Torgau - Gemütlich faulenzt Bea (11) an diesem tristen Novembertag auf einem Baumstamm, während Benno (11) langsam durch die Anlage zu ihr herüber trottet. Noch sind die beiden Braunbären vom Schloss Hartenfels aktiv. Doch müssten sie sich nicht wie ihre Artgenossen in der Wildnis langsam auf den Winterschlaf vorbereiten? Und nutzen sie dafür die Höhle, die Benno im Sommer so fleißig gegraben hat?
Eine, die es wissen muss, ist Tierpflegerin Heide Grieser (56). Sie kümmert sich seit nunmehr sechs Jahren um die Bärengeschwister, die 2015 nach Torgau kamen. "Winterschlaf machen Benno und Bea nicht, aber sie halten Winterruhe", klärt Heide Grieser auf.
Ein Winterschlaf, um das spärliche Nahrungsangebot in der Natur im Winter zu überbrücken, sei einfach nicht nötig. Auch, weil es in unseren Breiten schon lange keine schneereichen Winter mehr gebe. Trotzdem schalten auch die Bären in Torgau nach und nach einen Gang zurück.
"Benno geht viel seltener ins Wasser und Bea ist schon richtig kugelrund, so viel Winterspeck hat sie sich angefressen", sagt Heide Grieser mit einem Lachen.
Sie würde schon deutlich weniger fressen. Benno hingegen würde noch gut zulangen. So verdrücken die beiden aktuell täglich noch etwa 30 bis 35 Kilo an Futter, im Sommer seien es bis zu 50 Kilo. "Im Winter geht das dann auf drei bis vier Kilo zurück", meint die gelernte Tierpflegerin.
Denn von dem, was sich die Bären in den vergangenen Wochen so fleißig angefuttert haben, würden sie den ganzen Winter über zehren. Dadurch seien sie im Frühjahr dann wieder rank und schlank und würden bis zum Sommer erst langsam die Nahrungsmenge wieder steigern.
Torgauer Bären zu 80 Prozent Vegetarier
Und was landet so auf dem Bären-Buffet? "Zu 80 Prozent pflanzliche Kost, vor allem Obst und Gemüse." Aber Bären würden auch wie Kühe sehr viel grasen. Ebenso gehören Wurzeln, Blätter, Kräuter, Knospen und Insektenlarven, die sie geschickt ausbuddeln, in ihrem Freigehege zum natürlichen Speiseplan.
Angereichert wird das Ganze mit Fleisch und Fisch, die das Team aus drei Tierpflegerinnen von lokalen Unternehmen bekommt. Was hingegen nichts im Magen der Bären zu suchen hat, seien die gut gemeinten Leckerlis der Besucher wie Kekse oder Brot.
"Da landet auch schon mal das Bund Radieschen samt Gummi im Gehege", ärgert sich die Bärenpflegerin. "Zum Glück haben Bären robuste Mägen. Schlimmstenfalls kann es aber zu schweren Verdauungsstörungen kommen", mahnt Grieser.
Schon in den nächsten Wochen brauchen Besucher viel Glück, um Benno und Bea im Außengehege, das sie seit dem Tod der Altbärin Jette im Jahr 2023 ganz für sich haben, noch zu entdecken. "Spätestens im Dezember gehen sie dann immer seltener raus und wenn, dann laufen sie ihre Runde und verschwinden wieder nach drinnen."
Denn dort warte ein warmes Strohbett auf die müden Bären. Ob sie das gegen eine kalte Höhle eintauschen, bezweifelt Heide Grieser hingegen. Doch ganz ausschließen möchte sie es nicht. "Benno hat schon viele Höhlen gebuddelt. Aber alle sind noch vorm Winter eingestürzt", erzählt sie.
Doch in diesem Jahr war der Baumeister anscheinend gründlicher. Seine 5,60 Meter lange und 1,60 Meter breite Höhle im hinteren Teil der Freifläche scheint zu halten. "Wir sind gespannt, ob sie dort vielleicht doch den Winter verbringen."
Nach dem Krieg lebte die alte Tradition wieder auf
Vor fast 600 Jahren, im Jahr 1425, begann mit Friedrich dem Streitbaren die Bärenhaltung in Torgau. Ein erster Bärengraben wurde 1452 angelegt und dieser in den folgenden Jahrzehnten immer wieder vergrößert.
Seine heutige Form erreichte er schließlich 1624 und beherbergte zeitweise bis zu 39 Bären, die vor allem dem kurfürstlichen Jagdvergnügen in inszenierten Bärenhatzen dienten.
Letzte Nachweise von Bären gab es schließlich 1771. Danach verschwand Meister Petz zunächst aus Torgau.
Erst 1951 wurde auf Initiative des damaligen Museumsleiters die Bärentradition wiederbelebt. So zogen 1953 Moritz, Kuno, Quistel und Katja im wieder hergerichteten Bärengraben ein.
Drei Jahre später begann die Bärenzucht. Ein zwiespältiges Kapitel in der Torgauer Bärengeschichte, weiß Heide Grieser. Denn die Bärenjungen wurden damals bereits nach acht Wochen ihrer Mutter entrissen, um sie so früh wie möglich an den Menschen zu gewöhnen.
"Normalerweise bleiben sie bis zu zwei Jahre zusammen", sagt die Bärenpflegerin. Nach der Handaufzucht wurden die Bären dann an Zirkusse oder Tiergärten abgegeben. Heutzutage findet keine Zucht mehr in Torgau statt. Benno ist kastriert.
7 braunbärige Fakten
- In Europa leben schätzungsweise noch etwa 17.000 Braunbären, vor allem in Rumänien, Russland und Skandinavien.
- Der Europäische Braunbär ist der kleinste Vertreter und erreicht aufgerichtet eine Größe von bis zu 2,20 Metern. Die Männchen wiegen bis zu 350 Kilogramm.
- Mit bis zu 650 Kilo gilt der Kodiakbär als der größte Braunbär. Er lebt auf der Kodiak-Insel und weiteren Inseln vor Alaska.
- Der Winterschlaf kann bis zu sechs Monate andauern. In dieser Zeit ist der Puls verlangsamt, der Bär nimmt kaum Nahrung und Wasser zu sich und gibt weder Kot noch Harn ab.
- Die zwei bis drei Bärenjungen werden zwischen Januar und März, also mitten im Winterschlaf, geboren. Bei ihrer Geburt wiegen sie maximal 500 Gramm und kommen nackt und blind zur Welt.
- Die Lebenserwartung von Braunbären liegt bei 20 bis 30 Jahren.
- Bären sind sehr scheu und suchen meist das Weite, wenn sie Menschen wittern. Als Daumenregel gilt jedoch: Arm ausstrecken und Daumen nach oben halten. Verschwindet der Bär dahinter, ist der Abstand zu Meister Petz ausreichend, wenn nicht, sollte man sich langsam entfernen.