fulminante Gespräche und einer tiefen Verbundenheit steht das Wir-Gefühl im Fokus einer platonischen Liebe.
Solange sich beide Partner damit wohlfühlen, kann sie also durchaus funktionieren. Manche Paare "erlauben" sich Leidenschaft außerhalb der Partnerschaft und gehen dem Konzept der offenen Beziehung nach. Stimmen nicht beide diesem Partnerschaftsmodell zu, kann Eifersucht dennoch ein großes Problem werden. Selbst dann, wenn körperliche Intimität eigentlich keine Rolle spielt - dazu später mehr.
Drei Vorteile einer platonischen Liebe
Innerhalb einer platonischen Liebesbeziehung können sich die Partner und Partnerinnen ebenso wohl und geborgen fühlen, wie es in klassischen Beziehungen der Fall ist. Hierbei stützt sich das Paar auf andere Qualitäten als die im Bett und erfährt dadurch große Erfüllung.
Besonders das Thema Erotik sorgt in vielen Partnerschaften für Furore, denn entweder stimmt die Qualität nicht oder die Quantität lässt zu wünschen übrig.
In einer platonischen Liebe genießt man alle Vorteile einer harmonischen Zweierbeziehung, ganz ohne Diskussionen über Lust und Leidenschaft.
Die folgenden drei Vorteile machen deutlich, welche Parameter Platon-Liebende so sehr schätzen und genießen:
1. Tiefgründigkeit
Die platonische Liebe konzentriert sich auf die Emotionen beider Partner, denn eine körperliche Komponente gibt es nicht. Demzufolge kann das Paar die gesamte Aufmerksamkeit auf seine Gefühle, Gedanken und (gemeinsamen) Interessen richten.
Dadurch nimmt auch die Kommunikation einen erheblichen Stellenwert in der Beziehung ein. Das führt automatisch dazu, dass sich die Liebenden auf einer höheren geistigen Ebene begegnen.
2. Höhere Ebene der Verbundenheit
Weil Körperlichkeiten keinen Platz in einer platonischen Liebe haben, findet diese Beziehung auf eine ganz besondere Art und Weise statt. Man konzentriert sich auf den Partner und die Partnerin, lernt neue Seiten genau kennen und versteht sich schnell blind.
Und auch ohne körperliche Zärtlichkeiten kann man durchaus Geborgenheit und Vertrautheit erfahren. Denn auch liebe Worte und romantische Gesten können innig sein und viel Zuneigung und Wertschätzung vermitteln.
Platon-Liebende verzichten vielleicht auf gemeinsame Erotik, aber die zwischenmenschliche Verbindung miteinander ist ein großer Gewinn.
3. Intimitäten ist eine stressfreie Zone
Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist die Abwesenheit von Erotik. Nein, das ist kein Tippfehler, sondern an dieser Stelle ernst gemeint. Denn: Sexualität birgt sehr viel Konfliktpotenzial. Wo der eine seine Grenzen ausloten möchte, sind sie beim anderen schon lange überschritten und was der eine mag, löst im anderen Überforderung aus.
Weil genau diese Punkte in einer platonischen Liebe unerheblich sind, kann sich das Paar auf mehr harmonische Zweisamkeit einstellen.
Wichtig ist hierbei jedoch, dass wirklich beide Partner eine platonische Liebesbeziehung führen möchten. Andernfalls wird die Erotik schnell zur stressigen Zone - eben weil er fehlt.
Drei Probleme einer platonischen Liebe
Abhängig von der individuellen Vorgeschichte des Paares und in welcher Intensität die platonische Liebe besteht, kann dieses Beziehungsmodell auch problembehaftet sein. Denn eine Partnerschaft ohne Sinnlichkeit steht vor gewissen Herausforderungen.
Folgende Schwierigkeiten treten bei einer platonischen Liebe häufig auf:
1. Unterdrückte (sexuelle) Gefühle
Trotz Einigung auf eine platonische Liebe kann einer der beiden plötzlich sexuelle Gefühle für den anderen entwickeln und sieht sich fortan gezwungen, diese zu unterdrücken. Das kann schnell zu Spannungen innerhalb der Beziehung führen und die einseitige Unzufriedenheit drastisch erhöhen.
Auch andere Emotionen, wie Wut, Enttäuschung oder körperliche Neugier auf andere Personen können der harmonischen Platon-Liebe im Weg stehen.
2. Eifersucht und Misstrauen
Sofern intime Kontakte außerhalb der platonischen Liebe erlaubt sind, kann schnell Eifersucht entstehen. Denn es lässt sich grundsätzlich niemals ausschließen, dass es bei der körperlichen Komponente bleibt und sich der Partner oder die Partnerin nicht doch plötzlich fremd-verliebt.
Denn sobald Sexualität in der Beziehung fehlt, hinterfragt man schnell die Treue des Partners oder der Partnerin. Auch wenn beidseitige Exklusivität besteht, kann man sich dennoch nicht sicher sein, ob der andere Part nicht doch mit erotisierenden Bedürfnissen kämpft, die er auf kurz oder lang befriedigen lassen will.
3. Falsche Erwartungen
Libidoverlust, Asexualität oder spirituelle Führung: Gründe, weshalb man eine erfolgreiche platonische Liebe führen und genießen kann. Jedoch sollte man sich im Klaren darüber sein, was eine "jungfräuliche" Beziehung bedeuten kann.
Hofft man darauf, fortan jeden Abend gemeinsam mit einem delikaten Wein, stimmungsvoller Musik und fulminanten und philosophischen Gesprächen zu führen, jedes Wochenende gemeinsame Ausflüge zu erleben und dass der Partner oder die Partnerin bis zum Tode enthaltsam bleiben will, kann schnell enttäuscht werden.
Denn eine Platon-Partnerschaft ist weit mehr als eine Freundschaft - sie ist eine ernsthafte und feste Beziehung, mit allen Vor- und Nachteilen. Und ohne jede Form der Erotik.
Platonische Liebe funktioniert nicht für jeden
Damit eine platonische Liebe nicht beizeiten zerbricht, braucht sie Klarheit und Ehrlichkeit. Sowohl zum Partner oder zur Partnerin als auch zu sich selbst.
Möchte man diesen besonderen Menschen nur nicht verlieren und stimmt deshalb einer Platon-Partnerschaft zu, sind (innerer) Stress und baldige Zerwürfnisse praktisch vorprogrammiert.
Schließlich ist es das A und O, dass beide Partner das Modell der platonischen Liebe vertreten und zu einhundert Prozent leben wollen.
Ist das der Fall, kann die Platon-Liebe eine Bereicherung für Leib und Seele werden. Denn wer wirklich gänzlich auf sinnliches Treiben verzichten kann und möchte und einen Seelenverwandten hat, der diese Einstellung teilt, hat großes Glück und sollte es festhalten und genießen.
Titelfoto: 123RF/nd3000