Problem-Wolf zum Abschuss freigegeben: Aber warum traut sich kein Jäger ran?

Löbau - Im Landkreis Görlitz steht der Wolf, der regelmäßig ein Wildgehege in Löbau-Krappe plündert, auf der Abschussliste. Doch trotz behördlicher Genehmigung will offenbar niemand die Flinte anlegen. Aus Angst vor militanten Tierschützern! Und es gibt noch ein Problem: Es ist inzwischen nicht mehr nur ein Wolf, der den 1,90 Meter hohen Wildzaun überwindet.

Ralf Nahrstedt (45) steht ratlos in seinem Wildgehege in Krappe - immer wieder werden seine Tiere von Wölfen attackiert.
Ralf Nahrstedt (45) steht ratlos in seinem Wildgehege in Krappe - immer wieder werden seine Tiere von Wölfen attackiert.  © Markus van Appeldorn

Bei Ralf Nahrstedt (45) liegen die Nerven blank. "Der Wolf frisst mir meinen Tierbestand weg und ich kann nichts machen", sagt der Löbauer, der in Krappe Damwild züchtet.

Bei bislang acht bestätigten Wolfs-Attacken wurden auf seinem acht Hektar großen und von einem 1,90 Meter hohen Wildzaun komplett umgrenzten Weideland 28 Tiere gerissen - zuletzt am 18. Januar.

"Der Wolf nutzt den Zaun als Leiter und klettert einfach drüber", erzählt Nahrstedt und verweist auf Bilder einer Wildkamera.

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Nahrstedts Schicksal war es auch, das den Görlitzer Landrat Stephan Meyer (41, CDU) veranlasste, den gefräßigen Krappe-Wolf zur "Entnahme", wie es im Amtsdeutsch heißt, freizugeben.

Doch es findet sich kein Jäger, der das Raubtier zur Strecke bringen will, wie Landrat Meyer vor wenigen Tagen durchblicken ließ. Zu groß ist die Angst, ins Visier militanter Tierschützer zu geraten.

Eines von Nahrstedts Rehen, das vom Wolf gerissen wurde. Inzwischen hat er schon 28 Tiere an den Räuber verloren.
Eines von Nahrstedts Rehen, das vom Wolf gerissen wurde. Inzwischen hat er schon 28 Tiere an den Räuber verloren.  © privat
Auch Landrat Stephan Meyer (41, CDU, l.) war schon bei Nahrstedt im Wildgehege. Jetzt hat er den Wolf zum Abschuss freigegeben.
Auch Landrat Stephan Meyer (41, CDU, l.) war schon bei Nahrstedt im Wildgehege. Jetzt hat er den Wolf zum Abschuss freigegeben.  © Markus van Appeldorn

Die Gerüchteküche brodelt: Wer wird den brisanten Job übernehmen?

Feuer frei, doch keiner will schießen. Bislang hat sich kein Jäger gefunden, der auf den gefräßigen Krappe-Wolf zielen will.
Feuer frei, doch keiner will schießen. Bislang hat sich kein Jäger gefunden, der auf den gefräßigen Krappe-Wolf zielen will.  © imago images/MIS

Das Thema ist offenbar so brisant, dass sich Meyer inzwischen gar nicht mehr dazu äußern will. "Aufgrund der Sensibilität und zum Schutz handelnder Personen werden wir uns zunächst nicht weiter zum Sachverhalt äußern und bitten um Verständnis", teilt er auf TAG24-Anfrage mit.

Auch Wildzüchter Nahrstedt weiß aus Gesprächen, dass die heimischen Jäger abgewunken haben.

Was allerdings verwundert: Auf Anfrage teilt der Landesjagdverband Sachsen (LJV) mit, vom Landkreis Görlitz "bislang nicht angesprochen" worden zu sein.

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Das habe man nur aus den Medien entnommen, erklärte LJV-Geschäftsführer Martin Wißmann (56). Die Bedenken der ablehnenden Jägerschaft kann er allerdings nachvollziehen.

Tierschutzorganisationen hätten in der Vergangenheit "in der Regel aus fadenscheinigen Gründen" Strafanzeigen gegen Jäger erstattet. "Dahinter steckt aus unserer Sicht Methode", so Wißmann.

In der heißlaufenden Oberlausitzer Gerüchteküche heißt es inzwischen, dass sich der Landkreis um einen Jägersmann aus fernen (Bundes-)Ländern bemühe, der den brisanten Job anonym erledigen solle. Auch Nahrstedt hat davon gehört.

Aus eins wird zwei: Doch welcher Wolf darf jetzt geschossen werden?

Und das ist der "Tatverdächtige". Eine Wildkamera hat diesen Wolf am Gehege in Krappe aufgenommen.
Und das ist der "Tatverdächtige". Eine Wildkamera hat diesen Wolf am Gehege in Krappe aufgenommen.  © privat

Doch es gibt mittlerweile ein neues Problem: Die Abschussgenehmigung gilt für einen Problem-Wolf - doch es sind inzwischen mindestens zwei, die im Damwild-Gehege Krappe räubern. "Das ist auf den Bildern der Überwachungskameras zu sehen", sagt Nahrstedt.

Für welchen gilt nun der Schießbefehl? Und wie erkennt ein Jäger überhaupt, dass er den richtigen Wolf vor der Flinte hat?

"Die Vermeidung eines Fehlabschusses ist grundsätzlich über individuelle Merkmale, die der zu entnehmende Wolf aufweist, möglich. Das kann beispielsweise der Fellfarbschlag sein", erklärt LJV-Chef Wißmann.

Deshalb sei es wichtig, dass die Entnahmeanordnung hierzu möglichst präzise Angaben enthalte.

"Dem Schützen sollte auch vorhandenes Bildmaterial von dem Wolf zur Verfügung gestellt werden."

Titelfoto: Bildmontage: Markus van Appeldorn, privat (2)

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