Sachsens größter Corona-Hotspot: In Bernsdorf geht die Angst um
Bernsdorf - In Bernsdorf geht die Angst um. In der Gemeinde mit 2216 Einwohnern haben sich 39 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, 98 Bürger waren oder sind in Quarantäne. Damit ist Bernsdorf der Virus-Hotspot in Sachsen. Und alle fragen sich: Warum ist das so schlimm bei uns?
Das Gesundheitsministerium nahm zwei Infektionsherde an, der Landkreis geht nur von einem aus. Aussagen von Bewohnern und Beteiligten widersprechen sich.
Es geht um Existenzen und vielleicht sogar um Rufmord. Das Dorf bleibt in Ungewissheit.
Eine infizierte Physiotherapeutin (56) gilt beim Landkreis als Patientin Null. Sie gab beim Gesundheitsamt an, nach einem Urlaub in Bayern beruflich und privat Kontakt zu knapp 60 Personen in der Region Bernsdorf gehabt zu haben.
Die Behörde vermutet, dass sie der Ursprung für alle 38 derzeit infizierten Bernsdorfer war.
Als zweite Infektionsquelle in Bernsdorf gilt laut Gesundheitsministerium eine Familienfeier mit gut 40 Personen.
Dadurch rückte die Gaststätte "Goldner Hirsch" in den Fokus. Hier soll der Sohn der Physiotherapeutin (16) beim Kellnern am 7. März mit den Gästen Kontakt gehabt haben. Mutter und Sohn erhielten am 13. März positive Testergebnisse.
Die Tochter der Physiotherapeutin informierte sofort alle Kunden der Praxis und weitere Kontaktpersonen.
Bernsdorfer Wirt fühlt sich allein gelassen: "Das Gesundheitsamt hat mich nie kontaktiert"
In Bernsdorf verbreiteten sich Meldungen über die Corona-Gefahr wie ein Lauffeuer. "Hirsch"-Wirt Ronny Müller (42) schloss die Gaststätte sofort, weil Kunden panisch Bestellungen und Feiern stornierten.
Müller bezweifelt die Gerüchte: "Die Familienfeier war am 7. März. Da war die Mutter meines Kellners noch nicht aus Bayern zurück." Er fühlt sich allein gelassen: "Das Gesundheitsamt hat mich nie kontaktiert".
Der Schwiegervater (80) der Physiotherapeutin bestreitet die Vorwürfe: "Das mit Patient null ist völliger Blödsinn. Sie war nur eine der ersten, die reagiert und sich sofort beim Gesundheitsamt gemeldet haben. Viele junge Menschen aus der Umgebung machen in Tirol Urlaub. Von denen könnte jeder der Patient Null sein". Die Physiotherapeutin und ihre Familie seien wieder gesund.
Erik Schöniger (37) war nach eigenen Angaben am 4. März in Behandlung in der Physiotherapie, wurde in Zwickau negativ getestet.
Er sagt: "Sie ist begnadet, fleißig und kompetent. Sie hat sofort reagiert und alle gewarnt. Wir werden ihr helfen, denn ihr guter Ruf wurde zerstört."
Bisher starb in Bernsdorf ein Mann (87) (TAG24 berichtete). 38 sind im Dorf infiziert. Bürgermeisterin Roswitha Müller (62, FDP) versucht, die Wogen zu glätten: "Ich habe keine Angst, weil ich hoffe, dass wir es durchstehen."
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Titelfoto: Kristin Schmidt/ Andreas Kretschel