Thema Alkohol: So viel wird in Sachsen gesoffen, das muss sich dringend ändern

Dresden - Die deutschen Brauer erleben eine Durststrecke. Seit Corona geht der Absatz von Bier stetig zurück. Einzig der Verkauf von alkoholfreiem Gerstensaft steigt. Klingt, als ob die Teutonen dem Alkohol langsam abschwören und gesünder leben?! Weit gefehlt! Nach wie vor werden hierzulande große Mengen des Rauschmittels vernichtet. Sachsens Männer sind gar einsame Spitze beim Alkoholkonsum - ein bedenklicher Rekord. Das finden nicht nur Ärzte. Hier Zahlen, Fakten, Stellungnahmen dazu.

65.000 Sachsen sind abhängig vom Alkohol. Eine noch größere Zahl ist auf dem Weg dorthin, falls sich an ihrem Trinkverhalten nichts ändert. (Symbolbild)
65.000 Sachsen sind abhängig vom Alkohol. Eine noch größere Zahl ist auf dem Weg dorthin, falls sich an ihrem Trinkverhalten nichts ändert. (Symbolbild)  © 123RF

Im Jahr 2021 tranken mehr als zwei Drittel der Erwachsenen und rund ein Drittel der Jugendlichen in den letzten 30 Tagen Alkohol. Jungen und Männer picheln häufiger und mehr Alkohol als Mädchen und Frauen.

Männer greifen dabei vor allem zu Bier, Frauen bevorzugen in erster Linie Wein.

Der Pro-Kopf-Verbrauch von Reinalkohol der über 15-jährigen Bevölkerung in Deutschland liegt mit 10,6 Litern und damit knapp über dem durchschnittlichen Alkoholkonsum der EU-Mitgliedstaaten von rund zehn Litern.

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Beim Bierkonsum liegt Deutschland im europäischen Vergleich mit 5,6 Litern Reinalkohol pro Kopf an vierter Stelle.

Sachsen liegt im Deutschlandvergleich vorn

Erik Bodendieck kennt als Präsident der Sächsischen Landesärztekammer die Gefahr, die vom Alkohol für viele Menschen ausgeht.
Erik Bodendieck kennt als Präsident der Sächsischen Landesärztekammer die Gefahr, die vom Alkohol für viele Menschen ausgeht.  © Holm Helis

Rund 16 Prozent der erwachsenen Männer und elf Prozent der erwachsenen Frauen konsumieren wöchentlich riskante Mengen Alkohol. Riskant heißt in diesem Zusammenhang, dass sich Frauen täglich mehr als zehn Gramm Reinalkohol einflößen.

Die kritische Marke bei Männern liegt bei mehr als 20 g/Tag. Hinsichtlich des riskanten Alkoholkonsums bestehen deutliche regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands. Sachsen liegt vorn bei den roten Nasen: 26,7 Prozent der sächsischen Männer blicken bedenklich tief ins Glas. Bei den Frauen sind es zwölf Prozent. Nur in Bayern trinken noch mehr Damen bedenkliche Menge (13,8 Prozent).

Das besonders gesundheitsschädliche Rauschtrinken ist unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen weit verbreitet.

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2021 haben sich fast ein Viertel der 16- und 17-Jährigen und über 30 Prozent der 18- bis 25-jährigen jungen Erwachsenen innerhalb der letzten 30 Tage betrunken (mehr als fünf Gläser für Männer und mehr als vier Gläser für Frauen bei einer Gelegenheit).

Nur eine Minderheit lebt ganz ohne Alkohol

Koma-Saufen scheint bei Jugendlichen aus der Mode gekommen zu sein. (Symbolbild)
Koma-Saufen scheint bei Jugendlichen aus der Mode gekommen zu sein. (Symbolbild)  © 123rf/Milkos

Das berüchtigte "Koma-Saufen" scheint bei den unter 20-Jährigen aus der Mode zu kommen.

Laut DAK-Gesundheit kamen 2021 insgesamt 915 Kinder und Jugendliche (503 Jungen und 412 Mädchen) wegen Alkoholmissbrauchs in eine Klinik. Das waren 7,4 Prozent weniger als 2020.

Im Freistaat Sachsen sind etwa 65.000 Menschen alkoholabhängig, weitere 100.000 Personen betreiben einen Alkoholmissbrauch als Vorstufe der Suchtentwicklung.

Ein Leben gänzlich ohne Alkohol führen in Sachsen 7,3 Prozent der Männer und 14,7 Prozent der Frauen. Dass sie nicht wöchentlich zu berauschenden Getränken greifen, sagen 21,8 Prozent der Mannsbilder und 46,2 Prozent der Damen.

Sprechen werdende Mütter in der Schwangerschaft dem Alkohol zu, kann das zu schweren Hirnschäden beim ungeborenen Kind führen. Betroffene Kinder leiden dann ein Leben lang unter dem Fetalen Alkoholsyndrom (FAS).

Es führt je nach Ausprägung zu Minderwuchs, kognitiven Defiziten bis zur geistigen Behinderung, Störungen des Sozialverhaltens, Impulskontrollstörungen, Empathie-Mangel oder Defiziten bei der Alltagskompetenz. Experten schätzen, dass das Fetale Alkoholsyndrom (FAS) heute die häufigste angeborene geistige Behinderung in Deutschland ist und bis zu vier Prozent der Bevölkerung FAS haben.

Durch Alkoholmissbrauch entstehen jährlich immense direkte und indirekte Gesundheitskosten. Alkoholbezogene Störungen zählen in Sachsen zu den häufigsten Suchtproblemen. Sie verursachen jährlich etwa 100 Millionen Euro Kosten allein für Krankenhausbehandlung und Folgeerkrankungen.

Auf den Konsum von Alkohol lassen sich Schätzungen zufolge 2022 in Deutschland mehr als 20.000 Krebsneuerkrankungen zurückführen (rund 14.000 bei Männern und 6200 bei Frauen). Darmkrebs macht mit rund 45 Prozent den größten Anteil aller durch Alkoholkonsum bedingten Krebsfälle aus.

Kennzeichnungspflicht gefordert

Kommt die Kennzeichnungspflicht für Alkohol? (Symbolbild)
Kommt die Kennzeichnungspflicht für Alkohol? (Symbolbild)  © 123rf/klamburs

Sachsens Ärzte kämpfen für eine Kennzeichnungspflicht von Alkohol.

"Der Gesetzgeber solle dafür baldmöglichst ein einheitliches und auf einen Blick ersichtliches, eindeutiges Symbol auf den Verpackungen aller Lebensmittel, die Alkohol enthalten, einführen – ganz unabhängig von der Anteilhöhe", forderten die Mediziner auf ihrer jüngsten Kammerversammlung.

Die Ärzte monieren: Vielmals sei nicht auf einen Blick ersichtlich, ob ein Lebensmittel Alkohol enthält. Besonders für Kinder, Schwangere, Alkoholiker, Strenggläubige oder Anti-Alkoholiker sei das fatal.

"Jeder Mensch sollte die Wahl haben, was er konsumieren möchte, und dafür muss das klar und für alle ersichtlich sein. Auch für Analphabeten", so die Ärzte.

Weltweiter Konsum steigt an

Immer mehr Menschen greifen zum Alkohol, und das weltweit. (Symbolbild)
Immer mehr Menschen greifen zum Alkohol, und das weltweit. (Symbolbild)  © 123rf/viewapart

Eine internationale Studie unter Leitung von Psychologen der TU Dresden erwartet, dass weltweit der Alkoholkonsum noch steigt.

Die ernüchternde Prognose für 2030: Der pro-Kopf-Konsum wird auf 7,6 Liter reinen Alkohol im Jahr klettern. Besonders im asiatischen Raum können und wollen sich mehr Menschen den Genuss von Bier, Whiskey & Co. leisten.

Dabei sollte doch zum Wohl der Weltgemeinschaft Experten zufolge eher weniger Berauschendes getrunken werden! Vorschläge der Forscher, um das zu erreichen: höhere Besteuerung von Alkohol, Verkaufsbeschränkungen, Werbeverbote.

"Wir brauchen eine kritische Diskussion zum Thema Alkohol, zu unseren gewohnten Konsummustern und zu einer Alkoholpolitik, die neue Wege aufzeigt", so der Sucht- und Drogenbeauftragte des Bundes, Burkhard Blienert (57, SPD).

Titelfoto: Montage: 123rf, 123rf/viewapart

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