Treffpunkt DDR-Garage: Der Kampf um ein Stück Ostkultur
Leipzig - Hinter den Holztoren der DDR-Garagenhöfe verstecken sich nicht nur Winterreifen und Sperrmüll. Bis heute wird hier geschraubt, es werden Karten gespielt und Bier getrunken. Nun müssen Besitzerinnen und Besitzer der Garagen jedoch um ihr Eigentum fürchten.
Vor vier meterlangen Garagenreihen in Leipzig kann man Plakate mit wütender Aufschrift lesen: "Anwohner wehrt Euch, Garagenabriss, Parkchaos" - die Garagenbesitzer machen ihrem Ärger Luft. Denn die Bauten sind Relikte der DDR, stehen nach über 30 Jahren nun aber auf der Abrissliste.
Wie in Leipzig finden sich in ganz Ostdeutschland zahlreiche dieser Garagenhöfe, deren immaterielle Bedeutung weitaus höher ist als die Steine, aus denen sie früher meist in Eigenregie gebaut wurden.
Auf den Höfen traf man sich, man schraubte, werkelte, aß, trank und lachte zusammen. Eine Garage war die Ergänzung zur kleinen Wohnung und dem Schrebergarten nebenan. Die heutigen Besitzer kämpfen nun um den Erhalt dieses Mikrokosmos.
Der Grund für die unklare Zukunft der Garagen ist ein Erbe der Vergangenheit. Zwar sind die einzelnen Garagen in Privatbesitz, die Grundstücke, auf denen sie stehen, gehören jedoch den Kommunen. Nach DDR-Gesetz war dies einst möglich. Geltendes Recht sieht allerdings vor, dass es keinen Unterschied zwischen Grundstück- und Gebäudeeigentümer geben darf. Durch ein 1995 in Kraft getretenes Gesetz war dieser rechtliche Missstand bislang kein Problem. Nun sehen sich viele Kommunen in der Pflicht, eine Entscheidung treffen zu müssen.
In Leipzig soll nach Angaben der Stadt auf dem Grundstück des Garagenhofs eine Schule entstehen. Weil es in der Umgebung aber schon drei Schulen gibt, werde eine neue gar nicht gebraucht, sagt Steffen Brabnik vom Leipziger Garagenhofverein: "Uns geht es uns darum, dass wir die Autos von der Straße wegbekommen."
Es werde geklaut und Parkplätze seien rar. Deshalb solle der Hof bleiben. "Aber vor allem ärgert mich einfach, wie die Politik, wie die Grünen, mit uns und diesem Kulturgut umgehen", ergänzt der Leipziger.
Kommunen setzen Eigentümer unter Druck
Die ostdeutschen Kommunen haben ganz unterschiedliche Pläne mit den Höfen. Im Gegensatz zu anderen Städten will das sächsische Grimma laufende Verträge für die Garagen vorerst nicht kündigen, um sie abreißen zu können, sagt Oberbürgermeister Matthias Berger (54, parteilos): "Für uns steht im Vordergrund, dass rechtlich Sicherheit und Klarheit geschaffen wird."
Dafür müssten alte Verträge umgewandelt und in Fällen eines Weiterverkaufs der Garage neue Verträge aufgesetzt werden, die der Kommune ein Mitspracherecht einräumen, so der Jurist.
Vorgeschoben, meint Brabnik: "Die Politik will uns das Autofahren vermiesen." Der 61-Jährige hat die Garage von seinem Vater geerbt. Bis heute trifft er sich hier regelmäßig mit anderen Garagenbesitzern. Als Kind wuselte Brabnik zwischen ihnen umher, während die heute betagten Männer an Trabbi oder Simson schraubten.
Bestünden Altverträge, also solche, die unter DDR-Recht geschlossen wurden, sieht der Vizepräsident des Verbands Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), Peter Ohm, keinen Grund zu handeln: "Hier gibt es auch nach Auslaufen der Übergangsfrist eine gesicherte Rechtsgrundlage, an der man nicht schrauben muss. Es sei denn, man möchte seine Situation als Grundstückseigentümer verbessern."
Kommunen ginge es vor allem darum, den Besitzerinnen und Besitzern der Garage keine Entschädigung zahlen zu müssen und auch andere Pflichten eines Eigentümers auf sie abzuwälzen.
Verband Deutscher Grundstücksnutzer ist sich sicher: "Die Leute werden übers Ohr gehauen"
"Dabei geht es um die Sicherheit, Instandhaltung, aber auch um die Abrisskosten für die Garagen", erklärt Ohm. Besonders in Sachsen verzeichne der VDGN, der allein in Leipzig 22 Garagenvereine mit rund 2750 Mitgliedern vertritt, immer wieder Fälle, in denen Eigentümerinnen und Eigentümer der Garagen unter Druck gezwungen würden, neue Verträge zu unterschreiben.
Damit gingen die Garagen automatisch in kommunalen Besitz über. "In einigen Fällen mussten wir dann feststellen, dass die Nutzerinnen und Nutzer dann rechtlos sind. Man könnte also sagen, die Leute werden übers Ohr gehauen."
Was im neuen Jahr nach Auslaufen der gesetzlichen Frist auf dem Leipziger Garagenhof passiert, wissen Brabnik und die anderen Besitzer nicht. Einem Abriss durch die Stadt steht dort jedoch nicht nur ein unausgefochtener Rechtsstreit mit dem VDGN, sondern auch der erklärte Widerstand der Besitzerinnen und Besitzer im Wege.
Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa