Generationswechsel bei "Karussell": Sohn Joe holte DDR-Band ins 21. Jahrhundert
Leipzig - "Wir waren schon einmal sehr populär. Das müssen wir nicht mehr werden." Es klingt fast trotzig was Wolf Rüdiger Raschke, Gründungsmitglied der Rockband Karussell, über die Ziele und die Musik der Band sagt.
In den 1980er Jahren war die Formation in der DDR eine der beliebtesten Bands, spielte vor Zehntausenden Menschen. Nach Trennungen, Soloprojekten und Schicksalsschlägen nimmt die Leipziger Band einen neuen Anlauf.
Seit einigen Tagen ist das neue Album "Erdenwind" auf dem Markt. In ihrer Heimatstadt Leipzig starten sie ihre Tour vor ausgewähltem Publikum. Es folgen 35 Konzerte vor allem in Ostdeutschland, unter anderem in Magdeburg, Berlin, Erfurt und Boltenhagen an der Ostsee.
Die Band gründete sich im April 1976 aus ehemaligen Mitgliedern der kurz zuvor verbotenen Leipziger Band Renft. Karussell war geprägt durch ihre liedhafte, melodiebetonte Rockmusik. Alle Musiker komponierten und arrangierten die kritischen, poetischen Texte in denen die Alltagsprobleme aufgriffen.
Die Band war vor der Wende ganz oben, wurde in einem Atemzug mit Karat, City, Puhdys, Silly und Electra genannt. Ihr größter Hit "Als ich fortging" ist noch heute eine Art Hymne in Ostdeutschland.
Dann fiel die Mauer und es kam "der große Freiheitsdrang der Menschen auch in der Musik", wie es Bandgründer Raschke formuliert. Internationale Stars kamen "rüber" und ließen für viele Ostbands kaum noch Raum. "Wir waren fast von heute auf morgen weg vom Fenster und hatten Null Chancen auf dem Markt", erläutert Wolf Rüdiger Raschke.
Karussell zog sich 1994 für 13 Jahre zurück. Mitte 2011 erschien nach fast 17-jähriger Pause das Album "loslassen" - mit eher mäßigem Erfolg.
Karussell hat einen wahrhaftigen Generationenwechsel vollzogen. Statt Wolf Rüdiger Raschke ist nun sein Sohn Joe das Gesicht der Band.
"Er prägt die Musik und hat auch die meisten Songs und Texte geschrieben", erklärt der 70-jährige Raschke. Das ist auch auf dem neuen Album zu hören. "Erdenwind" setzt sich ab von dem alten Blues-Rock-Schema. Aber die treuen Fans dürfen sich weiter über tiefgründige deutsche Texte freuen. "Nur die Zeit der sieben bis zehn Minuten langen Stücke ist vorbei", betont Joe Raschke.
Der 38 Jahre alte Bandleader will auch gar nicht mehr zu oft zurückschauen. Er erinnert sich zwar gerne an die Zeit als er als kleiner Junge seinen Vater und die anderen Musiker bewunderte. "Die vielen Töne und das Scheinwerferlicht auf den Gitarrenseiten haben mich fasziniert", sagt Joe.
Er ist musikalisch aus dem Schatten seines Vaters getreten und zeigte der Band die vielen technischen Möglichkeiten, wie ein erstes musikalisches Arrangement auch auf dem Laptop entstehen kann. "Das macht vieles einfacher. Aber die Stücke spielen wir dann schon noch live ein", erklärt Joe.
Joe hat die älteren Bandmitglieder mitgezogen und wieder begeistert. "Es ist noch ein bisschen was in uns drin. Wir haben Spaß und machen weiter solange wir gesund sind", sagte Reinhard Huth, der ebenfalls seit 1976 bei Karussell ist und alle Höhen und Tiefen mitgemacht hat.