Trauer um Babys: Bilder der Trauer, Fotos voll Trost
Dresden – Früher legte man toten Babys einfach ein Handtuch über den Kopf. Bevor die Mutter realisieren konnte, dass sie ein Kind geboren hatte, lag es bereits im Krankenhausabfall.

Inzwischen hat die Medizin erkannt, wie wichtig die Zeit zum Abschiednehmen ist. Die Initiative "Dein Sternenkind" hilft den Eltern dabei - und macht Erinnerungsfotos.
"Wir können nichts mehr tun!" Diese Worte der Ärztin waren wie ein Schock. Den Namen für ihren Sohn hatten Wencke (34) und Sven (33) schon ausgesucht. Ole sollte er heißen. Doch dann hörte sein Herz auf zu pochen. Seine Lebensuhr lief ab, bevor sie überhaupt zu schlagen begonnen hatte. "Nabelschnur-Vorfall" stand auf dem Obduktions-Bescheid. "Er ist wohl erstickt", sagt Sven. Er schaut rüber zu Wencke, seiner Frau. Tränen treten in ihre Augen.
Ein halbes Jahr ist das nun her. Damals, im Januar bei einem Routine-Termin, konnte Wenckes Frauenärztin plötzlich keine Herztöne mehr feststellen. Oles Nabelschnur hatte sich so fest um seine Schulter gewickelt, dass die Sauerstoffzufuhr abbrach.
Die Geburt wurde künstlich eingeleitet. Zwei Tage später, am 19. Januar 2018 um 8.17 Uhr, kam Ole im Kreißsaal in Meißen zur Welt. 3000 Gramm schwer, 50 Zentimeter groß. "Ein reifes Baby, normal entwickelt, er hätte leben können", sagt Wencke. Doch die Augen ihres Kleinen blieben zu. Er war tot.
Wie geht man mit dem Tod seine Babys um?

Wie geht man damit um? Das Krankenhaus hatte den verzweifelten Eltern in der Zwischenzeit eine Info-Mappe in die Hand gedrückt. Darin entdeckte Ehemann Sven die Anzeige der Initiative "Dein Sternenkind". Er griff zum Telefon. 600 Fotografen arbeiten deutschlandweit für die Organisation.
Eine davon ist Ivonne Mattiza (31) aus Dresden. Doch darf man sein totes Kind fotografieren lassen? Sven zögerte. Während man ihm den Ablauf erklärte, klingelte bei Ivonne Mattiza der Alarm. Seit einem Jahr engagiert sich die Dresdner Fotografin ehrenamtlich für "Dein Sternenkind". Mit ihren Fotos hilft sie beim Abschied, bevor das Leben angefangen hat.
"Ich habe selber einen Sohn, der viel zu früh in der 31. Schwangerschaftswoche geboren wurde", erzählt sie. Ihr Frühchen schaffte es, andere nicht.
Die zweieinhalb Monate im Krankenhaus hinterließen Spuren. Ivonne Mattiza sah weinende Eltern, sprach mit Betroffenen, Hebammen, Krankenschwestern und entdeckte die Anzeige von "Dein Sternenkind".

Fotografen wurden gesucht, die mit ihren Fotos in der Stunde der größten Not etwas Trost spenden. Sie brauchte drei Jahre, bevor sie sich bewarb. Die Heilerziehungspädagogin kaufte sich eine Kamera, knipste Neugeborene von Bekannten und reichte ihre Bewerbungsmappe ein. Ein paar Tage später kam die Zusage.
Ihr erstes Sternchen, das sie ablichtete, war nur 17 Wochen alt. "Das legt man einfach nur in eine Hand", erzählt sie. Inzwischen hat die Dresdnerin acht Sternenkinder fotografiert - und hat immer noch jedes Mal "extremes Herzklopfen", wie sie sagt. So auch bei Ole.
"Wir hatten nur diese eine Chance für Erinnerungsbilder", erzählt sein Vater Sven. Auch die Großmutter war dabei. "Wenn Du Deinen Enkel nochmal sehen willst, dann komm jetzt ins Krankenhaus", hatte Wencke ihr am Telefon gesagt. Die Hebammen hatten den Kreißsaal geräumt. Wichtig war Wencke, nicht zu weinen: "Uns blieben nur wenige Stunden."
Und diese Zeit nutzte sie. "Ich habe ihn gerochen und gefühlt." Gemeinsam wuschen sie den Kleinen, zogen ihn an und legten ihn ins Körbchen. Und Ivonne Mattiza fotografierte all das. Doch allmählich veränderte sich das Kind, seine Lippen wurden blau. Es wurde Zeit, ihn auf die letzte Reise zu schicken.
Inzwischen ruht Ole im Grab seiner Urgroßeltern. "Er ist ja nicht weg, er ist uns nur vorausgegangen", sagte die Pfarrerin bei der Trauerfeier. Für seine Eltern ist er ohnehin immer da. "Wir werden seinen jüngeren Geschwistern von Ole erzählen", sagen sie. Sein Foto hat in ihrer Wohnung einen guten Platz gefunden.
"Die Bilder haben uns unheimlich bei der Verarbeitung geholfen." Damit hätten sie etwas Greifbares, könnten Ole immer anschauen und ihr Kind anderen Leuten zeigen. Nachbarn und Arbeitskollegen wollen schließlich wissen, wo der Kinderwagen ist. Und dann passierte etwas, das sie nie erwartet hätten. Plötzlich brachen auch andere Menschen ihr Schweigen: "Wir waren überrascht von der Ehrlichkeit."
Titelfoto: Holm Helis