Rohstoffe knapp und teuer: Betriebe und Bauherren verzweifelt, Existenzen bedroht!
Dresden - Auf dem Markt für Baustoffe, Holz und Haustechnik tobt aktuell ein irrer und so noch nie da gewesener Kampf um Preise und Material. Die Nerven liegen blank bei Handwerkern und Bauherren. Termine für Lieferungen, Fertigstellungen von Objekten sowie Kalkulationen und Träume zerplatzen wie Seifenblasen. Existenzen sind gefährdet, denn Betrieben droht die Pleite durch Arbeit. Indirekt kostet der Wahnsinn auch den Steuerzahler Millionen.
Benjamin Arndt wuchtet Laufbohlen auf ein Gerüst im Rohbau seines Eigenheims in Sacka (Sachsen).
"Morgen soll gemauert werden", sagt der IT-Projektmanager tatenhungrig. Seit gut einem Jahr verbringt der 34-Jährige viele Stunden seiner Freizeit hier, um Stein für Stein ein "Nest" für seine Familie zu bauen.
Arndts Gemütslage schwankt mit Blick auf die Höhenflüge der Baupreise: "Ich freue mich, weil ich vor geraumer Zeit Verträge zu alten Preisen abgeschlossen habe", sagt er.
Und weiter: "Gleichzeitig bin ich besorgt, weil ich hautnah erlebe, wie die Preise für Dämmstoffe klettern und ich zeitnah keine Liefertermine für das Material fixieren kann."
Preise für viele Rohstoffe steigen an
Doch ohne Dämmstoffe für Decken und Böden rückt der Innenausbau in weite Ferne. "Meine Frau beunruhigt das. Ich bin gelassen. Noch liegen wir im Zeit- und Finanz-Plan", sagt Arndt.
Turbo-Preise: Binnen Jahresfrist sind die Holzpreise um 400 Prozent gestiegen. Amerikaner und Chinesen kaufen den Markt leer und booten mit ihrer Kaufkraft die heimische Wirtschaft aus.
Doch auch für Betonstahl, Trockenbauelemente und -Platten, Kupfer sowie Erzeugnisse aus Mineralöl (Dämmstoffe, Folien, Farben, Rohre) heben die Preise ab.
Die Schuld dafür wird allerorten Corona zugeschoben. Insider vermuten aber auch, dass Produzenten Waren zurückhalten, um kräftig Kasse zu machen.
Experte: "Wer kann, sollte Bauen zeitlich nach hinten zu verschieben"
"Wir hatten 2021 eine Preissteigerung erwartet. Dass sie so ausfällt, ahnte keiner. Im Mittel sind die Rohstoffpreise um 50 Prozent gestiegen", sagt Stephan Schwarzbold (44) aus Chemnitz. Der Freie Architekt ist als Energieberater bei der Verbraucherzentrale Sachsen tätig.
Sein Rat für alle privaten Häuslebauer: Wenn im Bauvertrag nichts anderes vereinbart ist, dürfen diese Mehrkosten nicht "weitergereicht" werden. Muss nachverhandelt werden, sollte man unbedingt ein Fachanwalt konsultieren.
Schwarzbold: "Wer kann, tut jetzt gut daran, sein Bauen zeitlich nach hinten zu verschieben - mindestens bis ins vierte Quartal. Bestenfalls bis sich der Markt beruhigt hat."
Unkalkulierbares Risiko
"Dass so viele Produktsegmente gleichzeitig von immensen Preissteigerungen bei gleichzeitiger Verknappung der Verfügbarkeit betroffen sind, hatten wir noch nie. Wir stehen jetzt einem sehr komplexen Problem gegenüber", sagt Klaus Bertram. Der Dresdner Rechtsanwalt ist Hauptgeschäftsführer des Sächsischen Baugewerbeverbandes.
Bertram spricht für rund 800 sächsische Baubetriebe. Er erklärt: "Wenn sich die Verfügbarkeit etwa von Holz, Dämmstoffen oder Kunststoffen nicht rasch wieder normalisiert und sich der Preisauftrieb nicht in absehbarer Zeit beruhigt, kann das bei unseren mittelständischen Bauunternehmen im schlimmsten Fall zu Insolvenzen führen."
Arbeit und Aufträge treiben die Firmen dann unter Umständen in den Ruin, denn sie können die Mehrkosten, die sie jetzt gegenüber ihrer vor Monaten angefertigten Kalkulation haben, nicht einfach an die Bauherren weitergeben.
Bertram: "Wir hoffen, dass es nicht so weit kommen wird. Momentan ist die Auftragslage unserer Unternehmen noch gut."
Seiner Einschätzung nach wird es aber dann kritisch werden, wenn Bauprojekte angesichts extrem schwankender Preise und ungewisser Verfügbarkeiten von Materialien zu einem unkalkulierbaren "Risiko" für die Betriebe werden.
Zähes Ringen um Millionen
Die öffentliche Hand als Großinvestor sieht auch ihre Kosten durch die Decke gehen. Sie geizt mit Steuergeld, wo ihre Bau-Partner Zugeständnisse erwarten. Die Unternehmen und ihre Interessenverbände fordern, dass sogenannte Stoffpreisgleitklauseln in allen Verträge verankert werden.
Die Klauseln sollen dafür sorgen, dass die Firmen die Last von unerwarteten Preisaufschlägen für Rohstoffe oder Materialien nicht allein tragen müssen. Doch die öffentlichen Auftraggeber verweigern sich dem.
Alwin-Rainer Zipfl (45), Sprecher vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB): "Wie in der Vergangenheit auch werden im Verbund mit Bauindustrie und Bundesbauministerium im fürs SIB zuständigen Finanzministerium dafür Regelungen gesucht."
Ein zähes Ringen um Millionen! Allein der Staatsbetrieb wickelt jährlich im Schnitt 2300 Baumaßnahmen mit über 27.000 Einzelaufträgen ab. 2020 wurden unter SIB-Projektleitung insgesamt rund 577 Millionen Euro "verbuddelt".
Beispiel: Nur bei der zukünftigen Justizvollzugsanstalt Zwickau stiegen jüngst die Gesamtbaukosten von zuletzt 174 Millionen Euro auf nunmehr rund 235 Millionen Euro wegen des gestiegenen Baupreisindex.
Zipfl erklärt: "Sowohl dem SIB als auch den beteiligten Firmen ist es gerade in diesen herausfordernden Zeiten wichtig, dass die Baumaßnahmen weitergeführt werden und der laufende Betrieb aufrecht gehalten wird."
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