Experte macht an Zwickauer Mulde erstaunliche Entdeckung
Remse - Zwitschernde Kinderstube statt lebloses Gestrüpp! Der als gefährliche Einwandererpflanze bekämpfte Japanische Staudenknöterich entpuppt sich plötzlich als beliebter Brutplatz zahlreicher Vogelarten, wie ein Experte im Landkreis Zwickau herausfand.
Der Ornithologe Jens Hering (56) hat mit seiner Entdeckung die Weltsicht von Umweltverbänden und Behörden auf den Kopf gestellt: "Die Bestände des Staudenknöterichs galten jahrzehntelang als tote grüne Masse, weil heimische Arten nicht an diese Pflanze angepasst sind. Dabei wird man in keinem Gehölz so schnell ein Nest finden wie in diesem Dickicht."
Der Oberfrohnaer war im Tal der Zwickauer Mulde unterwegs, das als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen ist, als er dem Gesang eines Rohrsängers folgte, der im Staudenknöterich zwitscherte. "Den Vogel habe ich nicht entdeckt, dafür in kürzester Zeit drei Nester, darunter auch eines vom Neuntöter, der auf der Roten Liste steht."
Jens Hering weitete seine Suche aus und kroch entlang des Flusstales über acht Kilometer durch den Knöterich. Er fand 116 Nester von rund einem Dutzend Arten wie Goldammern, Sumpfrohrsängern, Grasmücken und Kuckucke. Sein dringender Appell: "In der Brutzeit sollte der Staudenknöterich keinesfalls abgemäht werden, damit nicht weiterhin unzählige Gelege zerstört und Jungvögel getötet werden."
Auch der Landesnaturschutzbeauftragte Edgar Weber (71) sieht Handlungsbedarf: "Wir brauchen gesetzliche Veränderungen, die diesen Erkenntnissen Rechnung tragen, und bis dahin viel Aufklärung unter Naturschutzhelfern, Landwirten, Kommunen und Behörden."
Titelfoto: Ralph Kunz, Jens Hering