Vom Balkon in die Steckdose: Diese Dresdner erzeugen ihren eigenen Strom
Dresden - Strom und damit Geld sparen sowie gleichzeitig die Umwelt schonen - diese beruhigende Mischung für Portmonee und Gewissen versprechen Balkonkraftwerke.
Wie einst beim Anfangsboom von Schnellkochtopf, Bio-Food oder iPhone sind auch jetzt wieder Neugierde und Interesse groß, denn: kostenlos Strom aus der Sonne zapfen und damit selbst ein Teil der Energiewende sein - wie cool ist das denn?!
Doch wird die Förderung nach dem Milliardenloch im Bundeshaushalt jetzt gestrichen? Wir haben nachgefragt, wie die Mini-Energiewende in der eigenen Wohnung klappt.
Die persönliche Energiewende muss keine Last, sondern kann sogar gewinnbringend sein. Das dachten sich auch Moderatorin Linda Drescher (28) und Musiker Tim Gernitz (28) aus Dresden.
"Im Frühjahr haben wir uns von einem Fachhändler ein Balkonkraftwerk installieren lassen", sagt Tim. Wohlgemerkt zu einer Zeit, zu der es noch keinen Sachsen-Zuschuss gab.
Das Pärchen konnte beim Kauf allerdings 19 Prozent Umsatzsteuer sparen, die seit Anfang des Jahres für Stecker-Solargeräte erlassen werden. "Insgesamt haben wir 998 Euro bezahlt", sagt Tim.
"Die Anlage ist auch etwas fürs Auge, weil die Optik der beiden Paneele durchgehend tiefschwarz aussieht - ohne die sonst oft erkennbaren Leitungsstränge auf den Platten", ergänzt Linda.
Balkonkraftwerk hat Alltag des Paares verändert
In der Sommersonne spielte die 600-Watt-Anlage, die später auf 800 Watt hochgeschaltet werden kann, ihre volle Stärke aus.
Der Balkonstrom floss dabei auch in die Akkus der zwei E-Bikes und den Saugroboter.
Das Minikraftwerk auf dem Balkon hat sogar den Alltag des Paares Künstler verändert. "Die Wasch- und die Spülmaschine wurden vor allem dann angestellt und unsere Laptops aufgeladen, wenn die Sonne schien", erzählt Linda.
Gewaschen wird des niedrigeren Verbrauchs wegen zudem fast nur noch mit 30 Grad. Alle Lampen im Haushalt wurden durch energiesparende LEDs ersetzt.
Investition macht sich bezahlt
"Bislang mussten wir monatlich rund 150 Euro Stromkosten zahlen. Durch das Kraftwerk waren es jetzt 35 Euro weniger", rechnet Tim vor.
Auf das Balkonkraftwerk gibt der Hersteller übrigens 25 Jahre Garantie. Gewinn machen die beiden viel früher.
Wenn das Paar jährlich allein rund um den Sommer nur an sechs Monaten je 35 Euro spart, hätte sich die Investition nach weniger als fünf Jahren bezahlt gemacht.
"Und wir konnten ganz nebenbei einen persönlichen Beitrag zur Energiewende leisten", freut sich Tim.
Anlage rechnet sich nach wenigen Jahren
Wer Strom aus dem eigenen Balkonkraftwerk zapfen will, steht vor einem Trilemma: Lohnt sich die mehrere hundert Euro teure Anschaffung? Ist mein Balkon als Energielieferant geeignet? Und darf ich an meiner Veranda überhaupt ein Kraftwerk anschrauben?
"Ein Balkonkraftwerk rechnet sich immer, wenn genügend Sonne auf den Balkon scheint und er nicht durch Bäume oder Häuserfronten verschattet wird", löst Denis Schneiderheinze (39) schon mal das erste Bedenken auf.
Der Referent für Digitales, Energie und Mobilität bei der Verbraucherzentrale Sachsen erklärt: "Je nach Anlage und Installationsort variiert allerdings die Zeitspanne, in der sich die Anschaffung amortisiert hat."
Das Interesse am eigenen Kraftwerk auf der Loggia ist groß. Im vergangenen Jahr wollten sich allein bei den vier Leipziger Beratungsstellen der Verbraucherzentrale fast 600 Interessenten über die Mini-Kraftwerke informieren.
Ohne Handwerker zum Stromproduzenten werden
Viele reizt die Idee, beim Sonnenbaden nebenher Strom für den Eigenbedarf zu produzieren. "Ein Interessent baute sich sogar einen Balkontisch aus Solarpaneelen", erzählt Schneiderheinze.
Zum eigenen Stromproduzenten wird man im Handumdrehen. Wer handwerklich geschickt ist, braucht nicht mal einen Fachmann. "Ein 600-Watt-Kraftwerk mit zwei Paneelen gibt es bereits ab etwa 300 Euro. Die Anschaffungskosten hat man dann bestenfalls nach zwei bis drei Jahren wieder rein", weiß der Experte.
"Man sollte allerdings darauf achten, dass man an der Fassade eine Außensteckdose hat. Außerdem sollte der notwendige Wechselrichter schon auf 800 Watt ausgelegt sein."
Denn wahrscheinlich ab Januar 2024 dürfen Anlagen mit maximal 800 Watt Leistung betrieben werden (bislang: max. 600 Watt). Dann sollen auch die bislang noch notwendige Anmeldung beim Netzbetreiber wegfallen und weniger Angaben im Marktstammdatenregister abgefragt werden.
Förderung für Balkonkraftwerke
Weiterer Anreiz: Das sächsische Umweltministerium fördert Balkonkraftwerke seit Juni zudem mit einem Zuschuss von 300 Euro (siehe Interview weiter unten).
Auch Schneiderheinzes Eltern und sein Bruder hatten den Zuschuss beantragt und das Geld nach "zwei bis drei Wochen Bearbeitungszeit der Sächsischen Aufbaubank" auf dem Konto.
Bei seinem Bruder hatte vorher noch die Eigentümerversammlung des Mehrfamilienhauses der Installation zugestimmt.
Schneiderheinze selbst habe kein Balkonkraftwerk: "Auf meinem Balkon scheint nur morgens die Sonne, das lohnt sich nicht."
Alle Infos zu Balkonkraftwerken unter: www.verbraucherzentrale.de
Interview mit Klimaschutzminister Wolfram Günther
Sachsen ist neben Mecklenburg-Vorpommern eines von nur zwei Bundesländern, die den Kauf von Balkonkraftwerken als gesamtes Land fördern.
Reicht der Fördertopf noch? Wir fragten den sächsischen Energie- und Klimaschutzminister Wolfram Günther (50, Grüne).
TAG24: Herr Günther, was hat den Ausschlag gegeben, im Sommer das Sonderprogramm zur Mitfinanzierung von Balkonkraftwerken aufzulegen. Woher kommt das Geld?
Wolfram Günther: Es kommt aus unserem sächsischen Klimafonds, den wir im letzten Jahr neu eingerichtet haben.
Die Energiewende lebt davon, dass viele Menschen mitmachen und an den Vorteilen von Grünstrom teilhaben. Mit Balkonkraftwerken kann jeder auf einmal selbst Strom erzeugen - klimaneutral! Das entlastet die Haushaltskasse.
TAG24: Wie hoch ist die Summe des Fördertopfes und wie viele Anträge wurden bereits gestellt und bewilligt?
Günther: Im Topf sind rund 5,5 Millionen Euro. Das reicht für rund 18.000 Balkonkraftwerke. Die Hälfte des Geldes steht Eigentümern zur Verfügung, die andere Hälfte Mietern. Der Topf für Eigentümer ist mittlerweile ausgeschöpft.
Die Aufteilung ist wichtig, denn wer zur Miete wohnt, muss erst mal seinen Vermieter fragen. Das dauert ein bisschen länger als bei Eigentümern, die ja in der Regel sofort loslegen konnten. Das haben wir berücksichtigt. In Summe liegen uns inzwischen rund 11.000 vollständige Anträge vor.
TAG24: Viele Ältere beklagen, dass bei der notwendigen Online-Identifizierung niemand zur Hilfestellung mit im Raum sein darf. Warum ist die Antragstellung nur online möglich, diskriminiert das nicht Ältere?
Günther: Die Sächsische Aufbaubank, bei der ja der Antrag gestellt wird, bietet inzwischen weitere Ident-Verfahren an, da können auch Dritte mit unterstützen. Die Aufbaubank hat ein digitales Verfahren aufgesetzt, weil es schneller und preiswerter ist. Damit profitieren am Ende auch mehr Menschen.
TAG24: Nutzen Sie eigentlich selbst auch ein Balkonkraftwerk?
Günther: Ich wohne in einem alten Vierseitenhof. Den bauen wir gerade aus. Perspektivisch wird es dort auf dem Dach auch eine Fotovoltaik-Anlage geben.
Titelfoto: Montage: Eric Münch (2)