Top-Hersteller, aber auch Nachholbedarf: Warum Sachsen als Fahrradland boomt
Sachsen - Autoland bleibt - Fahrradland kommt. Für Sachsen wird das Fahrrad immer wichtiger. Das gilt für die Produktion, im Alltag, aber auch touristisch. Zweifel? Die Zahlen der Branche sind jedenfalls beeindruckend.
Die Fahrradindustrie im Freistaat hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Wirtschaftskraft entwickelt. Die Branche boomt, wenn auch die hohe Inflation aktuell eine Bremswirkung entfaltet.
Der Dresdner Online-Händler Bike24 gehört zu den führenden europäischen E-Commerce-Plattformen rund ums Rad, der Hartmannsdorfer Fahrradbauer Diamant gilt als Leuchtturm der Branche.
Touristisch zeigen die Erfolge der Bikewelt Schöneck (Vogtland), die Mountainbike-Strecke Stoneman Miriquidi (Erzgebirge) und die 2021 eröffnete Blockline im Osterzgebirge das Potenzial des Mountainbike-Tourismus.
"Der Fahrradverkehr hat längst nicht mehr nur umwelt- und verkehrspolitische Aspekte, sondern auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung", sagt Sachsens Verkehrs- und Wirtschaftsminister Martin Dulig (49, SPD).
Rund 10.000 Sachsen arbeiten in der Fahrradindustrie
Der Branchenumsatz mit Rädern und E-Bikes hat sich in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren fast vervierfacht: von rund 2 Mrd. im Jahr 2012 auf 7,36 Mrd. Euro im vergangenen Jahr.
"Im Freistaat erwirtschaften rund 10.000 Beschäftigte in mehr als 300 Unternehmen inklusive Handel und Dienstleistern einen Jahresumsatz von über 1,5 Milliarden Euro", so Dulig.
Allein die Diamant Fahrradwerke machen einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro. Damit ist der Fahrradhersteller einer der größten Deutschlands. Täglich produzieren 700 Mitarbeiter bis zu 1400 Fahrräder.
Das Unternehmen gehört zu den Top-100-Arbeitgebern Deutschlands und zu den besten Arbeitgebern im Bereich Fertigung und Industrie.
Beim Bau von Radwegen hinkt der Freistaat allerdings hinterher, wie der Rechnungshof kürzlich bemängelte. Dulig weiß, dass die Mittel einfach nicht ausreichen. Damit das Geld möglichst schnell zum Nutzen der Radfahrer eingesetzt werden kann, sollen Lückenschlussprojekte eine besondere Priorität erhalten.
Die nächste Krise kommt
Ein Kommentar von Thomas Staudt
Die aktuellen Nachrichten aus der sächsischen Wirtschaft geben nicht unbedingt Anlass zum Jubeln. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht Flaute. Die unsichere Wirtschaftslage hat zudem dazu geführt, dass der Geschäftsklimaindex in Ostdeutschland im dritten Quartal zum dritten Mal in Folge gesunken ist.
Schwarz sehen muss man deshalb nicht. Noch sind gute Nachrichten aus Industrie und Handwerk keine Seltenheit. Dennoch tun sie gut. Diese etwa: Sachsens Fahrradbranche hat in den vergangenen zehn Jahren spürbar zugelegt.
Eigentlich verbindet man mit der sächsischen Wirtschaft eher die Segmente Auto, Halbleiter, Wasserstoff, Tourismus oder die traditionellen Werkzeugmaschinen- und Metallbauer. Die Fahrradbranche hat man eher nicht auf dem Zettel.
Ein bisschen mehr Diversifizierung kann der sächsischen Wirtschaftslandschaft nicht schaden. Je einseitiger Industrie und Handwerk funktionieren, desto krisenanfälliger sind sie.
Die Landesregierung kann mit einer austarierten Förderpolitik ihren Anteil dazu beitragen, dass die Wirtschaft insgesamt bei künftigen Durststrecken mit einem blauen Auge davonkommt.
Denn eins ist sicher: Die nächste Krise kommt bestimmt.
Titelfoto: SMWA/Kristin Schmidt