Buchenwald-Gedenkenstätten-Leiter hält nichts von Pflichtbesuchen für Schüler
Weimar - Buchenwald-Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner (*1966) hat sich gegen Pflichtbesuche von Schülerinnen und Schülern in KZ-Gedenkstätten ausgesprochen.
"Gedenkstätten sind keine demokratischen Läuterungsanstalten", sagte Wagner am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Diskussion über Pflichtbesuche flamme häufig reflexhaft auf, wenn es antisemitische Vorfälle gegeben habe.
Es gebe teils die Vorstellung, ein "schneller Besuch" einer Gedenkstätte könnte antisemitisches oder rechtsextremes Gedankengut eliminieren. Das sei aber ein Trugschluss.
Die Unionsfraktion im Bundestag fordert Pflichtbesuche von KZ-Gedenkstätten für alle Schülerinnen und Schüler, wie aus einem Bundestagsantrag hervorgeht, über den die "Welt" berichtete.
Buchenwald-Gedenkstättenleiter Wagner sagte, die Erfahrungen aus DDR-Zeiten zeigten, dass sich Pflichtbesuche kontraproduktiv auswirken könnten. "Wenn jemand zu etwas verpflichtet wird, dann neigt er dazu, Abwehr zu zeigen", sagte Wagner.
Vor 79 Jahren: US-Truppen befreien KZ Buchenwald
Zudem komme es nicht nur darauf an, ob jemand eine Gedenkstätte besuche, sondern auch wie. Frontalveranstaltungen funktionierten didaktisch nicht gut.
"Wir brauchen intensivere Formate, die wirklich geeignet sind, Reflexionsprozesse auszulösen." Besser seien Tagesprojekte oder Mehrtagesprojekte, es gehe um forschendes Lernen. "Das heißt: das Arbeiten mit den Quellen, die Interpretation von Quellen, die eigene, auf Reflexion ausgerichtete Aneignung von Geschichte, die Auseinandersetzung mit Geschichte. Das sind dann nachhaltige Besuche", erklärte der Historiker.
Wagner führte auch praktische Gründe gegen eine Besuchspflicht an: Die Gedenkstätte Buchenwald sei bei Führungen teils schlicht ausgebucht.
Am 11. April vor 79 Jahren hatten US-Truppen das damalige Konzentrationslager Buchenwald nahe Weimar erreicht und befreiten es.
Mehr als eine Viertelmillion Menschen verschleppt
In das KZ Buchenwald und seine mehr als 130 Außenlager hatten die Nationalsozialisten seit dem Sommer 1937 mehr als eine Viertelmillion Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche aus 50 Ländern verschleppt.
56.000 Menschen wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheiten, durch Zwangsarbeit oder medizinische Experimente. Die Befreiung erlebten noch 21.000 Menschen.
Titelfoto: Martin Schutt/dpa