Traurige Ernte: Eine einzige eiskalte Nacht bringt Sachsens Obstbauern zum Verzweifeln

Dresden - Eigentlich würde Ende August die Apfelernte in Sachsen starten. Doch dieses Jahr ist alles anders.

Die sehr zeitige Blüte in diesem Jahr und die späte und sehr kalte Frostnacht Ende April haben die Obsternte ruiniert und damit die Obstbauern in große Existenznot gebracht.
Die sehr zeitige Blüte in diesem Jahr und die späte und sehr kalte Frostnacht Ende April haben die Obsternte ruiniert und damit die Obstbauern in große Existenznot gebracht.  © imago/Marius Schwarz

Wohin man schaut: Die meisten Obstbäume sind leer oder nur vereinzelt hängen ein paar Früchte an den Ästen.

Schuld ist eine einzige Frostnacht im April. Sie hatte sachsenweit quasi die gesamte Ernte erfrieren lassen.

"Wir haben bis zu 100 Prozent Frostschäden in allen Obstkulturen", resümiert Jörg Geithel (63), Vorsitzender des Obstbauverbands Sachsen & Sachsen-Anhalt.

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Doch wie kommen die Obstbauern jetzt über die Runden?

Obstbauverband: "Wir durchleben zurzeit eine Krise"

Ein Foto aus guten Tagen: 2022 konnte Jörg Geithel (63), Vorsitzender des Obstbauverbands Sachsen & Sachsen-Anhalt, vor vollen Apfelbäumen die Erntezeit eröffnen.
Ein Foto aus guten Tagen: 2022 konnte Jörg Geithel (63), Vorsitzender des Obstbauverbands Sachsen & Sachsen-Anhalt, vor vollen Apfelbäumen die Erntezeit eröffnen.  © Petra Hornig

"Wir durchleben zurzeit eine Krise. Die Frostnacht auf den 23. April hat das Leben der Obstbauern ganz schön verändert", sagt Geithel.

Die Ausfälle lägen bei 70 bis 100 Prozent. Es habe diesmal wirklich alle getroffen.

"Ich bin schon 35 Jahre im Obstbaugeschäft und habe so etwas noch nie erlebt - und auch Kollegen, die noch älter sind, nicht", erinnert sich Geithel.

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Wie es jetzt weitergeht? "Es hat keiner einen Plan", sagt Angela Stein vom Obsthof Neuborthener Bauernmarkt resigniert. Der Familienbetrieb baut auf zirka 40 Hektar Erdbeeren, Süß- und Sauerkirschen sowie Äpfel an.

"Wir werden nur die notwendigsten Arbeiten machen und hoffen, dass die Ernte für unseren Hofladen reicht", erzählt sie.

Obstbauer Robert Rüdiger: "Die Lage ist absolut beschissen"

Beim Obst musste Robert Rüdiger (41) fast einen Totalausfall verkraften. Dafür wächst das Gemüse gut. Der Landwirt hofft, dass viele Besucher jetzt Kürbisse und Melonen im Hofladen kaufen.
Beim Obst musste Robert Rüdiger (41) fast einen Totalausfall verkraften. Dafür wächst das Gemüse gut. Der Landwirt hofft, dass viele Besucher jetzt Kürbisse und Melonen im Hofladen kaufen.  © Steffen Füssel

Verzweifelt ist auch Obstbauer Robert Rüdiger (41), der unter anderem 31 Hektar in Hosterwitz bewirtschaftet.

"Die Lage ist absolut beschissen. Wir haben 95 Prozent Einbußen gehabt", ist er ehrlich.

"Das ging mit den Erdbeeren los. Damit verdienen wir eigentlich Geld, mit dem wir Zahlungen im Juni decken", berichtet er. "Für uns heißt das, dass wir im nächsten Jahr für Erdbeerpflanzen oder Saatgut in Vorkasse gehen müssen, wenn wir überhaupt noch was kriegen."

Neben offenen Rechnungen kämen laufende Kosten für Versicherungen, Ratenzahlungen für Traktoren und vieles mehr hinzu.

Doch er verliert nicht die Hoffnung: "Wir hoffen, dass unsere Gemüseernte einiges an Kosten abfangen kann." So würden jetzt unter anderem Melonen und Kürbisse im Hofladen angeboten.

Ansonsten spare auch er, wo möglich. "Wir haben dieses Jahr keine rumänischen Saisonkräfte genommen. Allerdings wissen wir nicht, ob die nächstes Jahr dann noch wiederkommen."

Obstbauer Rico Pietzsch: "Konnten wenigstens im Laden was verkaufen"

Rico Pietzsch (47) hat zwar Äpfel auf seiner Plantage, aber der Frost hat die Früchte so sehr geschädigt, dass sie nur zu Fallobst taugen.
Rico Pietzsch (47) hat zwar Äpfel auf seiner Plantage, aber der Frost hat die Früchte so sehr geschädigt, dass sie nur zu Fallobst taugen.  © Norbert Neumann

Eigentlich optimistisch blickte Rico Pietzsch (47) von der Obstfarm Pietzsch & Winkler eGbR in Saida auf die Ernte.

"Wir hatten zwei Prozent der Erntemenge des Vorjahres bei Süß- und Sauerkirschen. So konnten wir wenigstens im Laden was verkaufen", erzählt er. "Und es haben sich doch etliche Äpfel gebildet, etwa zehn bis 15 Prozent der herkömmlichen Menge."

Doch bald zeigte sich: "Der Frost hatte das Kerngehäuse der Früchte so geschädigt, dass ein Pilz eindringen konnte", beschreibt der Unternehmer.

"Wir haben deshalb alles zu Fallobst erklärt. Dadurch sparen wir uns auch die Kosten für Lagerung und Sortierung." Aus dem Fallobst könnte noch Apfelsaft oder -mus gemacht werden.

Kosteneinsparung sei bei allen Obst- und Weinbauern in Sachsen nun das A und O, erklärt auch Verbands-Chef Geithel. In erster Linie werde bei Erntehelfern und Pflanzenschutzmaßnahmen gespart.

"Es wird natürlich auch Flächenreduktion geben. Man wird sich von den Beständen jetzt schneller trennen, die eh zur Rodung anstanden", erklärt der Vorsitzende. Gleichzeitig appelliert er: "Es wird Obst geben, wenn auch viel weniger. Das wird vorrangig in der Direktvermarktung landen, also in den Hofläden. Wir hoffen, dass dort eingekauft wird."

So wie auf der Obstfarm Pietzsch & Winkler eGbR in Saida sieht es überall in Sachsen aus: Die Bäume tragen keine oder nur wenige Äpfel.
So wie auf der Obstfarm Pietzsch & Winkler eGbR in Saida sieht es überall in Sachsen aus: Die Bäume tragen keine oder nur wenige Äpfel.  © Norbert Neumann

So könnten sich die Obstbauern künftig schützen

Die Erntekisten bleiben vielerorts diesmal leer.
Die Erntekisten bleiben vielerorts diesmal leer.  © IMAGO/Guido Schiefer

"Wir müssen natürlich Vorsorge treffen. Der Klimawandel ist da, das ist unumstritten", sagt Geithel. Doch allzu viele Möglichkeiten haben die Obst- und Weinbauern in Sachsen nicht.

  • Frostschutzberegnung: "Eine effektive Methode, die aber viel Wasser verbraucht, etwa 30 Kubikmeter pro Stunde und Hektar", erklärt der Verbandsvorsitzende. Damit gingen auch hohe Kosten einher.

  • Mehrgefahrenversicherung: Statt Soforthilfen vom Land könnten sogenannte Mehrgefahrenversicherungen Ernteausfälle durch Klimaschäden ausgleichen. Diese sind jedoch sehr teuer. Geithel fordert: "Der Bund müsste die Versicherung mittragen." Im Weinbau ist bereits über das EU-Sektorprogramm Wein eine finanzielle Unterstützung möglich. Diese würden laut Sächsischem Landwirtschaftsministerium (SMEKUL) sächsische Winzer für knapp die Hälfte der Weinbaufläche nutzen. Für Obstbauern gäbe es keine entsprechende Möglichkeit. Sie sei in Sachsen - anders als zum Beispiel in Bayern - auch "derzeit nicht vorgesehen".

  • Robustere Sorten: "Die muss es erstmal geben und die muss der Markt auch wollen. Das ist ein zweischneidiges Schwert", erklärt Jörg Geithel.

Staatliche Hilfen

Bereits im Juni hatte die sächsische Landesregierung 22 Millionen Euro Ad hoc-Hilfe aus dem Krisenfond für den Obst- und Weinbau in Aussicht gestellt. 15 Millionen sollen noch in diesem Jahr ausgezahlt werden.

"SMEKUL und SAB arbeiten intensiv daran, dass Anträge ab Anfang Oktober gestellt werden können", heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium.

Doch bei den Obstbauern drängt die Zeit. "Die Auszahlung muss jetzt zeitnah erfolgen. Denn wir brauchen das Geld, um überleben zu können", sagt Geithel.

Titelfoto: Bildmontage: Steffen Füssel (2), imago/Guido Schiefer

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