Immer mehr Tiere, immer größere Sorgen: "Zu viele Schnauzen für zu wenig Hände"
Zwickau - Ein Brandbrief deutscher Tierschutzvereine sorgte Anfang der Woche bundesweit für Aufruhr. Wie dringlich die Probleme auch in der Region Chemnitz sind, zeigt ein Besuch im Tierheim Vielau bei Zwickau.
Es werden immer mehr: Seit Beginn des Jahres kamen 170 Katzen in die Obhut von Tierheimleiterin Claudia Ruf (50), ihrer Pfleger und Pflegerinnen. Viele von ihnen seien rasch wieder vermittelt worden, doch der massive Katzen-Bestand sei ein Teufelskreis.
"Ich bin ein paar Tage nicht da, und schon sitzen zehn neue Katzen hier", berichtet Claudia Ruf. Aktuell bewohnen 78 Katzen, 17 Hunde, 32 Reptilien, zahlreiche Kleintiere und Vögel das Tierheim.
Die Liste der Probleme ist auch in Vielau lang: höhere Kosten für Tierarzt, Angestellte und Futter, Personalmangel bei den Tierpflegern, weniger Vermittlungen, immer mehr Abgaben auch von schwierigen oder vernachlässigten Tieren.
"Kurzfristig haben wir keine Optionen", erklärt Ruf. "Deshalb brauchen wir zumindest kostendeckende Verträge mit der Stadt, damit wenigstens Personal da ist, das ordentlich bezahlt werden kann." In ihrem Verein habe man die Kostenvoranschläge zwar gut kalkuliert, doch sei im Rathaus auf taube Ohren gestoßen. "Alles soll nichts kosten", beklagt sie.
Ein Heimtierschutzgesetz muss her und der Internethandel gestoppt werden
"Letztlich bettelt man um Spenden, und wenn wir ganz ehrlich sind, überleben viele Tierheime nur, weil hin und wieder eine Erbschaft mit 10 bis 30.000 Euro kommt“, erklärt die Tierheimleiterin.
Die langfristigen Forderungen sind für Claudia Ruf glasklar: "Es muss ein Heimtierschutzgesetz geben. Der Hundeführerschein sollte eingeführt werden und der Internethandel mit Tieren muss weg."
Diese Forderungen des bundesweiten Brandbriefs unterstützt sie ebenso wie den zentralen Kritikpunkt: "Zu viele Schnauzen für zu wenig Hände!"
Erst wenn sich daran etwas ändere, ist ein Ende der Leidenszeit ins Sicht. Für die überlasteten Heime - und erst recht für ihre Bewohner.
Problembewohner und ihre traurigen Geschichten
Rottweiler-Mix Djego
Der schwarze Rüde kommt aus einem Drogenhaushalt und wurde vor dem Besitzer gerettet. Das Ordnungsamt wies den elfjährigen Hund ein, weil das bissige Tier als gefährlich eingestuft wurde. Mit Menschen kommt Djego problemlos klar, andere Hunde mag er nicht. Nun sucht er neue, geduldige Halter.
Mischlingsrüde Arco
Der Mischlingsrüde wurde wohl ausgesetzt und kam als Fundhund aus Werdau ins Tierheim. Eine Suche nach seinen möglichen Besitzern auf Facebook ergab nichts. Aufgrund seiner Größe und einem Schilddrüsenproblem hat Arco noch kein neues Zuhause gefunden. Medikamentös ist er voll eingestellt.
Katze Waltraud
Die alte Katzenlady ist im April in Crimmitschau gefunden worden. Altersbedingt leidet sie unter einem Nierenproblem und bekommt spezielles Futter. Über ihre Vorgeschichte ist nichts bekannt, da sie nicht gechippt war.
Katze Lucy
Katzen-Omi Lucy ist seit Oktober 2022 im Zwickauer Tierheim. Nach ihrer Ankunft wurde ein nicht behandelbarer Tumor an ihrer Speiseröhre festgestellt. Durch Medikamente kann Lucy ihren Lebensabend fröhlich verbringen und sucht jetzt noch eine Altersresidenz.
Alle Infos rund um das Tierheim findet Ihr unter: https://www.tierschutzverein-zwickau.de/.
Titelfoto: Uwe Meinhold