Trauma des Krieges: Einen Soldaten aus Sachsen lässt der Afghanistan-Einsatz einfach nicht los
Dresden - Robert Wendler aus Neustadt in Sachsen hat ihn bezahlt, den Preis des Krieges. Der 37-jährige Zeitsoldat leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Als 24-Jähriger wird der Neustädter im Jahr 2009 nach Afghanistan geschickt, offiziell in eine Brückenbaumission. Doch dann gerät seine Truppe unter heftigen Beschuss.
Der 14. Dezember 2009 wird zu einem schicksalhaften Tag, der sein ganzes Leben überschatten wird. Im August 2021 wurden US-Truppen und NATO-Verbände aus Afghanistan abgezogen. Doch in Robert Wendlers Kopf hört der Krieg nie ganz auf.
Es passierte kurz vor dem Weihnachtsfest 2009. Oberstabsgefreiter Robert Wendler war mit seiner Truppe auf einer Brückenbaumission in Char Darah bei Kundus, einer der gefährlichsten Regionen Afghanistans. Acht Jahre lang tobte der Krieg zu dieser Zeit bereits im Land.
"Es war ein ungewöhnlich nebliger Tag, das Gebiet war kaum zu überblicken", erinnert sich der Soldat. Eine unheimliche Ruhe.
"Immer wieder kamen Fahrzeuge und verschwanden dann rückwärts wieder im Nebel." Plötzlich wurde die Truppe von allen Seiten von Talibankämpfern beschossen.
Die Erinnerungen an den Einsatz in Afghanistan holen Robert Wendler bis heute ein
Robert Wendler kämpft mit den Tränen, wenn er an die Zeit zurückdenkt. Er ist austherapiert, sagt er. Doch die Erinnerungen an die Hölle von Afghanistan holen ihn bis heute ein. Über das Erlebte zu reden, tue aber gut, erklärt er.
"Die Kugeln flogen uns nur so um die Ohren. Jedes Mal dachte ich, die nächste könnte Deine sein."
Angst hätte er im Kugelhagel keine gehabt. Zu hoch war der Adrenalinspiegel, der unbändige Wille, sich selbst und seine Kameraden zu schützen und zu verteidigen.
"Unser Leitspruch heißt: Zusammen rein, zusammen raus", sagt Wendler. Trotz stundenlangem Beschuss haben es alle Kameraden heil aus dem Feuergefecht geschafft.
Traumatisierter Soldat wagt "schwersten Schritt seines Lebens"
Die Jahre nach dem Einsatz war der heute 37-Jährige gefangen in einer Schleife aus Panikattacken, Grübeln, Hilflosigkeit und Angst.
Es gibt es noch immer, das Bild vom starken Mann, der keine Gefühle zeigen oder zulassen darf. Dieser Mythos wird auch Robert Wendler zum Verhängnis.
Erst acht Jahre später wagte er den Meilenstein, den, wie er sagt, schwersten Schritt seines Lebens: "Ich gestand mir ein, dass ich ein Problem hatte und ging zum Arzt."
Heute weiß er, dass es keine Schwäche ist, sondern eine ernsthafte Krankheit. Ausgelöst durch Bilder und Erlebnisse, die ihn wohl nie mehr loslassen werden und sein Leben für immer verändert haben.
Wendler gab der Therapie eine Chance
Wendler begab sich in Therapie. Er verbrachte einige Monate in der Psychiatrie des Bundeswehrkrankenhauses in Berlin, traf dort auf andere Soldaten, die die gleichen Qualen durchlitten hatten.
"Zum ersten Mal stand ich nicht alleine da mit meinen Problemen, dort wurde ich aufgefangen." Ruhe und Abstand von seinen Gedanken und Erinnerungen findet er im Zeichnen. "Da bin ich in meiner Welt."
Ob sich der Einsatz in Afghanistan für ihn trotzdem gelohnt hat? "Ich habe viel Lebenserfahrung dazugewonnen", sagt Wendler. "Vor allem aber weiß ich das Leben jetzt mehr zu schätzen. Uns geht es hier richtig gut."
Das versteht man unter "PTBS"
Schreckliche Erlebnisse wie Gewalterfahrungen, Naturkatastrophen, sexueller Missbrauch oder ein schwerer Unfall können das Leben eines Menschen nachhaltig regelrecht aus der Bahn werfen – egal ob Opfer oder nur Zeuge.
Ein solches Trauma – in der Psychologie spricht man dabei von "seelischer Verletzung" – verarbeitet jeder Mensch anders.
Manche Betroffene entwickeln daraufhin eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sprich: Das Erlebte lässt sie nicht los, belastende Erinnerungen kehren immer wieder in Flashbacks zurück.
Die Krankheit äußert sich außerdem in massiver Übererregtheit. Betroffene sind oft besonders wachsam und in Alarmbereitschaft. Sie schlafen schlecht, sind überreizt und fühlen sich fremd im eigenen Leben. Eine PTBS ist nicht heil-, dafür aber therapierbar.
Titelfoto: Thomas Türpe