Weil Angeklagte zu lange in U-Haft saßen: Verfahren drohen zu platzen
Zwickau - Es scheint, als würde sich die Justiz manchmal selbst ein Bein stellen ... Wegen verstrichener Fristen muss das Oberlandesgericht Dresden (OLG) immer wieder Gefangene aus der Untersuchungshaft entlassen. Das wiederum fällt Amts- und Landgerichten auf die Füße, da freigelassene Angeklagte im Prozess mit Abwesenheit glänzen.
Aktuell kämpft das Landgericht Zwickau mit diesem Problem. Eine mutmaßliche Einbrecherbande aus Rumänien muss sich seit Dienstag wegen besonders schweren Diebstahls verantworten.
Das Trio (35 bis 41 Jahre) soll mit weiteren Beteiligten zwischen Oktober 2016 und April 2017 sechs Spielhallen (u. a. in Zwickau und Elsterberg) um 107.600 Euro erleichtert haben. Von drei Angeklagten waren am Dienstag aber nur zwei erschienen.
"Aufgrund der Corona-Pandemie konnte keine Verhandlung innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist für die Untersuchungshaft anberaumt werden, sodass die Angeklagten freigelassen wurden", erklärt Gerichtssprecher Altfrid Luthe. In der Regel dürfen Verdächtige nur sechs Monate in U-Haft sitzen.
Das OLG entscheidet über Fortdauer und Freilassung. Neben Personal fehle am Landgericht Zwickau laut Luthe eine zweite Große Strafkammer für wichtige Verfahren. Im Fall der Rumänen hat sich der fehlende Angeklagte vermutlich in sein Heimatland abgesetzt. Eine Ladung hat er ignoriert. Nun wird er per internationalen Haftbefehl gesucht.
Schon am Donnerstag droht der nächste Prozess zu platzen: Sechs Angeklagte (24 bis 51) werden des Drogenhandels (1,5 Kilo Crystal) beschuldigt. Erneut können die Richter nur hoffen, dass die Männer freiwillig erscheinen.
Dutzende Verdächtige seit 2018 aus U-Haft entlassen
Zwischen 2018 und 2021 sind in Sachsen 42 Verdächtige wegen zu langer Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft freigekommen. Nach Angaben des Justizministeriums waren es 2018 acht und 2019 schon 13 Freilassungen.
In den Corona-Jahren 2020 und 2021 mussten zehn und elf Beschuldigte entlassen werden. In beiden Jahren betraf dies vor allem Verfahren wegen Diebstahls, schweren Bandendiebstahls, räuberischen Diebstahls und Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz.
In 132 Fällen von 2021 ordnete das Oberlandesgericht Dresden (OLG) eine Fortdauer der U-Haft an. Derartige Entscheidungen sind komplex und hängen von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel dem Freiheitsanspruch und Strafverfolgungsinteresse ab.
Titelfoto: Uwe Meinhold