Alles muss raus! Das unwürdige Ende des hochgelobten Daetz-Zentrums
Lichtenstein - Vom umjubelten Vorzeigeprojekt zum ungeliebten Schwerenöter: Bis Montag soll die Daetz-Stiftung sämtliche Holzkunstwerke aus dem einst für sie errichteten Daetz-Centrum schaffen. Nach einem Gerichtsmarathon mit der Stadt Lichtenstein wurde sie zur Räumung verpflichtet. Die einst als Glücksfall für Sachsen bezeichnete und mit Lob und Preisen überschüttete Ausstellung wird nun vom Hof gejagt wie ein in Ungnade gefallener Hund.
Ratlos stehen Mandy Weikelt (45) und Philip Daetz (34) vor dem aus einem Stück geschnitzten Elefanten aus Indien. Die Geschäftsführerin der Daetz-Stiftung und der Kuratoriumsvorsitzende wissen nicht, wie sie das über eine Tonne schwere Kunstwerk sicher durch eine viel zu enge Tür und aus dem Gebäude bekommen. Die Wände wurden vor zwanzig Jahren erst gemauert, als das Exponat bereits drinnen war.
Nachdem sich die Stiftung im November entschieden hatte, den Klageweg nicht fortzusetzen, flatterte am 1. Dezember die Aufforderung des Bürgermeisters ins Haus, sämtliche Räume bis 31. Januar besenrein zu übergeben. Philip Daetz: "Uns wurde untersagt, etwa Trockenwände zwischenzeitlich abzureißen, damit wir übergroße Stücke bergen können. Die Ausstellung war einst für die Ewigkeit gebaut, vieles ist fest ins Gebäude integriert."
Ein Museumsumzug wird normalerweise Monate und Jahre vorausgeplant. Hier bleiben gerade acht Wochen. Und das mitten in der Pandemie, wo man nicht auf Zuruf schnell mal ein paar Mitarbeiter findet - erst recht nicht über die Feiertage.
Zum Glück meldeten sich einige Freiwillige, welche die filigranen Schnitzereien jetzt vorsichtig in Knisterfolie verpacken und in Kisten verstauen.
Um die Insolvenz zu vermeiden, musste Lichtenstein mehrfach Miete stunden oder erlassen
Die Stadt hatte aus Kostengründen in den letzten Jahren die Luftbefeuchtung abgestellt, darunter litten viele Stücke. Weil das Holz nicht atmen konnte, entstanden Risse. Mandy Weikelt schätzt den Schaden auf etwa 150.000 Euro. Auch der indische Elefant zeigt Risse in Rücken und Ohr.
Er war stolzer Bestandteil der Dauerausstellung ”Meisterwerke aus Holz“. Darin standen 600 Exponate aus 35 Ländern: vom Maori-Kanu über afrikanische Lebensbäume aus edlem Ebenholz, von bunten indianischen Masken und Totems bis hin zu vielfältigen Gottheiten aus Fernost und einer grandiosen Moscheenkuppel aus Marokko. Fast 130.000 Besucher kamen in den ersten drei Jahren deshalb nach Lichtenstein.
Später ließ das Interesse spürbar nach. Weil die sachkundigen Marketing-Mitarbeiter entlassen wurden, blieben auch die ausländischen Gäste aus. Ein Teufelskreis begann, bei dem die Betriebskosten des Daetz-Centrums für die Stadt immer mehr in den Mittelpunkt rückten.
Um die Insolvenz zu vermeiden, musste Lichtenstein mehrfach Miete stunden oder erlassen, Betriebsausgaben übernehmen und Liquidität zuschießen. Deshalb saß Lichtenstein der Landesrechnungshof im Nacken. Ab 2014 schließlich übernahm Lichtenstein das Daetz-Centrum als städtische Einrichtung.
Neuer Ausstellungsort liegt weiterhin in Sachsen
Ein Jahr später wurde Thomas Nordheim von den Freien Wählern Bürgermeister. Sein Wahlversprechen: Die Umgestaltung des Daetz-Centrums zum Kultur- und Vereinszentrum sowie die Minimierung der Ausstellung. Seit drei Jahren ist die Ausstellung geschlossen - ab Montag soll die Stiftung mit ihren Kunstwerken verschwunden sein.
Philip Daetz, Enkel des Stifters: "Wir wollen erhobenen Hauptes den Ort verlassen, Groll bringt nichts. Auch mein Großvater mit seinen 92 Jahren will lieber nach vorne schauen." Denn für die Stiftung und die Kunstwerke geht es weiter. Sobald alles in trockenen Tüchern ist, wird auch der neue Ort für die Ausstellung genannt. Er liegt weiterhin in Sachsen.
Ob auch die kunstvolle Moscheekuppel an diesem Platz wieder gebaut werden kann, ist ungewiss. Daetz: "Die hat ein marokkanischer Künstler erschaffen, der sie damals mit vier spezialisierten Gehilfen in die Decke eingepasst hat." Das war wohl eine eigene Wissenschaft.
Ob Daetz noch der Namensgeber sein wird, soll der Stadtrat in den nächsten Monaten entscheiden werden
Lichtenstein plant ebenfalls einen Neuanfang für sein Museum. Bürgermeister Thomas Nordheim: "Mit der Integration des Stadtmuseums soll die Weiterentwicklung als Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum für die Lichtensteiner Bevölkerung verbunden werden, damit diese sich deutlich stärker damit identifizieren kann als bisher."
Holz wird weiter eine unverzichtbare Komponente sein müssen, denn daran ist bis 2026 unter anderem die Förderauflage geknüpft. Ob Daetz noch der Namensgeber sein wird, soll der Stadtrat in den nächsten Monaten entscheiden. Im Juni sind Bürgermeisterwahlen.
Weitere Informationen gibt es unter daetz-centrum.de oder daetz-stiftung.org
Titelfoto: Uwe Meinhold