Trotz diverser Posten in der Region: Ex-MP Tillich hat zum Krieg nichts zu sagen
Dresden - Im ostukrainischen Kohlerevier im Donbass wütet der Krieg.
Wegen des Flugverbots ist die russische Antonow AN 124-Frachtflotte auf dem Flughafen Leipzig/Halle zwangsgeparkt. Und eine Braunkohlengesellschaft könnte sich Hoffnungen auf verlängerte Förderzeiten machen.
Zu allen drei Aspekten könnte ein Mann Hintergründiges sagen - der ehemalige Ministerpräsident Stanislaw Tillich (63, CDU), der dort jeweils lukrative Posten hat oder hatte.
Wir wollten ihn gern befragen, aber...
Dr. André Hahn über Tillich
"Tillich hatte immer den Ruf eines Zauderers und Aussitzers, war nie entscheidungsfreudig und hatte keine Vision für das Land", sagt der Bundestagsabgeordnete Dr. André Hahn (59, Linke).
Er war bis 2012 fünf Jahre lang Oppositionsführer im Sächsischen Landtag, kennt Tillich daher gut. Hahn: "Es scheint in Sachsen Tradition zu sein, dass sich Ministerpräsidenten auch nach unrühmlichen Rücktritten finanziell keine Sorgen machen müssen, weil sie mit gut dotierten Posten ausgestattet werden."
Darüber wollten wir mit Stanislaw Tillich reden. Doch der lehnte in einem Telefonat unseren Interview-Wunsch ab. Dabei gebe es viel zu sagen.
- Tillich ist zum Beispiel Vorsitzender des Aufsichtsrats der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (MIBRAG), hat laut Angaben der Pressestelle aber kein Büro am Firmensitz in Zeitz. Wir hätten von ihm gern gewusst, ob sein Arbeitgeber nach dem geplanten Stopp von Erdöl- und Erdgas-Importen aus Russland jetzt Chancen sieht, den beschlossenen Kohle-Ausstieg im Jahr 2035 aufzuschieben. Aber: Fehlanzeige! Für Anfragen stehe er derzeit nicht zur Verfügung. "Ich bin im Urlaub", hieß es lapidar.
- Für die russische Fracht-Airline Volga-Dnepr ist Tillich seit Juni 2019 als Berater tätig. Auf dem Flughafen Leipzig/Halle sind drei Großraum-Transportflugzeuge AN-124 der Firma infolge des EU-weiten Flugverbots russischer Maschinen gestrandet. Wie kann es mit ihnen weitergehen? Tillich ganz knapp: "Zu Antonow gibt es nichts zu sagen."
- "Am 2. Dezember 2020 wurde Stanislaw Tillich zum Sonderbeauftragten der Bundesregierung für den Strukturwandel in den ukrainischen Kohleregionen berufen", sagt Susanne Ungrad, Pressereferentin für Klima- und Energiepolitik beim Bundeswirtschaftsministerium. "Sein Mandat endete am 8. Dezember 2021 mit der Ernennung der neuen Bundesregierung." Während seiner Amtszeit war Tillich im Jahr 2021 mehrmals in die Ukraine gereist. Ungrad: "Er hat dort zwei Pilotregionen besucht und sie auf dem Weg beim Strukturwandel weg von Kohleförderung und -kraftwerken begleitet." Auch zu dieser Tätigkeit will sich Tillich nicht äußern: "Es wurde vereinbart, dazu keine Statements abzugeben."
Sein MP-Vorgänger Georg Milbradt (77, CDU) ist da offener. Er kümmert sich seit fünf Jahren als Sondergesandter der Bundesregierung um die kommunale Gebietsreform in der Ukraine, hat auch ein Büro in Kiew.
Milbradt sieht die Reform, bei der auch Landgemeinden zusammengeschlossen wurden, als "einen der großen Erfolge seit der Maidan-Revolution": "Was nun daraus wird, kann man erst sagen, wenn der Krieg vorbei ist." Klare Worte. So geht's auch, Herr Tillich.
Gleich nach dem Rücktritt winkten lukrative Posten
Nachdem Ministerpräsident Georg Milbradt (77, CDU) seinen Amtsverzicht wegen der Landesbank-Affäre erklärt hatte, wurde Stanislaw Tillich (63, CDU) am 28. Mai 2008 mit 66 von 121 abgegebenen Stimmen zu dessen Nachfolger gewählt.
Der Sorbe, gläubige Katholik und verheiratete Vater zweier Kinder war nach Biedenkopf und Milbradt der erste Ministerpräsident des Freistaats, der selbst aus Sachsen stammt.
Nach einem desaströsen Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2017 (die Sachsen-CDU landete noch hinter der AfD) machte Tillich am 12. Dezember 2017 den Platz für seinen Nachfolger Michael Kretschmer (46, CDU) frei. Bevor er sich aus der aktiven Politik zurückziehen und sein Landtagsmandat niederlegen wollte, war Tillich noch einer von vier Vorsitzenden der sogenannten Kohlekommission.
Im Abschlussbericht hatte er sich für einen möglichst späten Ausstieg und für hohe Entschädigungssummen für die Braunkohleindustrie eingesetzt. Wenig später wurde er Aufsichtsratsvorsitzender bei der MIBRAG.
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