Vorwürfe gegen den NDR erhärten sich: "Die Redaktionsspitze ist nicht objektiv"
Kiel - Neue Enthüllungen! Nach den schwerwiegenden Vorwürfen gegen den NDR in Kiel kommen nun weitere Details ans Licht - und die Anschuldigungen erhärten sich.
Zum Hintergrund: Der "Business Insider" berichtete jüngst unter Berufung auf vertrauliche interne Untersuchungsberichte über die Vorwürfe mehrerer Mitarbeiter des Rundfunkhauses in Kiel.
Sie warfen der Senderleitung vor, die unabhängige Berichterstattung teilweise zu verhindern, sprachen zudem von einem "politischen Filter" sowie einem "Klima der Angst".
Der NDR reagierte und wies die Vorwürfe zurück. Die Berichterstattung sei "unvoreingenommen und unabhängig", ein "Klima der Angst" habe sich in zahlreichen Gesprächen mit Mitarbeitenden vor Ort nicht bestätigt.
Nun jedoch bringen Recherchen des "Stern" neuen Zündstoff in die Thematik. Das Magazin sprach mit weiteren Mitarbeitern, die die Vorwürfe bestätigten - und zudem neue Anschuldigungen erhoben.
So erklärte ein Redaktionsmitglied: "Auffällig ist, dass ständig die Regierung befragt und gesendet wird. Keine Stimme von der Opposition, keine kritische Stimme von Verbänden." Zudem ergänzte er: "Man hat den Eindruck, Inhalte werden gefiltert, die Redaktionsspitze ist nicht mehr objektiv."
NDR schwieg die Alkoholfahrt von CDU-Parlamentarier Hans-Jörn Arp tot
Ein weiterer Mitarbeiter des Rundfunkhauses schlägt ähnliche Töne an: "Redaktions- und Funkhausspitze wollen ihre gut dotierten Verträge behalten oder weiter vorankommen. Und deswegen wollen sie niemandem auf die Füße treten"
Kritischer Journalismus sei so nicht möglich. "Es werden vorgeschobene Gründe genannt, warum wir dann doch nicht berichten sollen. Selbst bei einer eindeutigen Beleglage wird die Berichterstattung abgeschwächt oder sogar ganz verhindert, wenn sie nicht erwünscht ist", verdeutlichte er.
Der "Stern" führte auch ein konkretes Beispiel an: Im März 2019 baute der einstige CDU-Parlamentarier Hans-Jörn Arp (70), ein Vertrauter von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (49, CDU), alkoholisiert einen Autounfall.
Während der Vorfall in vielen Medien Schlagzeilen machte, schwieg der NDR das Thema tot. Auf eine "Stern"-Anfrage erklärte der Sender dazu nun: "Die Nicht-Berichterstattung über den Vorfall rund um den Abgeordneten Arp bewerten wir rückblickend als Versäumnis."
Übrigens: Die Brisanz der Vorwürfe war dem NDR-Redaktionsausschuss - einer Anlaufstelle für interne Beschwerden - laut "Stern" durchaus bewusst. So heißt es im Untersuchungsbericht: "Der Schaden für den NDR wäre immens, wenn dieser Vorgang in der Öffentlichkeit diskutiert würde. Genau das gilt es zu verhindern."
NDR kündigt Sondersitzung an, um sich mit den neuen Vorwürfen zu befassen
Am Freitagmittag hat der NDR auf die neuen Vorwürfe reagiert und eine Sondersitzung angekündigt.
Die Vorsitzende des unabhängigen Kontrollgremiums für die Programmarbeit, Laura Pooth, erklärte: "Wir werden uns kurzfristig am Montag mit den in der Berichterstattung erhobenen Vorwürfen befassen."
Die Verantwortlichen in Schleswig-Holstein hätten demnach alle notwendigen Informationen und Auskünfte zugesagt. Es gehe nun um objektive, unabhängige Aufklärung.
Erstmeldung: 26. August, 11.28 Uhr. Aktualisiert: 12.46 Uhr
Titelfoto: Georg Wendt/dpa