Ali (†6) bei illegalem Autorennen getötet: Urteil gegen Raser "widerspricht Gerechtigkeitsempfinden"
Dresden/Halle/Berlin - Michael W. (†69) in Berlin, Kathrin Bagger (†43) in Halle/Saale, Ali (†6) in Dresden: Sie alle sind gestorben bei Verkehrsunfällen, deren Verursacher mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Stadt heizten.
"Es handelt sich immer um junge Männer und auch immer um Männer aus bestimmten Milieus, weil man schnelles Autofahren und dicke Autos gut finden muss", weiß Siegfried Brockmann, Unfallforscher bei der Unfallforschung der Versicherer (UDV).
"Auch die Umgebung dieser Leute muss das gut finden, sonst würde man das nicht tun", sagt er in der neuen "Kripo live - Tätern auf der Spur"-Folge.
Da wäre zum Beispiel der Fall aus Dresden. Am 22. August 2020 holten zwei Freunde den sechsjährigen Ali daheim in Dresden ab, wollten sich zusammen im gegenüberliegenden LIDL-Markt ein Eis kaufen.
Sie überquerten gegen 20.30 Uhr die vierspurige Budapester Straße. Zum gleichen Zeitpunkt wollten sich zwei Männer in ihren PS-starken Autos etwas beweisen, rasten mit bis zu 100 km/h durch die Stadt.
Mohammad F. (32) konnte nicht mehr bremsen, erfasste den gerade mit seinen Kumpels die Straße querenden Ali, schleuderte den kleinen Körper rund 27 Meter weit gegen das Wartehäuschen der Bushaltestelle Schweizer Straße. Der Sechsjährige starb im Krankenhaus.
Das Urteil: Drei Jahre und neun Monate Haft für den Haupttäter F., zwei Jahre auf Bewährung für den Mitangeklagten Mohamed A. (24). "Ein anderes Urteil wäre deutlich möglich gewesen", sagt der Verkehrsrechtler Prof. Dieter Müller. "Es widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürger und eines Juristen."
Kathrin Bagger (†43) starb nach einem Konzertbesuch in Halle an der Saale - Fahrer flüchtete
Am 14. Dezember 2019 wurde Kathrin Bagger (†43) Opfer eines Rasers.
Während eines Konzerts, das sie mit ihrem Ehemann Oliver besuchte, habe sie Kopfschmerzen bekommen und wollte allein nach Hause gehen, erzählt der Witwer in der MDR-Sendung, dem noch immer Sachen durch den Kopf gehen: "Wäre sie nicht vor mir gegangen, wäre es nicht passiert. Wäre ich mitgegangen, wären wir vielleicht beide tot."
Der Unfallverursacher Mohamed G. (19) erfasste die Frau, die gerade die Straße Am Leipziger Turm/Hansering überquerte, fuhr jedoch weiter und wurde erst nach einem Hinweis in Lutherstadt Eisleben gestellt. Dort wollte er gerade die Kennzeichen seines Mercedes wechseln.
"Der Unfallbericht hatte eineinhalb Seiten nur mit Verletzungen, wovon jede davon tödlich gewesen wäre", berichtet der hinterbliebende Sohn Amon.
Weil es keinen Prozess gab, handelte Oliver Bagger. Der Familienvater blockierte im März 2021 die Eingangstür des Justizzentrums. "Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass da noch jemand ist, der wartet, wie es weitergeht."
Dass der Täter wegen Mordes verurteilt werden müsste, steht für ihn fest. Er hofft einfach nur auf eine gerechte Strafe.
Berliner Ku'damm-Raser wegen Mordes verurteilt
In Deutschlands juristische Geschichtsbücher ging ein Raserfall von 2016 ein.
Am 1. Februar lieferten sich Marvin N. (29) und Hamdi H. (32) auf dem Berliner Kurfürstendamm ein illegales Autorennen. Bis zu 170 km/h schnell sollen sie stellenweise gewesen sein, blendeten offenbar jegliche Gefahren aus.
Selbst rote Ampeln konnten die jungen Männer nicht stoppen. Das wurde Michael W. (†69) zum Verhängnis, der mit seinem Jeep bei grünem Lichtsignal auf die Kreuzung fuhr und von dem etwa 100 km/h schnellen Auto von H. gerammt wurde.
Das Fahrzeug des Rentners wurde auf die Seite geschleudert, W. starb noch an der Unfallstelle.
Das Landgericht Berlin verurteilte beide 2017 zu lebenslanger Haft. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf, gab es eine Ebene zurück. Das LG bestätigte sein Urteil jedoch, sah nun sogar noch zwei weitere Mordmerkmale.
Letztlich wurde Verursacher H. zu lebenslanger Haft wegen Mordes verursacht, N. wegen versuchten Mordes "nur" zu 13 Jahren.
Die Raserunfälle werden am heutigen Abend in der MDR-Sendung "Kripo live - Tätern auf der Spur" ab 21.15 Uhr oder schon jetzt auf Abruf in der Mediathek gezeigt.
Titelfoto: Bildmontage: Roland Halkasch, privat