Wie Sachsens Prinzessin Sidonie nur knapp dem Scheiterhaufen entkam
Meißen - Es ist wohl eines der unglücklichsten Schicksale, welches einer Prinzessin aus dem sächsischen Haus der Wettiner widerfahren ist: Ihr Ehemann betrog sie in aller Öffentlichkeit, er sperrte sie ein und wollte sie vergiften, bevor er sie als Giftmischerin und Hexe fast auf den Scheiterhaufen gebracht hätte.
Vor 450 Jahren, am 4. Januar 1575, starb Sidonie von Sachsen als verbitterte und übel beleumundete Frau. Zu früh, um noch die Genugtuung der Rehabilitation zu erleben.
Zur Renaissancezeit erlitten Frauen besonders aus dem einfachen Volk oft unermessliches Leid, welches niemals niedergeschrieben wurde. Daher darf man das Schicksal einer traurigen Prinzessin durchaus relativieren, weil sie als Hochwohlgeborene nicht rechtlos war.
Sidonie wurde 1518 als jüngste Tochter des Herzogs Heinrich von Sachsen in Meißen geboren. Wie ihre Brüder, die späteren Kurfürsten Moritz und August, genoss sie eine gute Ausbildung und Vorbereitung auf das Leben. Am Hofe mangelte ihr an nichts.
Außer vielleicht an körperlicher Attraktivität. Obwohl man aus Sachsen eine fürstliche Mitgift erwarten durfte, war Prinzessin Sidonie mit 26 Jahren noch immer unverheiratet.
Doch dann vernarrte sich ein 16-jähriger Knabe in sie: Erich II., Herzog zu Braunschweig-Lüneburg in spe, war eigentlich einer anderen Prinzessin versprochen. Doch die Elternhäuser stimmten zu, weil es zu dieser Zeit nicht einfach war, standesgemäße Partner lutherischen Glaubens zu finden.
Bei Kurfürst August kamen beunruhigende Nachrichten an
Das Glück als Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg und Fürstin von Calenberg-Göttingen währte für Sidonie allerdings nur kurz. Denn mit der Volljährigkeit konvertierte Erich wieder zum katholischen Glauben, was die selbstbewusste Sächsin strikt ablehnte. Er wechselte auch die Fronten und zog in den Krieg gegen ihr Heimathaus, welcher bald schon ihren geliebten Bruder Moritz das Leben kosten sollte.
Und weil die Ehe kinderlos blieb, mied der junge Herzog zunehmend seine Gemahlin. Erich stromerte lieber durch die Weltgeschichte, meist in den Niederlanden, Spanien, Frankreich. Lediglich wenn ihn mal wieder Geldsorgen plagten, sprach er bei der besser betuchten Sidonie vor. Als sie sich sperrte, verweigerte er ihr den Zutritt zum gemeinsamen Wohnsitz Schloss Calenberg.
Sidonie musste sich nun - unter anderem auf die Burg Hardegsen verbannt - die demütigenden Geschichten anhören, wie sich ihr Ehemann in aller Öffentlichkeit mit einer von ihm geschwängerten Dame zeigte. Später erfuhr sie auch, dass Erich in den Niederlanden noch eine Nebenfamilie gegründet hatte. Für viele Jahre wurde Sidonie streng bewacht. Selbst Verwandte und Gesandte aus Dresden, welche sie besuchen wollten, wurden brüsk abgewiesen.
Denn bei Kurfürst August kamen beunruhigende Nachrichten an: Zwei Männer aus Genua offenbarten in einem Brief, dass Herzog Erich sie um ein bestimmtes Gift aus Italien gebeten habe. Begründung: "Er sei Christ und sein Weib lutherisch. Es sei besser, dass ein Weib zugrunde ginge als 20.000 Menschen."
Unschuld der Herzogin Sidonie in allen Anklagepunkten bewiesen
Doch inzwischen war ihm ein noch viel perfiderer Plan eingefallen, die getrennt lebende Ehefrau aus dem Weg zu räumen. Der Herzog ordnete einige Hexenprozesse an. Unter Folter (unter anderem glühende Zangen) mussten die unschuldigen Frauen das Gleiche gestehen: Sie hatten Kontakt mit dem Teufel und hätten versucht, Erich mit Gift und Zauberei zu ermorden - im Auftrage Sidonies. Einige "Geständige" erhielten sofort die "Feuerstrafe" - Witwen aus adligem Hause behielt man in Gefangenschaft.
Der nun des Lebens bedrohten Herzogin gelang noch die Flucht nach Sachsen, doch Ruf und Ehre waren im ganzen Reich ruiniert. Gemeinsam mit Kurfürst August intervenierte Sidonie bei Kaiser Maximillian II. und erwirkte eine Revision.
Unter großem öffentlichem Interesse durften 1574 in Halberstadt die als Hexen verurteilten und vom Feuer verschonten Frauen aussagen. Sie zeigten die Verkrüppelungen und Narben der Folter, unter welcher die Geständnisse entstanden. Die Unschuld der Herzogin Sidonie wurde in allen Anklagepunkten bewiesen.
Doch anstatt eines Urteils erfolgte nur ein Vergleichsvorschlag. Da Sidonies Unschuld nachgewiesen sei, solle Erich dies anerkennen. Und die Herzogin solle, da jetzt ihre Ehre wiederhergestellt sei, die Sache großzügig vergessen. Sidonie wie auch die sächsischen Landstände lehnten den Vorschlag ab. Denn der Herzog sollte nicht ohne ernste Strafe davonkommen. Außerdem sollte er sich beim Kaiser und allen Reichsfürsten, bei denen er Sidonie denunziert hat, mündlich und schriftlich entschuldigen.
Also beorderte der Kaiser das unglückliche Ehepaar nach Wien, um die Sache zu schlichten. Allerdings machte sich Erich zu dieser Zeit unsichtbar und war für den Befehl des Kaisers nicht erreichbar. Sidonie starb Anfang 1575 mit 57 Jahren im Kloster Weißenfels und wurde im Freiberger Dom neben ihren Eltern bestattet. Erich heiratete noch im selben Jahr zum zweiten Mal.
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