Zündstoff-Thema: Kosten für Ukraine-Flüchtlinge - Eskaliert es in Thüringen?
Erfurt - Für dieses Jahr übernimmt das Land Mehrkosten der Kommunen bei der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge. Doch wie geht es damit 2024 weiter? Ein Rechtsgutachten sieht das Land in der Pflicht. Landet die Frage am Ende vor Gericht?
Freiwillig oder Pflicht? Thüringen erstattet Landkreisen und kreisfreien Städten in diesem Jahr angefallene Mehrkosten zur Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge.
Ein neues Rechtsgutachten sieht das Land hier in der Pflicht! Die Landesregierung winkt zwar ab und vertritt eine andere Rechtsauffassung, dennoch kann sich Migrationsministerin Doreen Denstädt (45, Grüne) eine Verlängerung der 100-Prozent-Erstattung vorstellen. "Unsere rechtliche Auffassung ist tatsächlich eine andere", sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Zugleich betonte sie, dass sie das Anliegen der Kommunen verstehe.
Konkret dreht sich die Auseinandersetzung um ukrainische Flüchtlinge. Nach Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 kamen immer mehr Kriegsflüchtlinge nach Deutschland und auch nach Thüringen.
Um ihnen die Ankunft und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, entschied die Bundesregierung, dass Geflüchtete ab 1. Juni 2022 in der Regel Grundsicherungsleistungen erhalten können statt Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz. Das änderte vieles, auch Zuständigkeiten. Gelder erhalten die Geflüchteten nun über die Jobcenter vom Bund.
Stellungnahme der Landesregierung
Bei den Unterbringungskosten bleiben die Kommunen aber auf einem Anteil von etwa 30 Prozent sitzen. Für das laufende Jahr wurde diese Lücke per Gesetz geschlossen: Das Land kommt über das Rechtskreiswechselgesetz für alle Mehrkosten auf, 2024 soll es zudem eine genaue Abrechnung geben. Für kommendes Jahr fehlt bisher eine Regelung.
Wie aus dem Gutachten hervorgeht, sehen die Autoren das Konnexitätsprinzip, wonach das Land den Kommunen Mehrkosten für übertragene Aufgaben erstatten muss, unberührt vom Rechtskreiswechsel der Geflüchteten.
Die Thüringer Verfassung sichere den Kommunen eine "vollständige und finanzkraftunabhängige Erstattung", heißt es in dem Gutachten, das vom Thüringischen Landkreistag in Auftrag gegeben wurde und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die rot-rot-grüne Landesregierung argumentiert in einer Stellungnahme hingegen, dass die Kommunen im eigenen Wirkungskreis handelten: "Den kommunalen Gebietskörperschaften werden keine neuen Aufgaben, die vom Land nach dem Konnexitätsprinzip zu finanzieren wären, übertragen", steht in der Stellungnahme.
Denstädt: "Wenn es zu Streit kommt, muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden"
Denstädt sagte, am einfachsten wäre es aus ihrer Sicht, das Rechtskreiswechslergesetz zu verlängern. Der Krieg in der Ukraine laufe weiter. "Wir haben jetzt August und es ist noch kein Ende in Sicht. Es wird also schon notwendig sein, das noch einmal anzupassen", sagte sie.
In der Stellungnahme der Landesregierung heißt es, es sei nicht unwahrscheinlich, dass einzelne Landkreise oder Städte Verfassungsbeschwerde erheben würden. Die Landesregierung sieht ihre Rechtsauffassung aber gut begründet.
Denstädt sagte: "Wenn es zu Streit kommt, muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden." Es gebe dazu in mehreren Bundesländern bereits Entscheidungen. Grundsätzlich teile sie die Sicht der Kommunen, Migration nicht als punktuelle, sondern als Daueraufgabe zu betrachten. "Wir haben genug Krisen in der Welt und wissen nicht, was noch kommt", sagte sie.
Thüringens Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich (49) sieht bei den Flüchtlingskosten auch den Bund in der Pflicht. Das Geld für die Erstattung über das Rechtskreiswechslergesetz sei vom Bund gekommen.
Rothe-Beinlich: "Dann wird auch der Bund erneut handeln müssen"
"Wenn die Situation weiter angespannt ist, dann wird auch der Bund erneut handeln müssen, selbstverständlich auch die Länder und das werden wir ganz bestimmt auch tun", sagte Rothe-Beinlich.
Sie appellierte an die Kommunen, darauf zu vertrauen, dass man eine Lösung finden werde, wenn es erneut zu einer schwierigen Situation kommen werde. Für das laufende Jahr habe man eine größtmögliche Sicherheit geschaffen.
Titelfoto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa