Liebe und Leidenschaft: Wie Nadja aus Weinböhla bis nach Afrika tanzte
Weinböhla - Tanzen ist ihr Leben - und ihr Leben findet jetzt in Südafrika statt. Nadja Bartel (28) aus Weinböhla (bei Dresden) wollte schon immer Tänzerin werden. Mit 10 Jahren ging's an die berühmte Palucca Schule. Am Kinder- und Jugendtanzstudio der TU wurde die Leidenschaft zur feurigen Liebe: "Tanzen war nicht nur schulischer Ausgleich und Sport, sondern machte mich auch emotional immer wieder stark." Jetzt macht sie mit ihrem Tanzen andere stark - ihren Ehemann und benachteiligte Kinder in Afrika!
Die Physiotherapeutin und Tanzpädagogin lernte ihr "Fußwerk" an einer Tanzschule in Leipzig. Im Sommer 2019 trampte sie nach Barcelona, heuerte dort in einer Tanzschule an und stürzte sich in den zeitgenössischen Ausdruckstanz.
"Ich war 24 Jahre alt, lebenslustig, wollte viel ausprobieren", erzählt Nadja. "Ich sprach kein Spanisch, verständigte mich tanzend mit Körpersprache - die verborgene Sprache der Seele."
Als in Coronazeiten ihre kleine Wohnung zum Mini-Tanzsaal werden musste, wollte sie nicht weiter im Homeoffice tanzen. "Da ich mich für ursprüngliche afrikanische Tänze interessierte, lockte mich ein Tanzprojekt nach Afrika."
Dort holte sie am Flughafen der Leiter der Tanzschule Bonwabise Mbontsi ab, den alle nur Bonwa nannten. "Es war Liebe auf den ersten Blick", gesteht Nadja. "Wir sind Seelenverwandte."
Nadja gründete "BoNana" gemeinsam mit Tanzlehrer
Sie wohnen bis heute zusammen in Bonwas kleinem Haus in Pietermaritzburg, etwa 75 Kilometer von Durban am Indischen Ozean entfernt - Wohnzimmer, zwei Bäder, Küche, zwei Schlafzimmer. "In der ersten Nacht hatte noch jeder sein eigenes Schlafzimmer, ein bisschen später gab es nur noch ein gemeinsames ..."
Bonwa arbeitet als Theaterlehrer an einer Privatschule. 2017 hatte er das schulische Tanzprojekt "Bonwa Dance" (Gesehen werden) für benachteiligte Kinder und Jugendliche gegründet.
Er weckt bei ihnen die Leidenschaft am Tanz, bringt ihnen Kunstfertigkeiten des Ausdruckstanzes bei. Nadja war schnell mitgerissen, schrieb Choreografien, entwarf Kostüme und Bühnenbilder.
Gemeinsam gründeten sie "BoNana" (Einander Sehen). "Das Projekt hilft den Kindern, Situationen zu verarbeiten, die sie auf der Straße oder zu Hause erleben. Oft spielen in ihrem Alltag Drogen oder frühzeitige Schwangerschaften eine Rolle. Manche lassen zu Hause nachts das Licht an, um sich sicher zu fühlen."
Es geht nicht nur ums Tanzen
Nadja und Bonwa (35) nennen ihre Schützlinge liebevoll "Super Troupers" (Superkünstler).
Sie üben mit ihnen auch Lesen und Schreiben, nehmen sie auf Reisen zu Tanz-Camps mit, wo sie zusammen kochen, essen und schlafen.
"Manche Kinder erzählten uns, dass sie im Camp erstmals sicher und behütet einschlafen konnten." Kein Wunder, sind doch beim Schulunterricht manchmal Schüsse zu hören.
Sizo (12) und Nkosi (14) sind schon jetzt brillante Tänzer. "Mir trieb es die Tränen in die Augen, als die beiden bei einer Aufführung eine Alltagsgeschichte der südafrikanischen Jugend in einem Duett tanzten - fassungslos gefühlvoll."
Nachwuchs im Anmarsch
Jetzt träumt Nadja davon, ein eigenes Tanzstudio in einer Großstadt der südafrikanischen Midlands zu eröffnen, "vielleicht auch in Weinböhla".
Aber immer gemeinsam mit Bonwa, mit dem sie manchmal vor Glück durchs Haus tanzt.
Ob das bald zu klein wird? Immerhin hat sich für Oktober Nachwuchs angekündigt. Nadja: "Es wird ein Junge."
Dann werden die Eltern im Rhythmus des Glücks wohl um das Babybettchen herumtanzen müssen ...
In ihrer neuen Familie ist Nadja die erste Weiße
In Pietermaritzburg ist es tagsüber heiß, abends kalt. Es gibt andere Gerüche und Geräusche. Daran gewöhnte sich Nadja schnell. "Doch manchmal erlebe ich Tage der Verzweiflung", gesteht sie.
"Pläne sind hier lediglich Vorschläge, oft kommt es anders als man plant." Das fängt schon mit dem Nahverkehr an. "Den gibt's einfach nicht", sagt sie. Dafür muss das eigene Auto ran.
"Weil die Straßen hier oft Buckelpisten mit Schlaglöchern sind und man immer wieder in Schrauben oder Nägel fährt, musste ich schon öfter Reifen wechseln. Zu Hause in Weinböhla hatte ich noch nie einen Platten."
Oder wenn mal wieder der Strom ausfällt und man vergessen hat, Laptop und Handy zu laden ...
Neuer Name nach Heirat
Eigentlich wollte sich Nadja in ihrer neuen Heimat vegan ernähren, "aber in Südafrika ist das schwierig, weil hier viel Fleisch gegessen wird - vor allem Rind".
Von Zuhause vermisst sie manchmal deutsches Brot, Brötchen, gutes Sauerkraut und Kuchen. "Ich musste auch lernen, dass man hierzulande nicht über Probleme und darüber spricht, was man denkt", erzählt Nadja.
Mit einem Ritual wurde sie in Bonwas Familie aufgenommen - in einem Township - den traditionellen Armenvierteln - in einer Hütte des Ältesten bei seinem Onkel und in der Landessprache isiXhosa.
Nadja: "Ich bin die erste weiße Frau in der Familie." Bei der Hochzeit später hat sie traditionell einen Doek (Kopftuch), einen Schal, Rock und eine Decke erhalten. "Diese Kleidung trage ich nun, wenn wir Bonwas Familie besuchen."
Sogar einen neuen Namen hat sie mit der Heirat bekommen: "Ich heiße jetzt Lathita." Das bedeutet "die Sonne kommt".
Titelfoto: privat