Kunstfestival lässt eine der letzten Videotheken Sachsens wieder aufleben
Lichtenstein - Zum 20. Kunstfestival "Begehungen" präsentieren ab Donnerstag im historischen Palais Lichtenstein (Landkreis Zwickau) Künstler ihre Arbeiten unter dem Motto "etcetera pp". Auch Bürger der Region sind Teil des Kunstprojekts. Und die Videothek erlebt ein Revival.
Nach einem Aufruf der Macher meldeten sich 30 Anwohner und boten Sammlungen von Biertrucks bis Reißzwecken als Ausstellungsobjekte an. Acht Bürger wählten eine Jury aus, die ihre Exponate auf den "Begehungen" zeigen darf.
Die übrigen 22 Bürger sind am 20. und 27. August eingeladen, von 11 bis 14 Uhr im Palais über ihre Sammelleidenschaft zu sprechen und Einzelstücke zu zeigen.
Das Sammeln steht im Mittelpunkt des Festivals. Kein Wunder, war das Palais doch bis 2018 Sitz des Daetz-Museums, wo der Mäzen Peter Daetz (91) seine Holzkunst aus aller Welt ausstellte. Nach einer Räumungsklage steht das Museum leer. Da kamen die "Begehungen" ins Spiel. Sprecher Lars Neuenfeld (51): "Vitrinen und Sockel standen noch da. Nur die Objekte fehlten."
Das Festival nutzt das historische Gemäuer der Stadt und startete einen internationalen Aufruf. 696 Bewerbungen gingen ein, 25 Künstler und Künstlergruppen wurden ausgewählt.
Bilder, Fotos, Skulpturen, Objekte - "das sind teilweise raumgreifende Arbeiten mit viel Sound und Licht", weiß Lars Neuenfeld.
Hier gibt es auch VHS-Kassetten
Ein Highlight ist die Videothek von Thorsten Wagner. Unter dem Titel "Sojuz Apollo" baut er einen Verleih mit Tresen und 420 VHS-Kassetten auf. Besucher dürfen sich die Filme ausleihen und in kleinen Kabinen mit Recorder und Bildschirm anschauen.
Dass Lichtenstein bis Ende 2022 Standort einer der letzten echten Videotheken Sachsens war, nennt Neuenfeld "herrlich, aber nicht geplant".
Die Begehungen "etcetera pp" laufen bis zum 27. August. Neben der Ausstellung gibt es Konzerte, Lesungen und Talks - am 26. August um 14.30 Uhr zum Thema Kulturhauptstadt.
Das Palais ist geöffnet vom 18. bis 20. August und vom 25. bis 27. August von 10 bis 20 Uhr. Vom 21. bis 24. August nur zu den Führungen um 13, 14.30 und 16 Uhr. Eröffnung ist am Donnerstag um 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Letzter Filmverleih ist jetzt eine Kneipe
Skurril: Während beim Festival "Begehungen" in Lichtenstein eine Videothek als Kunstinstallation öffnet, schloss dort vor acht Monaten eine der letzten Videotheken Sachsens.
Bernd Frömmig (62) war ein Video-Pionier: "1987 kaufte ich einen russischen Rekorder. Damit nahm ich Sandmann-Folgen auf und spielte sie meinem Sohn eine Stunde früher vor, um rechtzeitig ins Kino zu kommen."
Im April 1990 eröffnete Frömmig sein Video-Center am Altmarkt. "Die Kunden standen Schlange", erinnert sich der Lichtensteiner. "Sie warteten abends auf die Rückgabe von Filmhits wie 'Rambo' und tranken dabei mein Bier weg." Das brachte ihn auf eine weitere Idee: Er eröffnete noch eine Mini-Kneipe im Haus.
Im Dezember 2022 war Schluss mit dem Verleih. Aber rund 1000 Filme stehen noch im Anbau. Vorne bedient Frömmig die Kunden seiner Kneipe, die weiter "Video-Center" heißt. Geöffnet ist das Unikat montags und dienstags sowie von Donnerstag bis Sonnabend von 10 bis 12 Uhr und 17 bis 20 Uhr.
Titelfoto: Sven Gleisberg