Sachsens schlimmster Bahnhof: Darum wollen Bürger den Abriss verhindern
Werdau - Der Putz fällt von der Decke, die Wände sind beschmiert, der Eingang ist kaum zu erkennen: Das Bahnhofsgebäude in Werdau ist wohl das heruntergekommenste in ganz Sachsen! Die Stadt will den Schandfleck abreißen lassen, einige Bürger sind dagegen - es tobt ein wahrer Kampf um die Ruine.
Zugreisende, die nach Werdau wollen, müssen wohl oder übel durch den völlig beschmierten Bahnhof, der an ein "Lost Place" erinnert. Kein Kiosk, keine Läden, kein Strom, nichts. Stattdessen notdürftig verriegelte Türen und gespenstische Stille.
Dass dieser Ort ein wahrer Schandfleck ist, weiß auch Werdaus Bürgermeister Sören Kristensen (59, Unabhängige Liste). "Der Bahnhof ist vollständig entkernt - eine reine Gebäude-Hülle. Es gibt keine Heizung, kein Wasser und keinen Strom." Kristensen spricht sich daher für den Abriss des Gebäudes aus, das seit 2012 der Stadt gehört.
Nach dem Rückbau des Bahnhofes ist an dieser Stelle eine moderne, kleine Empfangshalle geplant. Zusätzlich soll der Vorplatz neu gestaltet werden - mit Fahrradstellplätzen, möglicherweise E-Ladestationen und mit neuen Bushaltestellen.
Doch die Abriss-Pläne der Stadt stießen bei einigen Bürgern auf Ablehnung. Der Rückbau hatte bereits begonnen, da stoppte das Chemnitzer Verwaltungsgericht im April nach Bürger-Protesten die Bauarbeiten.
Ein Erfolg für Philipp Meyer, Vorsitzender des Vereins Stadterhaltung und -entwicklung Werdau. Er will das Bahnhofsgebäude unbedingt erhalten. "Es geht darum, ein vorzeigbares Eingangstor zur Stadt zu schaffen, mit dem sich alle Werdauer identifizieren können", sagt er gegenüber TAG24.
Bahnhofs-Retter wollen Bahnhof sanieren und Büros für Start-up-Unternehmen schaffen
Der Plan der Bahnhofs-Retter: das Gebäude grundlegend zu sanieren. Dabei soll der Eingangsbereich modernisiert und Fahrradstellplätze gebaut werden.
In den Etagen darüber wünschen sich die Abriss-Gegner Start-up-Räume, unter anderem für Jungunternehmer. Zusätzlich schlägt der Verein vor, die "Mitropa", einen außergewöhnlich schönen Festsaal, zu erhalten und für Veranstaltungen zu nutzen. So weit der Plan der Bahnhofs-Retter.
Die Stadt Werdau legte beim Oberverwaltungsgericht in Bautzen Beschwerde gegen den Abriss-Stopp ein. Das Gericht entschied: Der Baustopp wird aufgehoben, die Abrissarbeiten können weitergehen.
Auch der Stadtrat stimmte am 25. Mai gegen das Bürgerbegehren der Bahnhofs-Retter. Ein Schlag ins Gesicht für Meyer und mehr als 800 Werdauer, die ihre Unterschrift für die Erhaltung des Bahnhofsgebäudes gegeben haben.
Meyer ist enttäuscht, auch von Bürgermeister Kristensen: "Er hat auch in der Stadtratssitzung wiederholt klar betont, dass die Stadt nicht zu Gesprächen mit unserem Verein bereit ist."
Der Stadt-Chef entgegnet: "Das stimmt einfach nicht. Die Herrschaften saßen in mehreren Gesprächsrunden mit mir am Tisch." Zudem kritisiert Kristensen, dass die Abriss-Pläne schon seit Jahren im Raum standen, der Verein sich aber erst im Februar 2023 gegründet habe. "Zu diesem Zeitpunkt war der Abriss-Beschluss bereits getroffen."
Rathaus legt Zeitplan vor: Werdauer Bahnhof soll bis Ende 2023 abgerissen werden
Doch wie geht es nun weiter? Wie die Stadt mitteilte, werden schon bald Gespräche mit der Deutschen Bahn geführt, da der Abriss auch Auswirkungen auf den Zugverkehr hat. Gleichzeitig wird die Verlegung der Bushaltestellen geplant.
Das Ziel der Stadt: Bis zum Jahresende soll das Bahnhofsgebäude in Werdau abgerissen sein. Danach können die Bauarbeiten für den neuen Bahnhofs-Vorplatz beginnen.
Für das Projekt plant Werdau etwa 4,5 Millionen Euro ein - 800.000 Euro will die Stadt selbst aufbringen, der Rest sind Fördermittel.
Titelfoto: Fabian Windrich