Von katholischen Priestern missbraucht: Betroffene nehmen Sachsen in die Verantwortung!
Dresden - Sexueller Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche: Betroffenen-Verbände haben vor dem Hintergrund der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe am Dienstag in Dresden mehr freistaatliches Engagement bei der Aufarbeitung gefordert.
Sexueller Missbrauch wirkt lange nach. Als die Übergriffe durch einen Riesaer Kaplan Mitte der 60er-Jahre beginnen, ist Joachim Förster einer der Betroffenen und noch ein Teenie.
Zuerst Zigaretten, ein Ostseeurlaub mit dem Flugzeug, dann Einladungen nach Hause. "Man saß nackig in der Wohnung (des Kaplans, Anm. d. R.), stieg dann ins Bett", erzählt der heute 73-Jährige tief bewegt.
Nach zwei Jahren hat er die Kraft, aus dem Kreislauf auszubrechen. Er heiratet, zeugt Kinder, schweigt, verdrängt und leidet. Erst 50 Jahre später findet er den Mut, über den Missbrauch zu sprechen.
Förster wird einer der Mitbegründer der Initiativgruppe "Aufarbeitung von unten", die sich im Bistum Dresden-Meißen um die Aufklärung von Missbrauchsfällen durch katholische Geistliche bemüht. Das Bistum selbst hat dabei laut Gregor Mennicken (53) bisher versagt.
Der Arzt und Therapeut betreut unter anderem Männer, die in Dresden von katholischen Priestern missbraucht wurden. "Die Aufarbeitungskommission ist bis heute nicht gegründet", klagt er. Angekündigt war sie bereits vor drei Jahren.
Etwa 50 Fälle bekannt, doch die Dunkelziffer ist viel höher!
Da es sich bei den meisten Fällen um Verbrechen handeln dürfte, fordert Matthias Katsch (60) von der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" ein stärkeres Engagement staatlicher Institutionen. "Wir sehen die Landtage in der Pflicht. Die Kirche kann es nicht selber."
Bisher sind aus dem Bistum Dresden-Meißen etwas über 50 Fälle bekannt geworden.
Die Dunkelziffer dürfte fünf bis zehnmal höher sein, vermutet Mennicken.
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