Saarländische Feuerwehr bei tödlicher Flixbus-Tragödie in Sachsen sofort da: "Viele blutüberströmt"

Wiedemar - Der tragische Flixbus-Unfall im Frühling auf der A9 nahe Leipzig hat vier Menschen das Leben gekostet, weitere Insassen wurden teils schwer verletzt. Feuerwehrleute aus dem Saarland waren durch einen außergewöhnlichen Zufall direkt am Unglücksort - im MDR-Magazin "Umschau" schildern sie nun die dramatischen Szenen.

In diesem umgekippten Flixbus starben am 27. März vier Menschen, zahlreiche weitere Insassen wurden verletzt.
In diesem umgekippten Flixbus starben am 27. März vier Menschen, zahlreiche weitere Insassen wurden verletzt.  © Sebastian Willnow/dpa

Am Morgen des 27. März dieses Jahres kam der Bus mit zwei Fahrern und 52 Reisenden auf dem Weg von Berlin nach Zürich von der Autobahn ab und kippte um - und zwar auf die Seite mit den Türen.

Unglaublich: Nur kurz dahinter war ein weiterer, ebenfalls aus der Hauptstadt kommender Reisebus unterwegs - unter den Insassen: ein Feuerwehrtrupp aus Saarbrücken-Dudweiler.

"Im Bus war das reine Chaos, dann hat man erstmal geguckt, das man die Leute einigermaßen beruhigt, weil ich sage mal, da war ja jeder verletzt, traumatisiert auf jeden Fall", erinnert sich Arno Montada in der MDR-Sendung. "Es waren natürlich auch viele blutüberströmt, Wunden haben viele gehabt", ergänzt Gerhard Pirrot.

Unfall A9: Heftiger Unfall auf A9: Fahrer aus Mercedes geschleudert und darunter begraben
Unfall A9 Heftiger Unfall auf A9: Fahrer aus Mercedes geschleudert und darunter begraben

Das Problem: Die zum Teil auch zu Notfallsanitätern ausgebildeten Dudweiler hatten keine Profi-Ausrüstung dabei.

"Gut zehn, zwölf Minuten waren wir alleine und dann kam der erste RTW mit einer ganz jungen Notfallsanitäterin, die das natürlich auch noch nie erlebt hat, nie gesehen hat, die war ganz frisch und war natürlich dann dort an der Unfallstelle total überfordert, das Mädchen hat geheult, wusste gar nicht, was sie machen soll, hat zwar gearbeitet, hat versucht, ihren Strang zu ziehen, aber sie war in einer anderen Welt, sage ich mal", beschreibt Montada die Situation.

Gemeinschaftliche Rettungsaktion: Sachsen und Saarländer arbeiten zusammen

Die Kameraden der saarländischen Feuerwehr Dudweiler waren beim Flixbus-Unfall als erste Helfer am Unglücksort.
Die Kameraden der saarländischen Feuerwehr Dudweiler waren beim Flixbus-Unfall als erste Helfer am Unglücksort.  © Facebook/Feuerwehr Dudweiler

Schließlich erreichte auch die Feuerwehr Wiedemar aus Nordsachsen den Unfallort - und die Zusammenarbeit begann. Montada über die erste Begegnung mit einem der sächsischen Kameraden: "Dann hat er nur einmal gefragt, wo wir her wären und dann hat aber die Sanitäterin, die als Erste am Einsatzort war, gesagt, das sind Feuerwehrleute aus Saarbrücken, lasst die schaffen, die haben Ahnung."

Und Ahnung wurde gebraucht. Pirrot schildert eine der gemeinschaftlichen Rettungsaktionen: "Da habe ich dann gesehen, das unten noch eine Frau eingeklemmt ist, eine junge Frau, ich schätze mal um die 20, die war mit dem Arm eingeklemmt, unterm Dachholm vom Fenster."

Pirott benötigte also schweres Werkzeug - und die Kollegen aus Wiedemar waren zur Stelle: "Dann hat er kurz gefragt, wie die Situation ist und ich habe mich vorgestellt, dass ich der Oberbrandmeister der Feuerwehr Saarbrücken-Dudweiler bin und eine technische Ausbildung habe und ich ganz dringend Spreizer und Schere brauche."

Unfall A9: Unfall A9: Seat kracht ungebremst in Stauende, Frau stirbt
Unfall A9 Unfall A9: Seat kracht ungebremst in Stauende, Frau stirbt

Und weiter: "Ich habe gefragt, wer hat das Kommando? Und er hat gesagt, du warst der Erste, mach du dann das Kommando." Zusammen befreiten sie die eingeklemmte Frau: "Der konnte mit dem Gerät super umgehen muss ich sagen, das ist perfekt", lobt Pirott.

Unfallforscher: "Es muss jemand nicht auf die Fahrbahn geschaut haben"

Unfallforscher Siegfried Brockmann (65).
Unfallforscher Siegfried Brockmann (65).  © Matthias Balk/dpa/dpa-tmn

Unfallforscher Siegfried Brockmann (65) erklärt in der "Umschau" die Umstände im Vorfeld des Unglücks: So sei der Ersatzfahrer zu spät gekommen, es habe eine Auseinandersetzung mit dem Hauptfahrer gegeben. "Also erstmal ist es ja so, dass man Streit natürlich auch wegdrücken kann, aber das kann jeder individuell mehr oder weniger gut. Nur der Streit war ja damit nicht erledigt, sondern wie man hört, ging der die ganze Fahrt weiter und dann kostet das natürlich schon Aufmerksamkeit. Und im Zweifel ist man vielleicht auch aggressiv, man fährt also anders, als wenn man ganz entspannt unterwegs wäre."

Absichtlich werde grundsätzlich niemand von der Straße abkommen - "dafür ist der Überlebenstrieb viel zu groß", weiß Brockmann. "Das heißt, es muss jemand nicht auf die Fahrbahn geschaut haben. Also entweder, weil man abgelenkt ist, hier zum Beispiel, wenn man sich mit den Kollegen streitet oder wenn die Augen zugefallen sind, das dürfte ja hier eher nicht der Fall gewesen sein, weil man sich ja gestritten hat."

Doch noch laufen die Ermittlungen, die Aufklärung bleibt also weiter abzuwarten.

Und das scheint nicht unkompliziert zu sein, denn Brockmann gibt zu bedenken: "Dieser Bus hatte mit Sicherheit eine sogenannte Spurverlassenswarnung, das bedeutet, der Fahrer hat ein haptisches Signal bekommen über seinen Sitz, dass er gerade eine Linie überfahren hat und spätestens da schaut man eigentlich auf die Fahrbahn. Und da ist der Unfallforscher jetzt ehrlich gesagt auch ein bisschen ratlos, weil dieses System ja gerade dazu dienen soll, einen solchen Unfall zu verhindern, es aber in diesem Fall nicht getan hat."

Den kompletten "Umschau"-Beitrag vom Dienstag könnt Ihr in der Mediathek streamen.

Titelfoto: Bildmontage: Sebastian Willnow/dpa ; Facebook/Feuerwehr Dudweiler

Mehr zum Thema Unfall A9: