Zu gewinnorientiert! Neues Landarzt-Modell stößt in Sachsen auf Kritik
Dresden/Marienberg - Löst Euer Hausarzt aus Altersgründen auch bald seine Praxis auf? Kein Einzelfall. Laut Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen (KVS) sind im Freistaat aktuell 447 Hausarztstellen unbesetzt - etwa jeder siebte Hausarztplatz. Und dann?
"Wir wollen diesen Notstand mit dem Aufbau von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) beseitigen", sagt Michael Kosel (55), Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft MVZ "DerArzt" und erklärt: "Ein MVZ ist nichts anderes als eine Poliklinik - verschiedene Fachärzte arbeiten unter einem Dach, nutzen zusammen Geräte und brauchen sich nicht um Verwaltungskram zu kümmern. In den kommenden zehn Jahren können wir mit MVZs 200 Hausarztpraxen ersetzen."
75 der 447 offenen Hausarztstellen gibt es allein im Erzgebirge. Dort hätten bereits 40 Bürgermeister Interesse an einem kommunalen MVZ gezeigt. 209 Arbeitsplätze sollen damit in der Region geschaffen werden. Zwei Kommunen sind schon im Boot, wollen dafür eine kommunale Genossenschaft gründen.
Kosel: "In Crottendorf gibt es einen Gemeinderatsbeschluss, im Kurort Oberwiesenthal hat der Stadtrat zugestimmt. In Aue-Bad Schlema steht das Thema im September auf der Tagesordnung, in Marienberg im November."
Kassenärztliche Vereinigung kritisiert: "Die Vorhaben der MVZ-Gruppe 'DerArzt' sind weder redlich noch solide"
Als Minimallösung der Patientenversorgung schwebt Kosel ein Modell wie "Gemeindeschwester Agnes" aus DDR-Zeiten vor: "Sie wäre ideal für einen Ort mit weniger als 3000 Einwohnern, denn Krankenschwestern gibt es ausreichend. Im Bedarfsfall kann 'Schwester Agnes' einen Arzt zum Beispiel via Telemedizin zurate ziehen."
Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen sieht die Pläne skeptisch, weil sie "durchaus vordergründig Kapital- und Investmentinteressen verfolgen". "Die Vorhaben der MVZ-Gruppe 'DerArzt' sind weder redlich noch solide", sagt Dr. Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzende der KV Sachsen.
Die KV habe bereits zwei Disziplinarverfahren gegen diese MVZ-Gruppe geführt - eines, weil die MVZ-Gruppe von Patienten vorab Geld verlangte, wenn sie dort behandelt werden wollen. In einem weiteren Verfahren ging es darum, dass die Gruppe an niedergelassene Ärzte Gelder für die Zuweisung von Patienten anbot.
Dr. Heckemann: "Derartiges Geschäftsgebaren zeigt, dass es der durch Finanzinvestoren getriebenen MVZ-Gruppe 'DerArzt' ganz klar um monetäre Zwecke geht und nicht um die medizinische Versorgung."
Titelfoto: MVZ "DerArzt"/PR, 123rf/artkovalev, Eric Münch